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Interview mit Dietrich Bangert

Text: Bangert, Dietrich, Frankfurt/Main; Ballhausen, Nils, Berlin; Kleilein, Doris, Berlin

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Interview mit Dietrich Bangert

Text: Bangert, Dietrich, Frankfurt/Main; Ballhausen, Nils, Berlin; Kleilein, Doris, Berlin

Herr Bangert, wird Ihre Architektur 23 Jahre nach der Fertigstellung in Frankfurt nicht mehr verstanden?
Die Schirn bleibt, was sie ist: eine Kunsthalle von internationalem Rang und eine stadträumliche Inszenierung von Geschichte. Im Wettbewerb von 1980 standen die rekonstruierten Fachwerkhäuser am Römerberg für die Neu­bewertung des historischen Ensembles, das Ruinenfeld des Archäologischen Gartens – in stadt­räumlich präziser Fassung von uns als Garten der Kunst und Aktion konzipiert – für eine erweiterte Gegenwart und Aneignung von Geschichte. In dieser Polarität von Wiederauferstehung und Vergänglichkeit versammelt die Schirn die hier unter freiem Himmel gleichberechtigten historischen Zeugnisse und macht die unterschiedliche Form der Geschichtsbewäl­tigung zum ganzheitlichen Stadterlebnis. Sie selbst nimmt gegenüber dem Dom das Thema von Fragment und Ruine in die Komposition ihrer Baukörper auf. Das spricht für sich.
Einige Bauteile, etwa die Pergola und das Bühnenportal, wurden damals nicht realisiert. Mit dem Altstadt-Rahmenplan könnte das templum vor dem Schirntreff, der sogenannte Tisch, zur Debatte stehen. Warum erscheinen den Verantwortlichen solche Elemente verzichtbar?
Heute ist es Ignoranz, damals waren es Kosten­gründe. Schon bald jedoch vermisste man at­mosphärische Dichte, Lebendigkeit und Aufent­haltsqualität auf der Sonnenseite des Archäologischen Gartens. Der Tisch am Wegekreuz vom Dom zum Römerberg und von der Stadt zum Main – doppeldeutig als Baukörper und öffentlicher Raum – ist unverzichtbarer Teil der hier ins Umfeld aufbrechenden Komposition der Schirn. Deren kreuzförmige Disposition greift die Wegebeziehungen auf und fokussiert das heterogene Umfeld auf den öffentlichen Bau, der die Stadtgestalt prägt.
Ist man mit einem offenen Raum wie dem Tisch heutzutage überfordert?
Der Rahmenplan für die Altstadtbebauung entfernt ohne Not wichtige Erschließungselemente der Schirn und verstümmelt die Komposition und das Zusammenwirken ihrer Teile derart, dass ein aus sich heraus nicht mehr verständlicher isolierter Torso übrig bleibt. Insbesondere der Abriss des Tischs ist einigen – entgegen deutlichem Widerspruch auch aus der Öffentlichkeit – zur fixen Idee geworden. In der Schirn denkt man anders, denn das Potenzial dieses besonderen Ortes liegt auf der Hand.
Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Unser Änderungsvorschlag von 2007 und unsere diesjährige Studie zur Klärung der Wettbewerbsvoraussetzungen für den Archäologi­schen Garten zeigen, wie sich die Schirn als Abschluss einer dreißigjährigen Geschichte des Wiederaufbaus und die neuen Leitvorstellungen zusammenfügen lassen. In der veränderten Topographie wird das Gebäude künftig erhöht liegen. Ein architektonisch präzise umrissenes Plateau als Außenraum für die Kunsthalle und ihr Café schafft hier, barrierefrei eingebun­den, in Verbindung mit dem Tisch als Pavillon einen signifikanten Ort von hoher Nutzungs- und Aufenthaltsqualität. Dieses ist die angemes­­sene Außenwirksamkeit, die der Kunsthalle im Stadtraum zusteht, und ein Beitrag zur Urbanität des entstehenden Umfelds.
Es klingt ein wenig, als kämpften Sie hier um die letzten Reste des öffentlichen Raums.
Vor allem auch um seine Qualität. Das Schirnplateau mit dem Tisch steht zentral im Zusammenspiel gedeckter Bereiche des öffentlichen Raums in Gestalt ausgeprägter Bautypen wie Kolonnade, Rotunde, Halle, Vorhalle, Loggia und Pavillon. Mit der Thematik von Baukörper und Raum innerhalb der Schirn und ihrer maßstäblich heterogenen Gliederung, ja, gerade mit dem Tisch selbst als Tertium Comparationis bietet sich die Voraussetzung zu Dialog und harmonischer Synthese mit dem strukturell kleinteiligen Umfeld.
In Ihrer Studie zeigen Sie, dass das geplante „Stadthaus“ über dem Archäologischen Garten auch mit der Schirn verbunden werden könnte.
Neben der gemeinsamen Nutzung des Schirnplateaus könnte über die Galerie am Tisch das neue Stadthaus bei gegebenem Anlass zu ei­ner Funktionseinheit mit der Schirn zusammen­geschaltet werden. Eine Variante der Außentreppe ergäbe Barrierefreiheit. Der Tisch stünde dann als interne Außenterrasse zur Verfügung.
Ist die Kunsthalle angesichts der ringsum aufrückenden Kleinteiligkeit in Zukunft noch zu halten?
Kunst und Musik anstelle von Metzgerläden sind im Herzen der Stadt zwischen Dom und Römer ein wahrer Segen. Die Disposition der Schirn behält ihren Sinn, selbst bei einer an der historischen Altstadt orientierten Entwicklung, die frühere Zeugnisse der Geschichte in den Keller verbannt. Keines der Elemente, aus denen sie sich zusammenfügt, muss dafür angetastet werden.

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