László-Moholy-Nagy-Retrospektive
Telefonexperimente und Lichtgemälde
Text: Spix, Sebastian, Berlin
László-Moholy-Nagy-Retrospektive
Telefonexperimente und Lichtgemälde
Text: Spix, Sebastian, Berlin
„Es war wie ein Schachspiel per Post“, schreibt László Moholy-Nagy in The New Vision and Abstract of an Artist über sein Telefonbild-Experiment aus dem Jahr 1922.
Der Künstler hatte seine Bilder auf Millimeterpapier skizziert und diktierte dem Abteilungsleiter einer Schilderfabrik die „Koordinaten“ der Komposition mithilfe der Farbtafel der Firma übers Telefon. Der Abteilungsleiter übertrug die Farbtupfer analog auf ein vor ihm liegendes Millimeterpapier und ließ nach diesen Angaben die Porzellanemaille-Schilder fertigen.
Zu sehen ist „EM1“ aus der „Telefonserie“, ein vertikaler Balken und vier dünne, sich zu Kreuzen überschneidende Geraden auf weißem Grund, zurzeit in einer Lászlo-Moholy-Nagy-Retrospektive in Frankfurt am Main. Anlässlich des Bauhaus-Jubiläums präsentiert die Kunsthalle Schirn 170 Werke des 1895 im südungarischen Bácsborsód geborenen und 1946 in Chicago verstorbenen Künstlers, der das Bauhaus in Weimar und Dessau zwischen 1923 und 1928 als Lehrer entscheidend mitprägte.
Der erste Ausstellungsraum fokussiert das 20er-Jahre-Werk von Moholy-Nagy mit Gemälden, Fotografien, Kurzfilmen und Grafiken zu Raum-, Formund Konstruktionsstudien. Ob in den farbigen Bühnenbildentwürfen für „Hoffmanns Erzählungen“ an der Berliner Kroll-Oper (1929) oder den Lithografien „Konstruktionen – 6. Kestner-Mappe“ (1923), stets überlagern sich geometrische Formen wie Polygon, Rechteck, dicker Stab, dünne Linie, Halbkreis oder Scheibe; räumliche Dimensionen scheinen sich zu vermischen oder gar völlig aufzulösen.
Moholy-Nagy experimentiert mit „Fotogrammen“, einer Fotografietechnik, die auf der direkten Belichtung lichtempfindlicher Materialien wie Film oder Fotopapier ohne Kamera basiert. „Selbstporträt“ aus dem Jahr 1926 ist ein solches Fotogramm, es erinnert an ein verwackeltes Röntgenbild, in dem „Schädelknochen“, die sich in verschiedenen Helligkeitsstufen überlagern, zu einer clownesken Maske verschmelzen. Später macht er Versuche mit langen Kameraverschlusszeiten. Auf „Ohne Titel (Neon signs, Chicago)“ von 1939 etwa zeichnen sich auf dem schwarzen Hintergrund langgezogene Kurven weißer, roter und blauer Schlieren ab: eine „Lichtmalerei“, die Assoziationen zu Graffiti hervorruft.
Im zweiten Ausstellungsteil: die gebogenen Plexiglas-Skulpturen aus den 40er Jahren und der Anfang dieses Jahres nach Plänen des Künstlers in der Kunsthalle Erfurt rekonstruierte und nun in der Schirn aufgebaute „Raum der Gegenwart“. Man betritt eine kleine Box, in der eine überdimensionale Spule surrend Bilder mit Moholy-Nagy-Fotos und -Gemälden abrollt. Auf Glastellern drehen sich Bauhaus-Lampen, in Metallregalen flimmern Kurzfilme, in einem Vitrinenschrank wackelt der „Licht Raum Modulator“. Schirndirektor Max Hollein beschreibt den Raum als „inhaltliche Zusammenfassung“ von Moholy-Nagys „didaktischer Kunst“. Der Besucher findet sich jedoch am Ende eines beeindruckenden Querschnitts durch den künstlerischen Kosmos des László Moholy-Nagy inmitten einer Installation wieder, die einem merkwürdigen Fetisch für Bauhausrelikte entsprungen zu sein scheint.
0 Kommentare