Bauwelt

Magdeburg

Text: Kowa, Günter, Berlin

Magdeburg

Text: Kowa, Günter, Berlin

Wie lässt sich der Fluss als Kultur- und Lebensraum für die Bevölkerung der Stadt wiedergewinnen? Die Elbuferplanung im Rahmen der IBA mit neuen Uferterrassen und einem „Elbebalkon“ ist ambitioniert. Sie reiht sich ein in vergleichbare Planungen etwa in Köln und Mannheim. Die grobe Art der Ausführung allerdings macht die Intention zunichte.
„Leben an und mit der Elbe“ war ein Thema, das sich für die Magdeburger IBA geradezu zwingend anbot. Die Stadt ist von ihrem Fluss entfremdet, und das schon lange. Mit der Industrialisierung schoben sich die Werksgelände an die Ufer. Nach dem Krieg hatten die sozialistischen Stadtplaner für die zerstörte Altstadt nur Prachtalleen und Aufmarschplätze im Sinn, in den Sechzigern sollte zur Flussseite eine Silhouette der Moderne entstehen. Gebaut wurde aber nur eine Wohnscheibe am Hang, unweit vom Liebfrauenkloster. Vor diesem Riegel rollt nun grüne Wiese zur Elbe hinunter, möbliert mit den liegenden Akten der DDR-Plastik. Pläne für neue Stadtvillen an dieser Stelle stießen auf Proteste seitens der Scheiben-Bewohner, die um ihren freien Blick fürchten.
Nicht alle verstehen Magdeburgs Hinwendung zur Elbe, so wie es die IBA-Projekte anstreben. Für diese sind drei Brennpunkte defi­niert. Die Universität konzentriert elbaufwärts ihre Forschungsinstitute mit Neubautenam „Wissenschaftshafen“. Der Campusgedanke wird flankiert vom Fernziel, die Hauptverkehrs­achse zu beruhigen, die das Areal durchschneidet. Unterhalb vom Domhügel wird entlang der Promenade mit Elbterrassen, Kunstprojek­ten und Gastronomie mehr Aufenthaltsqualität geschaffen, das frühere Bahngelände zu einem gehobenen Wohnstandort aufgewertet. Elbaufwärts liegen die industriell überformtenehemaligen Fischerstädtchen Westerhüsen, Salbke und Fermersleben, denen Natur zurückgegeben werden soll für flussnahes Wohnen und Freizeit am Wasser.
Für diese Ziele sind Wettbewerbe und Workshops eingesetzt worden, mehr als in manch anderer IBA-Stadt. So jüngst für das neue Wissenschaftsquartier, den das junge Ber­liner Büro SMAQ gewann, und bereits 2005 für die fußgängerfreundliche Erschließungder Uferpromenade am Fuß des Domhügels. Der Kopf dieser Uferplanungen, der fast 20 Jahre amtierende Stadtplaner Wolfgang Peters, ließ sich allerdings ablenken von seiner Leidenschaft für die historischen Festungsbauwerke der Stadt; in einem enormen Kraftakt hat er sie freilegen lassen. Was andere Projekte betrifft, wirkten aber Kräfte von „unglaublichem Beharrungsvermögen“ in der Stadt – Worte von Peters’ Nachfolger Heinz-Joachim Olbricht –, die das IBA-Ziel in der Idee und im Detail schmälerten.
Ihr sichtbarstes Opfer ist die Fußgängerbrücke samt Rampe an der Uferpromenade. Die schwebende Eleganz des preisgekrönten Spannbetonentwurfs des Stuttgarter Brückenspezialisten Jörg Schlaich wich in der Ausführung einer schwerfälligen Stahlkonstruktion mit unregelmäßig gesetzten Stützen in Betonstümpfen und einem Geländer von grobschläch­tiger Kantigkeit. Die Tiefbauabteilung des Planungsamts beharrte darauf, Richtzeichnungen aus dem Standardkatalog zu verwenden; die Stuttgarter Ingenieure verboten daraufhin die Verwendung ihres Namens auf dem Bauschild. Kaum besser sind die Sitzterrassen am Ufer geraten, die sich in ihrer klobigen Massigkeit vom Linienschwung im Entwurf des Landschafts­architekten Axel Lohrer weit entfernt haben.
In Salbke wiederum taugt die Freiluftbibliothek „Lesezeichen“ (Heft 38.2009) inmitten des verfallenen dörflichen Angers zwar als Symbol der Stadterneuerung im Sinne der  IBA. Doch hinter der Idee für die 24-Stunden-Bücherei aus den recycelten Fassadenelementen eines Kaufhauses im Stil von Egon Eiermann stand eine örtliche Bürgerinitiative, und die Architekten brachten sie im „ExWoSt“-Programm unter, lange bevor die Stadt sie für die IBA entdeckte.
Der eigentliche Affront gegen den IBA-Gedanken von „Mehr Landschaft“ in Magdeburg liegt aber wohl in der verkehrsplanerischen Un­belehrbarkeit der Stadt. Ganz ähnlich wie bei den Dessauer Tangenten sind es längst über­holte Prognosen der Verkehrsvolumina, die zum vierspurigen Ausbau ausgerechnet der Uferstraße geführt haben. Dieser Fehlgriff droht jetzt in seinen Auswirkungen von der beschlossenen Unterführung am Bahnhof verschärft zu werden. Genauso problematisch ist der geplante vierspurige Ausbau des Autobahnzubringers Richtung Osten einschließ­lich neuer Brückenbauwerke.
Fakten
Architekten lohrer.hochrein landschaftsarchitekten, München; Schlaich Bergermann u.Partner, Stuttgart
aus Bauwelt 17-18.2010
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