Der vereinnahmte öffentliche Raum
Tagung über „Stadtentwicklung im Aufmerksamkeitswettbewerb“
Text: Kowa, Günter, Berlin
Der vereinnahmte öffentliche Raum
Tagung über „Stadtentwicklung im Aufmerksamkeitswettbewerb“
Text: Kowa, Günter, Berlin
Wem gehört der öffentliche Raum? Dass diese viel diskutierte Frage immer deutlicher mit „wirtschaftli-chen Interessen“ beantwortet werden muss, dafür lieferte eine Berliner Tagung des Council for European Urbanism (C.E.U.) neuerliche Belege. „Ambivalenzen von Stadtentwicklung im Aufmerksamkeitswettbewerb“ war der nicht gerade griffige Titel, den Sabine Knierbein von der TU Wien, Autorin eines Standardwerks zu diesem Thema, zur Einleitung auch noch theorielastig ausdehnte. Im Kampf um die Aufmerksamkeit von Passanten an hochfrequentierten Orten, so Knierbein, „suchen sich Firmen öffentliche Räume, um ihre Kommunikationsstrategie auszuweiten“.
Zwei Faktoren, sagte sie, verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung. Die Außenwerbebranche – längst nicht mehr auf „Billboards“ beschränkt – schafft durch strategische Fusionen lokale Monopole. Das treibt nachweislich die Preise, was aber noch das geringste Übel darstellt. Die Inbesitznahme des öffentlichen Raums wird zugleich begünstigt durch Deregulierung wie aus dem Lehrbuch des Marktliberalismus. Die vor fünf Jahren geänderte Berliner Bauordnung erlaubt jetzt Werbeanlagen, „die im öffentlichen Interesse liegende Ziele und Zwecke verfolgen“, beispielsweise den Denkmalschutz sponsern.
Mittlerweile ist die Bundeshauptstadt das beste Anschauungsbeispiel dafür, wie das Phänomen „Stadtraumbranding“ aus dem Ruder läuft. Die werbewirtschaftliche Verwertung von prominenten und hochfrequentierten öffentlichen Orten nimmt Züge einer totalen Vereinnahmung an. Dass dabei jeder Respekt vor historisch aufgeladenen Straßen und Plätzen verloren geht, demonstrierte Stadtplaner Ephraim Gothe vom Bezirk Mitte an den berüchtigsten Fällen – etwa an der „Fashion-Week, die am Bebelplatz auf dem dort hintersinnig versenkten Mahnmal der Bücherverbrennung buchstäblich herumtrampelt. Auch am Brandenburger Tor nehmen die Event-Exzesse immer grellere Züge an. Längstsind auch Marathons und Sternfahrten ein Objekt
des Branding.
Die naheliegende Frage, wie angesichts der wachsenden finanziellen Abhängigkeit der Kommunen etwa durch den Kompensationscharakter solcher Aktionen (Sponsoring von Denkmalschutz zum Beispiel) da noch gegengesteuert werden kann, beantwortete Gothe mit dem „Positiv-/Negativkatalog“. Dort sind Grundsätze für die Sondernutzung von insgesamt 14 Orten aufgelistet. Die Einschränkungen und Bedingungen bleiben aber doch sehr im Ungefähren („ausgeprägter Kunst- und Kulturanspruch“,„Veranstaltung von herausragender politischer, kultureller oder sportlicher Bedeutung“), so dass eine zügelnde Wirkung fraglich und zwischen genehmigtem Antrag und tatsächlichem Event viel Spielraum für unerfreuliche Überraschungen bleibt.
Die freie Bespielbarkeit öffentlicher Räume aber trägt viel zum „kreativen“ Image Berlins bei.
Michael Künzel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung überraschte mit einem Konzept, das
die „Verstetigung des Experimentellen“ zum Ziel hat. Was wie ein Widerspruch in sich klingt, läuft auf
ein neuartiges Vergabeverfahren hinaus. Unabhängig jurierte Wettbewerbe sollen innovative Zwischennutzungen für definierte öffentliche Räume ermitteln, angefangen beim jüngst als Freiraum erschlossenen Tempelhofer Feld. Was für eine Ironie, dass ausgerechnet der über lange Zeit bekannteste Freiraum für künstlerische Interventionen im Stadtraum, der U-Bahnhof Alexanderplatz, seiner Nach-Wende- Sonderstellung als Kunstort velustig ging – als der Senat dem Werbekonzern Wall Exklusivrechte an öffentlichen Plätzen einräumte, sehr zum Missfallen der einst in der U-Bahn-Station Alexanderplatz federführenden Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (Bauwelt 4.08). Der Vereinnahmung nahezu sämtlicher Flächen im Bahnhof, wie jüngst für das Trommelfeuer der unentrinnbaren Kampagne eines Internetabrechnungsdienstleisters, konnte zuletzt nur der Denkmalschutz entgegentreten: Wenigstens die neo-klassizistischen Eisenpfeiler müssen nun nicht länger fürchten, zum Werbeträger zu verkommen.
Zwei Faktoren, sagte sie, verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung. Die Außenwerbebranche – längst nicht mehr auf „Billboards“ beschränkt – schafft durch strategische Fusionen lokale Monopole. Das treibt nachweislich die Preise, was aber noch das geringste Übel darstellt. Die Inbesitznahme des öffentlichen Raums wird zugleich begünstigt durch Deregulierung wie aus dem Lehrbuch des Marktliberalismus. Die vor fünf Jahren geänderte Berliner Bauordnung erlaubt jetzt Werbeanlagen, „die im öffentlichen Interesse liegende Ziele und Zwecke verfolgen“, beispielsweise den Denkmalschutz sponsern.
Mittlerweile ist die Bundeshauptstadt das beste Anschauungsbeispiel dafür, wie das Phänomen „Stadtraumbranding“ aus dem Ruder läuft. Die werbewirtschaftliche Verwertung von prominenten und hochfrequentierten öffentlichen Orten nimmt Züge einer totalen Vereinnahmung an. Dass dabei jeder Respekt vor historisch aufgeladenen Straßen und Plätzen verloren geht, demonstrierte Stadtplaner Ephraim Gothe vom Bezirk Mitte an den berüchtigsten Fällen – etwa an der „Fashion-Week, die am Bebelplatz auf dem dort hintersinnig versenkten Mahnmal der Bücherverbrennung buchstäblich herumtrampelt. Auch am Brandenburger Tor nehmen die Event-Exzesse immer grellere Züge an. Längstsind auch Marathons und Sternfahrten ein Objekt
des Branding.
Die naheliegende Frage, wie angesichts der wachsenden finanziellen Abhängigkeit der Kommunen etwa durch den Kompensationscharakter solcher Aktionen (Sponsoring von Denkmalschutz zum Beispiel) da noch gegengesteuert werden kann, beantwortete Gothe mit dem „Positiv-/Negativkatalog“. Dort sind Grundsätze für die Sondernutzung von insgesamt 14 Orten aufgelistet. Die Einschränkungen und Bedingungen bleiben aber doch sehr im Ungefähren („ausgeprägter Kunst- und Kulturanspruch“,„Veranstaltung von herausragender politischer, kultureller oder sportlicher Bedeutung“), so dass eine zügelnde Wirkung fraglich und zwischen genehmigtem Antrag und tatsächlichem Event viel Spielraum für unerfreuliche Überraschungen bleibt.
Die freie Bespielbarkeit öffentlicher Räume aber trägt viel zum „kreativen“ Image Berlins bei.
Michael Künzel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung überraschte mit einem Konzept, das
die „Verstetigung des Experimentellen“ zum Ziel hat. Was wie ein Widerspruch in sich klingt, läuft auf
ein neuartiges Vergabeverfahren hinaus. Unabhängig jurierte Wettbewerbe sollen innovative Zwischennutzungen für definierte öffentliche Räume ermitteln, angefangen beim jüngst als Freiraum erschlossenen Tempelhofer Feld. Was für eine Ironie, dass ausgerechnet der über lange Zeit bekannteste Freiraum für künstlerische Interventionen im Stadtraum, der U-Bahnhof Alexanderplatz, seiner Nach-Wende- Sonderstellung als Kunstort velustig ging – als der Senat dem Werbekonzern Wall Exklusivrechte an öffentlichen Plätzen einräumte, sehr zum Missfallen der einst in der U-Bahn-Station Alexanderplatz federführenden Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (Bauwelt 4.08). Der Vereinnahmung nahezu sämtlicher Flächen im Bahnhof, wie jüngst für das Trommelfeuer der unentrinnbaren Kampagne eines Internetabrechnungsdienstleisters, konnte zuletzt nur der Denkmalschutz entgegentreten: Wenigstens die neo-klassizistischen Eisenpfeiler müssen nun nicht länger fürchten, zum Werbeträger zu verkommen.
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