Kunst und Kultur helfen. Nicht nur in gestalterischer, sondern auch in geistiger Hinsicht.
Ein Gespräch mit Anne Luise Müller und Peter Füssenich über das vereinte Arbeiten wider die unerwünschten Effekte der Eventkultur
Text: Winterhager, Uta, Köln
Kunst und Kultur helfen. Nicht nur in gestalterischer, sondern auch in geistiger Hinsicht.
Ein Gespräch mit Anne Luise Müller und Peter Füssenich über das vereinte Arbeiten wider die unerwünschten Effekte der Eventkultur
Text: Winterhager, Uta, Köln
Ich habe Sie beide zu diesem Gespräch eingeladen, weil Ihnen als Vertreter der Stadt und der Hohen Domkirche das Umfeld des Doms in den letzten Jahren viel Arbeit gemacht hat, die Sie nur gemeinsam bewältigen konnten. Wie muss man sich die Zusammenarbeit vorstellen, wenn der Dom doch immer der Dom bleibt und die Stadt um ihn herum sich rasant verändert? Haben Sie überhaupt gemeinsame Ziele?
Peter Füssenich Unser gemeinsames Ziel ist die Schaffung einer würdigen Domumgebung. In den letzten Jahrzehnten ist städtebaulich vie-les um den Dom verunklart worden. Wo das Museum Ludwig in die Domplatte eingegriffen hat, war die Konzeption der Domplatte von Schaller nicht mehr ablesbar, so dass im Laufe der Zeit viele Unorte entstanden sind.
Anne Luise Müller Bei allen Themen rund um den Dom stehen wir mit der Kirche in einem engen Austausch. Einen solchen hatten wir das erste Mal beim Zugangsgebäude zum Südturm. Da die Domplatte eine städtische Liegenschaft ist, mussten wir uns zunächst vertraglich annähern, über das Konzept und den Wettbewerb haben wir schließlich ein gemeinsames Verständnis von Qualität entwickelt.
Haben Sie sich an einem Punkt in diesem langen Verfahren nicht einmal die ganz große Lösung gewünscht, die tabula rasa, auf der nur der Dom auf seinem Hügel sitzt?
Anne Luise Müller In einer Stadt findet man immer Besonderes, Historisches, Hässliches und Unwirtliches vor. Damit muss man umgehen. Die Entscheidung in der sechziger Jahren, die Domplatte zu bauen, um den Verkehr zu kanalisieren und dem Dom, der damals praktisch eine Verkehrsinsel war, ein gutes Umfeld zu geben, war toll, aber es ist auch eine irreversible Lösung. Dass man sie aber nicht pfleglich behandelt hat und dies dann als Belastung eines gealterten Bauwerks betrachtet, ist etwas ganz Anderes. Insofern waren wir glücklich, besonders unwirtliche Stellen zurückbauen zu können.
Als die Domplatte gebaut wurde, war es eine Provokation, die Stadt auf die Höhe der Kathedrale anzuheben und ihre Schwelle damit niederzulegen. Wie möchten Sie die Kirche heute platziert sehen?
Peter Füssenich Der Dom steht mitten in der Stadt und ist auch durch die Lage des Hauptbahnhofs ein sehr zentraler Ort. Jeder, der das möchte – zum Gebet oder aus kunsthistorischem Interesse –, soll die Möglichkeit haben, den Dom zu betreten. Wir haben allerdings festgestellt, dass die Menschen oft aus der gleichen Haltung, mit der sie vom Einkaufen kommen, den Dom betreten: mit der Frittentüte oder dem Kaffeebecher in der Hand. Deshalb würde eine Art von Schwelle, die natürlich barrierefrei sein müsste, helfen, bewusst zu machen, dass man hier einen heiligen Ort betritt.
Sie sagten es gerade, es muss sich etwas am Verhalten der Menschen ändern. In Köln hat die Silvesternacht 2015/16 auch Fragen nach der Sicherheit speziell im Bereich Hauptbahnhof/Dom aufgeworfen. Da waren die Baumaßnahmen an der Nord- und Ostseite des Doms aber schon weit fortgeschritten. Halten sie den neuen Anforderungen stand? Oder reicht eine reine Vandalismusprävention?
Anne Luise Müller Durch den auf 80 Meter zurückgeschnittenen und fast taghell beleuchteten Tunnel können Sie heute ungefährdet auf Stadtniveau vom Bahnhof in die Altstadt gehen. Weil das eines unserer Ziele war, hat uns das Zurückschneiden der Platte auch so interessiert. Museumsdirektor Kasper König hätte damals lieber weniger weggeschnitten, um oben mehr Platz vor seinem Haus zu haben.
Peter Füssenich Meine Hoffnung ist immer noch, dass mit einer gut gestalteten Umgebung auch der Respekt vor den Orten steigt. Köln ist eine Stadt der Eventkultur geworden. Es ist die Aufgabe einer Stadt, dafür zu sorgen, dass die Verhaltensweisen, die damit verbunden sind, eingedämmt werden. Ich komme gerade aus Tokio. In dieser Stadt mit ihren acht Millionen Einwohnern liegt kein Blatt Papier auf der Straße. Dort schafft man es, mit der Gestaltung des öffentlichen Raums, aber auch durch Ordnungs- und Reinigungskräfte, dafür zu sorgen, dass es sauber bleibt. Sie schafft es auch, mit kostenlosen öffentlichen Toiletten solch ein Problem, wie wir es hier haben, zu vermeiden. Es ist sinnvoll, darüber nachzudenken, ob Köln hier nicht auch investieren sollte.
Der Dom hat aber auch viele Nachbarn, die durchaus hilfreiche Impulse in den öffentlichen Raum geben können, ich denke hier an die beiden großen Museen, die Philharmonie und die Dombauhütte. Wie kann Kultur im öffentlichen Raum helfen?
Peter Füssenich Kultur und Kunst im öffentlichen Raum helfen ohne Zweifel dabei, die Umgebung des Doms aufzuwerten. Nicht nur in gestalterischer, sondern auch in geistiger Hinsicht. Das Baptisterium an der Ostseite des Doms ist seit dem Umbau wieder im Stadtraum sichtbar und erzählt von der bedeutenden Glaubens-, Kultur- und Baugeschichte an dieser Stelle. Die Lichtinstallation von Mischa Kuball, welche das Baptisterium künstlerisch mit dem Stadtraum verbindet, macht zusätzlich auf weitere Dimensionen des Ortes aufmerksam. Gleiches gilt für die Schaudepots im neuen Domsockel. Eines von ihnen veranschaulicht mit Werkstücken, die sonst in höchsten Höhen eingebaut werden, was die Dombauhütte für den Erhalt leistet. Ein weiteres Schaudepot präsentiert archäologische Funde und Befunde, darunter auch Teile der alten Domtreppe, die sich bis zum Bau der Domplatte an dieser Stelle befunden hat. Auch das Römisch-Germanische Museum bestückt ein Schaudepot. Damit erhält das Museale auch draußen in der Stadt einen Platz.
Die Domplatte war Anfang der siebziger Jahre ein eindrucksvolles Architektur-Statement. Heute habe ich das Gefühl, dass die Architekten Allmann Sattler Wappner sich sehr zurücknehmen mussten, um konsensfähig zu sein.
Peter Füssenich Den Domsockel mit den Schaudepots zu bauen, war nicht nur eine ingenieurtechnische Aufgabe, sondern auch eine gestalterische. Letztendlich betrachte ich das Ganze als ein Infrastrukturbauwerk mit hohem gestalterischen Anspruch. Außerdem ist die von Ihnen angesprochene Zurückgenommenheit das Ergebnis des gesamten Werkstattverfahrens. Dieses war ein Aushandlungsprozess, eine gut vorgedachte Lösung so zu kommunizieren und zu optimieren, dass diese für alle Beteiligten einmütig vertretbar sein konnte. In der Domumgebung haben zu unterschiedlichen Zeiten renommierte Architekten mit unterschiedlichen Haltungen gewirkt, nicht immer mit Respekt und Rücksichtnahme. Das Museum Ludwig etwa hat zwar das Rheinufer an die Stadt gebracht und bedeutet damit einen außerordentlichen städtebaulichen Gewinn, umso unbarmherziger aber ist es an die Domplatte und den Dionysoshof mit dem Baptisterium herangerückt. Damit verschwand ein Kleinod aus der Wahrnehmung.
Ohne den finanziellen Druck und die deutliche Forderung der UNESCO hätte es das „Städtebauliche Gesamtkonzept Domumgebung“ nicht gegeben. Was hat das Projekt dadurch und durch das darauf folgende moderierte Beteiligungsverfahren gewonnen?
Anne Luise Müller Wir waren mit unserem ersten Antrag zur Förderung des Projekts im Rahmen des Investitionsprogramms der UNESCO Welterbestätten nicht erfolgreich, da wir das Projekt auf die östliche Seite mit Baptisterium und Dionysoshof fokussiert hatten; es fehlte die städtebauliche Einbindung. Hinzu kam, dass die Architekten Schaller und Busmann und Haberer, die die neue Domtreppe auf der Nordseite bzw. das Museum Ludwig geplant haben, aus unterschiedlichen Gründen eine höchst kritische Haltung zu der Konzeption entwickelt hatten. Insofern war es nur folgerichtig, die Anlieger und die Architekten zusammenzubringen und die vorliegende Konzeption mit Allmann Sattler Wappner im Dialog weiter zu qualifizieren. Dabei sind tatsächlich Verbesserungen entstanden, ohne die Grundidee aufzugeben. So ist beispielsweise die Verkehrsführung zwischen die Stützenreihen gelegt worden – damit wurde auf der Museumsseite ein komfortabel breiter Fußweg zur Philharmonie geschaffen. Auch ist die Erreichbarkeit des Museums Ludwig vom Bahnhof aus auf Anregung von Kasper König durch eine zusätzliche Treppenanlage erleichtert worden. Insofern hat sich der Umweg gelohnt, nicht zuletzt, da dieser Weg von einer sehr respektvollen und behutsamen Moderation durch Peter Zlonicky begleitet wurde.
Die weitere Domumgebung bildet das Kopfende der Via Culturalis, die als Kulturpfad Stadtgeschichte im öffentlichen Raum sichtbar machen soll. Wie qualifizierte sich diese Idee als „Nationales Projekt des Städtebaus“ für die Unterstützung mit Bundesmitteln?
Anne Luise Müller Wenn es in Köln ein Projekt von nationaler Bedeutung gibt, dann ist es diese Achse vom Dom bis zur Kirche Sankt Maria im Kapitol. Aber der Begriff der Via Culturalis ist ein Kunstbegriff, den Oswald Mathias Ungers geprägt hat. Als Referenz an ihn haben wir nicht nur diesen Begriff, sondern auch seine Idee der Kulturmeile in unsere Planungen aufgenommen. Dabei mussten wir leider feststellen, dass die Via Culturalis sehr abstrakt bleibt und viele Menschen wenig damit anfangen können. Deswegen hoffen wir, dass wir mit unserer neuen Kommunikation, die wir mit dem diesjährigen Tag der Städtebauförderung begonnen haben, vielleicht mehr Wiedererkennung schaffen können. Am Ende ist es allerdings bedeutsam, was gebaut ist und wie es genutzt werden kann.
Lassen Sie uns abschließend noch in die Zukunft blicken, denn auch bei der „Historischen Mitte“, die quasi auf der Domplatte entstehen soll, treten Stadt und Kirche als gemeinsame Bauherren auf (Bauwelt 40.2016, d. Red.).
Anne Luise Müller Ich sehe hier im Moment einen großen Handlungsbedarf, nicht nur die Synergien, sondern die Kosten zu verifizieren, damit das Projekt umgesetzt werden kann. Wir brauchen hier Sicherheit.
Peter Füssenich Natürlich muss die Finanzierung stehen, das ist völlig klar. Aber die Historische Mitte ist die einmalige Chance, an dieser zentralen Stelle in Köln, in unmittelbarer Nähe des Doms drei für die Stadt sehr wichtige Institutionen – das Römisch-Germanische Museum, das Kölner Stadtmuseum und die Dombauhütte mit dem Dombauarchiv – zu bündeln und damit 2000 Jahre Kölner Stadt- und Domgeschichte zu vermitteln. Hier muss ohnehin investiert werden. Wir sind zwar noch nicht in einer Notsituation, aber die Zeit drängt. Das Studiengebäude des Römisch-Germanischen Museums darf bald nicht mehr betrieben werden, dasselbe trifft auf das Stadtmuseum zu, wo Sanierungsarbeiten notwendig sind. Das Kurienhaus, in dem heute unser Dombauarchiv untergebracht ist, wurde zu ganz anderen Zwecken gebaut und bietet ihm keine adäquate Behausung. Deshalb sind wir sehr an der Realisierung des Projekts interessiert. Geld kostet es alles allemal, ob für die Sanierung an der einen Stelle oder für den Neubau an der anderen. Es braucht eine schlüssige Gesamtkonzeption, und daran arbeiten wir mit vereinten Kräften.
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