Bauwelt

Das Ursprungsinteresse des Investors liegt nicht in der Architektur, sie ist Mittel zum Zweck

Rainer Hascher baut mit seinem Büro Hascher Jehle seit 25 Jahren vor allem für die öffentliche Hand. Jetzt schaut er sich vermehrt in der privaten Immobilienwirtschaft um. Weshalb? Und was bedeutet das für seine Arbeit als Architekt?

Text: Brensing, Christian, Berlin

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Rainer Hascher (Jahrgang 1950) ist Architekt. Seit 1992 führt er gemeinsam mit Sebastian Jehle das Büro Hascher Jehle Architektur in Berlin. Hascher ist Professor an der TU Berlin, wo er 1993 das Fachgebiet für konstruktives Entwerfen und klimagerechtes Bauen übernahm.

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Rainer Hascher (Jahrgang 1950) ist Architekt. Seit 1992 führt er gemeinsam mit Sebastian Jehle das Büro Hascher Jehle Architektur in Berlin. Hascher ist Professor an der TU Berlin, wo er 1993 das Fachgebiet für konstruktives Entwerfen und klimagerechtes Bauen übernahm.


Das Ursprungsinteresse des Investors liegt nicht in der Architektur, sie ist Mittel zum Zweck

Rainer Hascher baut mit seinem Büro Hascher Jehle seit 25 Jahren vor allem für die öffentliche Hand. Jetzt schaut er sich vermehrt in der privaten Immobilienwirtschaft um. Weshalb? Und was bedeutet das für seine Arbeit als Architekt?

Text: Brensing, Christian, Berlin

Ihr Büro ist seit vielen Jahren bekannt für öffentliche Bauten und anspruchsvolle Bürogebäude. Es war etwas überraschend, Sie im letzten Jahr auf der MIPIM zu sehen.
Rainer Hascher In den vergangenen zehn, zwanzig Jahren hat sich ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen. Wir haben eine veränderte Bauherrenstruktur – und zwar in zweierlei Hinsicht. Den individuellen Bauherrn, der für sich selbst, für seine Firma, ein Gebäude errichtete, das ihn repräsentiert, gibt es nicht mehr. Den öffentlichen Bauherrn, der für das Gemeinwohl und für seine Nutzer ein in wirtschaftlicher und gestalterischer Hinsicht passendes Gebäude errichten will, den gibt es aber auch immer weniger.
Was genau hat sich verändert?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Vor über zehn Jahren war ich z. B. für Bosch als Preisrichter bei mehreren Wettbewerben tätig; zumindest bei den wichtigeren Wettbewerben war damals der komplette Vorstand zugegen und hat sich persönlich darum gekümmert, wie die neuen Gebäude aussehen und ob sie den Bedürfnissen und dem Image der Firma entsprechen. Große Gebäudekomplexe waren Chefsache. Der heutige Chef von Bosch hat so viel anderes um die Ohren – er ist vor allem mit Globalisierungsproblemen seines Unternehmens beschäftigt –, dass er sich darum nicht mehr kümmern kann. Er delegiert es an seine Bauabteilung.
Er hat immerhin noch eine.
Ja. Und in diesem Fall sogar eine sehr gute. Viele andere Unternehmen und Konzerne haben das aber nicht mehr. Die suchen dann jemanden, der die Immobilie für sie errichtet und sie ihnen entweder vermietet oder verkauft. Und dieser Zwischenhändler – das ist eigentlich in vielen Fällen die richtige Bezeichnung für einen Investor oder einen Projektentwickler – der hat natürlich völlig andere Interessen als der End-Bauherr.
Welche?
Der Zwischenhändler möchte, wie fast jede andere Profession auch, mit seiner Arbeit so viel Geld wie möglich verdienen – ein legitimes Interesse. Aber damit fängt das Dilemma beim Bauen an. Wir haben es beim Bauen ja nicht mit einem normalen Produkt zu tun, von dem so und so viele Stücke in Serie gemacht werden können, sondern wir haben zunächst einmal ein Grundstück, das für die Planung des Gebäudes eine essenzielle Rolle spielt.
Sie sprechen jetzt von der Lage des Grundstücks, von seiner Wertigkeit?
Ja. Wie das Grundstück in der Stadtöffentlichkeit wahrgenommen wird, städtebauliche Gesichtspunkte – das sind wichtige Aspekte für den Architekten bei der Planung, die aber den Investor, den Zwischenhändler, in viel geringerem Maße interessieren. Er identifiziert sich mit dem Gebäude nicht. Warum auch, er will das Ding ja vor allem gut verkaufen. Ihm geht es also zunächst einmal darum, viel BGF zu generieren. Wie ­gesagt, das ist völlig legitim. Aber für den Architekten entsteht daraus eine ganz andere Art
der Aufgabenstellung, als er sie bislang gewohnt war.
Da spätestens käme die Stadtplanung als Wahrer städtebaulicher Qualität ins Spiel.
Das würde funktionieren, wenn die Stadtplanungsämter mit kompetenten Leuten besetzt werden, die den Mut haben, energisch vorzu­gehen. Und wenn ihnen auch politisch der Rücken gestärkt würde. Aber das Gegenteil kann man tagtäglich erleben. Es ist zu konstatieren – und daran wird es immer wieder scheitern –, dass die Politik Vertretern des Stadtplanungsamts, insbesondere wenn sie eine eigene kritische Meinung gegenüber Projekten haben, alles andere als den Rücken stärkt. Man lässt sie immer wieder in der Luft hängen.
Ein Beispiel aus Ihrer Praxis?
Das alte Gebäude ist abgerissen, das neue soll erstellt werden. Und dann lässt der Investor das offene Baugrundstück liegen und sagt dem Vertreter des Planungsamts: „Wenn du mir nicht zwei Geschosse mehr obendrauf gibst, dann lass’ ich die Baugrube offen! Sonst kann ich mir das nicht leisten, das hat unsere Berechnung ergeben. Und Gewerbesteuer? Die musst du dir die nächsten Jahre abschminken.“ Habe ich alles erlebt.
Und der Architekt ist ein gefügiger Dienstleister? Ein Erfüllungsgehilfe?
Das wird er in der Regel nicht vermeiden können. Es ist ja qua Gesetz klar geregelt – in meinen Augen verständlicherweise –, dass der Auftraggeber anordnet, was zu planen ist. Der Architekt kann sagen, dass ihm dieses oder jenes nicht gut erscheint. Aber wenn der Auftraggeber ihm die Order gibt, etwas doch durchzusetzen, z.B. um zwei Geschosse zu erhöhen, dann hat er das zu erfüllen. Er wird ja dafür bezahlt.
Und wenn ein Investor ein teures Grundstück hat, bei dem es ganz besonders darauf ankommt, sehr viel mehr BGF rauszuholen oder das Gebäude sehr viel höher zu bauen, dann holt er sich einen sogenannten Stararchitekten.
Was ist für Sie ein „Stararchitekt“?
Jemand, der international wie national einen Ruf hat, dem man zutraut, dass er in der Auseinandersetzung mit dem Gemeinderat und mit dem Stadtplanungsamt die Interessen des Investors gut vertritt.
Das ist eine ganz neue Definition. Ich habe es mir immer über die architektonische Qualität, über Originalität erklärt.
Nein, das ist natürlich nur vordergründig so. Der Investor versucht, seine Interessen über die architektonische Qualität durchzusetzen. Dabei kann sehr wohl Architektur entstehen, aber das Ursprungsinteresse liegt nicht in der Architektur, sie ist Mittel zum Zweck.
Sie haben auch Umwälzungen beim öffentlichen Bauherren erwähnt.
Wir hatten bisher engagierte Hochbauämter, die für ihre Nutzer möglichst optimale Gebäude ­errichtet haben. Heute ist es in vielen Bundesländern politischer Wille, die Hochbauämter in GmbHs umzuwandeln. Diese GmbHs errichten Gebäude, die sie an den Nutzer, z.B. an eine Universität, vermieten. Inzwischen haben viele Nutzer begriffen, dass ihre Bauherren sie bei den Mietverträgen ausmanövrieren. Was man nicht glauben sollte, weil ja beides öffentliche Hand ist. Aber es ist so: Weil die GmbH, die das Gebäude anstelle eines regulären Hochbauamtes errichtet, am Ende eines Jahres auch berichten muss, dass sie erfolgreich gewirtschaftet hat.
Das führt inzwischen dazu, dass beispielsweise bei Laborgebäuden Forderungen von der Universität aufgestellt werden, die der Bauherr, also die GmbH, ungern erfüllen will, weil sie die Kosten in die Höhe treiben. So versucht eine Seite gegenüber der andern, ihre Vorteile zu wahren. Das geht mittlerweile so weit, dass der Nutzer Unternehmensberater engagiert, die von Beginn an gegen den Bauherrn agieren. Das bedeutet: Wir haben zwischen Nutzer und Bauherr von Anfang an eine Situation des Misstrauens.
Der individuelle Bauherr ist vom Investor, dem Zwischenhändler wie Sie sagen, abgelöst worden, und der öffentliche Bauherr von den GmbHs, die die Hochbauämter heute vertreten …
… das sind die neuen Bauherren. Und diese Leute kann man auf der MIPIM treffen.
Deshalb waren Sie dort?
Ja. Wir müssen unser Büro in der veränderten Situation auf die Zukunft vorbereiten. Bisher haben wir Wettbewerbe in erster Linie für die öffentliche Hand gemacht, aber bei der öffentlichen Hand eben leider auch erfahren müssen, dass das Interesse an einem qualitätvollen Produkt in vielen Bundesländern stark zurückgegangen ist. Die Kosten, niedrige Kosten, und die Termine stehen ausschließlich im Vordergrund.
Letztendlich leben wir von Aufträgen. Wir müssen für unser Büro den Markt der Bauträger und Zwischenhändler, der immer größer wird, erschließen. Es wäre naiv zu glauben, dass dieser Bereich in der Zukunft wieder abnimmt. Die öffentliche Hand wird sich im Gegenteil weiter zurückziehen, das sehen Sie ja an den Public-Private-Partnership-Modellen.
Auf einer Messe wie der MIPIM gibt es eine Menge Stadtmodelle und Renderings zu sehen. Ist das für Sie Architektur? Oder sind das einfach nur Projekte?
In erster Linie sieht man Projekte. Architektur kommt vereinzelt vor. Es sind immer wieder Projekte dabei, die über eine hohe architektonische Qualität verfügen, die aber in der Regel den aktuellen Zeitgeist ausdrücken, das was eben en vogue ist. Aber die Entwicklung einer Stadt über die Zeit hinweg – das spielt auf diesem Markt keine Rolle. Wichtig ist, dass ein Projekt im vordergründigen Sinn Aufsehen erregt, dass der Mieter sagt: „Das sieht chic aus, da will ich unbedingt rein.“ Wie sich ein Projekt in dreißig, vierzig Jahren darstellt, das spielt, wenn überhaupt, ­eine sekundäre Rolle.
Wie kann unter diesen Umständen, die Sie hier darstellen, noch Architektur entstehen?
In teuren Innenstadtlagen in München und in anderen Großstädten, Hamburg, Berlin oder Düsseldorf, entstehen an einzelnen Stellen qualitätvolle Bauten – wenn der Investor für sich ­einen Vorteil darin sieht, ein Paradeprojekt zu erstellen, bei dem er eine Grundlage schaffen möchte für sein Image, für weitere Projekte. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere Variante: Es gibt natürlich in erstklassigen Lagen z.B. hochwertige Bürobauten, bei denen ein Mieter bereit ist, für mehr Qualität eine Miete zu zahlen, die dem normalen Mietwert nicht entspricht, sondern deutlich darüber liegt. Das sind aber Einzelfälle. Die Regel ist etwas anderes.
Fakten
Architekten Hascher, Rainer, Berlin
aus Bauwelt 3.2017
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