Sandra Häuplik-Meusburger und Architecture for Astronauts
Debüt Nr. 15
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Sandra Häuplik-Meusburger und Architecture for Astronauts
Debüt Nr. 15
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Wie wohnt es sich im All? Eine Architektin hat mit Raumfahrern gesprochen und ein Buch über die Bewohnbarkeit von Raumstationen geschrieben.
Seit 50 Jahren reisen Menschen ins All. Dafür haben sie bisher zwölf verschiedene Fahrzeuge gebaut und bis zu 438 Tage ohne Unterbrechung in ihnen gelebt und gearbeitet. Doch wir wissen nur wenig wissen über die räumlichen, funktionalen und gestalterischen Bedingungen in den Raumschiffen. Für ihr Buch „Architecture for Astronauts“ hat die Architektin Sandra Häuplik-Meusburger mit neun Raumfahrern gesprochen und sechs Stationen – Apollo, Salut, Skylab, Spaceshuttle, MIR und ISS – in Bezug auf die Kategorien Schlafen, Hygiene, Essen, Arbeiten und Freizeit miteinander verglichen. Da geht es zum Beispiel um die Duschen auf Saljut, MIR und Skylab, die viele Astronauten gar nicht benutzt haben, weil das Reinigen zu aufwendig war und man wegen der großen, kugelförmigen Wassertropfen die am ganzen Körper haften blieben eine Schutzbrille für die Augen brauchte. Auszüge aus den Interviews, privaten Fotos und die Zeichnungen der Autorin machen die wissenschaftliche, englischsprachige Dokumentation zu einem Buch, das man auch einfach gern durchblättert. Verglichen mit anderen Bauaufgaben ist die Raumfahrt ein Orchideengebiet für Architekten. Zugleich aber, und das ist die vielleicht wichtigste Botschaft des Buches, sind die Planungsaufgaben von denen auf der Erde gar nicht weit entfernt: Ausstatten für extreme Umweltbedingungen, Organisieren auf engstem Raum, Flexibilität für unterschiedlichste Ansprüche – wer über das Planen fürs All bescheid weiß, ist für die Erde gut gerüstet.
Ist die Raumfahrt überhaupt ein Thema für Architekten?
Sandra Häuplik-Meusburger | Die Raumfahrt ist ein großer Markt, die Zahl der Bauaufgaben jedoch gering. NASA, ESA und private Raumfahrtunternehmen arbeiten mit Architekten zusammen. Interdisziplinäre Teams sind gefragt, und wir haben die Fähigkeit, vorausschauend und auch methodisch zu denken. Wenn wir ein Haus planen, denken wir an den Menschen und somit auch über Funktion, Klimaverhältnisse, Flexibilität oder die Nachnutzung nach.
Warum und für wen haben Sie dieses Buch geschrieben?
SH-M | Ich war an mehreren Forschungsprojekten für das Weltall beteiligt. Dabei ging es um eine künftige Siedlung auf dem Mond oder einen Weltraumgarten. Ich fand es immer sehr schwierig, an für mich relevante Informationen über die Raumstationen zu kommen oder aber die verfügbaren waren oft nicht miteinander vergleichbar. In meiner Arbeit wollte ich einmal alle Stationen aus Sicht des Bewohners miteinander vergleichen und dieses scheinbar komplizierte System allgemeinverständlich darstellen. Ich fände es gut, wenn Ingenieure das Buch lesen.
Kaum zu glauben, dass ein derart technologisierter und finanziell gut ausgestatteter Bereich wie die Raumfahrt schlecht dokumentiert sein soll.
SH-M | Ältere Stationen, wie z.B. Saljut und MIR sind schlecht dokumentiert, zumindest für jemanden, der nicht russisch spricht. Die ISS ist insgesamt sehr gut dokumentiert, aber mager bezogen auf Themen der Bewohnbarkeit. In den Büchern über Raumstationen geht es vorrangig um technische Funktionen. Es wird beschrieben wie sie ausschauen, aber nicht wo die Küche ist und wie diese funktioniert. Manche Informationen existieren nur als Hard Copy in Bibliotheken. Zuerst muss man also wissen, dass es etwas gibt, dann herausfinden wo und dann muss man die Infos auch beschaffen. Viele Informationen aus dem Internet sind nicht verifizierbar. Es gibt zum Beispiel ein Diagramm, das die natürliche Körperhaltung im Weltall zeigt und als Standard für den Entwurf von Raumstationen verwendet wird. Es beruht aber auf tatsächlich nicht mehr als zwölf Fotos von einer einzigen Mission.
Wie sieht diese Körperhaltung aus?
SH-M | Sie gleicht der eines Babys im Bauch der Mutter. Die durch die fehlende Schwerkraft veränderte Körperposition hat großen Einfluss auf die Planung. Wenn der Kopf leicht nach vorn geneigt ist, hat das Auswirkungen auf den Arbeitsplatz. Würde dieser eingerichtet sein wie auf der Erde, müssten die Raumfahrer den Kopf beim Arbeiten immer heben.
Über 500 Menschen sind bisher im All gewesen. Für Ihr Buch haben Sie mit neun von ihnen gesprochen. Wonach haben Sie sie ausgewählt?
SH-M | Diese neun Personen sind unterschiedliche Jahrgänge und haben in unterschiedlichen Raumstationen gearbeitet. Ich habe sie angeschrieben und um ein Interview gebeten. Ihre Aussagen waren eine große Bereicherung für das Buch. Bei Harrison Schmitt, dem bisher letzten Astronauten auf dem Mond, hatte ich Glück. Er war zufällig in Wien.
Welches sind die Themen in den Raumstationen?
SH-M | Es gibt viele. In meinem Buch geht es vorranging um Alltagsfragen: Der Mensch muss schlafen, essen, sich waschen und auf die Toilette gehen. Die Arbeit steht im Vordergrund, aber Freizeit ist zum Ausgleich wichtig. Ich habe die Gebrauchstauglichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Flexibilität der Stationen untersucht. Stauraum ist z.B. ein Thema. Über die Jahre sammeln sich einfach viele Sachen an. Wie auf der Erde. Astronauten aus unterschiedlichen Kulturen ziehen ein und wieder aus und sie wollen sich ihren Arbeitsplatz immer selbst einrichten. Da hat jeder seine eigenen Regeln. Eine Raumstation muss also für unterschiedliche Nutzer kompatibel sein. Ein Astronaut hat mir erzählt, dass eine Raumstation so geplant sein sollte, dass man sich so wenig wie möglich merken muss. Aber eigentlich sind es ganz einfache Dinge, die für Astronauten wichtig sind: funktionierende Arbeitsplätze, ein Fenster, ein Ort zum Schlafen, ein Platz für persönliche Dinge, ein Ort zum gemeinsamen Essen ... Wie auf der Erde. Es bleiben ja dieselben Menschen.
Ich dachte, das Schwierigste sei die Schwerelosigkeit, das Schlafen auf dem Kopf oder die Flüssigkeitszufuhr und -ausfuhr?
SH-M | Zum Ausgleich der fehlenden Gravitationskraft werden Hilfsmittel, sogenannte ‚Restraints‘, eingesetzt. Im Allgemeinen sagen Astronauten aber, dass der Körper fünf Tage braucht, bis er sich an die Schwerelosigkeit gewöhnt hat. Bei Langzeitmissionen ist z.B. der Muskelabbau ein Problem. Deshalb müssen die Astronauten zwei Stunden am Tag Sport machen.
Sie haben sechs Raumstationen beziehungsweise Missionen untersucht. Gibt es eine, die aufgrund ihrer Gestaltung heraus sticht?
SH-M | Die Sowjets haben bei der Raumstation MIR versucht, durch unterschiedliche Farbgebungen der Wände, den Kosmonauten ein Gefühl für oben und unten zu vermitteln. Die MIR war die erste Station, mit privaten Schlafkojen und mit je einem Fenster. Heute weiß man, dass die Astronauten 80 Prozent ihrer Freizeit aus dem Fenster schauen. An Skylab, der ersten amerikanischen Station, war der Industriedesigner Raimund Loewy maßgeblich beteiligt. Jeder der drei Astronauten hatte ein eigenes Schlafquartier und es gab ein Zimmer mit einem Tisch, an dem alle drei gleichberechtigt essen und arbeiten konnten. Die Internationale Raumstation ist das größte nicht-terrestrische Bauwerk, das jemals gebaut und bewohnt wurde. Für die sechs Astronauten gibt es eine große Aussichtskuppel.
Was hat Sie beeindruckt?
SH-M | An Bord der russischen Stationen wurden viele Experimente mit Pflanzen gemacht. Morgens, so erzählten die Kosmonauten, schauten sie als erstes, wie es der Pflanze ging. Sie sei wie ein Stück Heimat gewesen und habe nach ‚Erde‘ gerochen. Das zeigt den menschlichen Aspekt in diesen hochtechnologischen Maschinen. Das hat mir gefallen.
Was können wir Architekten von der Raumfahrtarchitektur lernen?
SH-M | Wir können heute viel vom Leben im All lernen. Zum Beispiel den langfristigen Umgang mit Ressourcen. Unter extremen Bedingungen leben und arbeiten Menschen auf kleinstem Raum über längere Zeit zusammen. Man kann dort oben nicht einkaufen gehen oder nachrüsten. So wie es geplant ist, muss es für Jahre benutzt werden.
Ist die Raumfahrt überhaupt ein Thema für Architekten?
Sandra Häuplik-Meusburger | Die Raumfahrt ist ein großer Markt, die Zahl der Bauaufgaben jedoch gering. NASA, ESA und private Raumfahrtunternehmen arbeiten mit Architekten zusammen. Interdisziplinäre Teams sind gefragt, und wir haben die Fähigkeit, vorausschauend und auch methodisch zu denken. Wenn wir ein Haus planen, denken wir an den Menschen und somit auch über Funktion, Klimaverhältnisse, Flexibilität oder die Nachnutzung nach.
Warum und für wen haben Sie dieses Buch geschrieben?
SH-M | Ich war an mehreren Forschungsprojekten für das Weltall beteiligt. Dabei ging es um eine künftige Siedlung auf dem Mond oder einen Weltraumgarten. Ich fand es immer sehr schwierig, an für mich relevante Informationen über die Raumstationen zu kommen oder aber die verfügbaren waren oft nicht miteinander vergleichbar. In meiner Arbeit wollte ich einmal alle Stationen aus Sicht des Bewohners miteinander vergleichen und dieses scheinbar komplizierte System allgemeinverständlich darstellen. Ich fände es gut, wenn Ingenieure das Buch lesen.
Kaum zu glauben, dass ein derart technologisierter und finanziell gut ausgestatteter Bereich wie die Raumfahrt schlecht dokumentiert sein soll.
SH-M | Ältere Stationen, wie z.B. Saljut und MIR sind schlecht dokumentiert, zumindest für jemanden, der nicht russisch spricht. Die ISS ist insgesamt sehr gut dokumentiert, aber mager bezogen auf Themen der Bewohnbarkeit. In den Büchern über Raumstationen geht es vorrangig um technische Funktionen. Es wird beschrieben wie sie ausschauen, aber nicht wo die Küche ist und wie diese funktioniert. Manche Informationen existieren nur als Hard Copy in Bibliotheken. Zuerst muss man also wissen, dass es etwas gibt, dann herausfinden wo und dann muss man die Infos auch beschaffen. Viele Informationen aus dem Internet sind nicht verifizierbar. Es gibt zum Beispiel ein Diagramm, das die natürliche Körperhaltung im Weltall zeigt und als Standard für den Entwurf von Raumstationen verwendet wird. Es beruht aber auf tatsächlich nicht mehr als zwölf Fotos von einer einzigen Mission.
Wie sieht diese Körperhaltung aus?
SH-M | Sie gleicht der eines Babys im Bauch der Mutter. Die durch die fehlende Schwerkraft veränderte Körperposition hat großen Einfluss auf die Planung. Wenn der Kopf leicht nach vorn geneigt ist, hat das Auswirkungen auf den Arbeitsplatz. Würde dieser eingerichtet sein wie auf der Erde, müssten die Raumfahrer den Kopf beim Arbeiten immer heben.
Über 500 Menschen sind bisher im All gewesen. Für Ihr Buch haben Sie mit neun von ihnen gesprochen. Wonach haben Sie sie ausgewählt?
SH-M | Diese neun Personen sind unterschiedliche Jahrgänge und haben in unterschiedlichen Raumstationen gearbeitet. Ich habe sie angeschrieben und um ein Interview gebeten. Ihre Aussagen waren eine große Bereicherung für das Buch. Bei Harrison Schmitt, dem bisher letzten Astronauten auf dem Mond, hatte ich Glück. Er war zufällig in Wien.
Welches sind die Themen in den Raumstationen?
SH-M | Es gibt viele. In meinem Buch geht es vorranging um Alltagsfragen: Der Mensch muss schlafen, essen, sich waschen und auf die Toilette gehen. Die Arbeit steht im Vordergrund, aber Freizeit ist zum Ausgleich wichtig. Ich habe die Gebrauchstauglichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Flexibilität der Stationen untersucht. Stauraum ist z.B. ein Thema. Über die Jahre sammeln sich einfach viele Sachen an. Wie auf der Erde. Astronauten aus unterschiedlichen Kulturen ziehen ein und wieder aus und sie wollen sich ihren Arbeitsplatz immer selbst einrichten. Da hat jeder seine eigenen Regeln. Eine Raumstation muss also für unterschiedliche Nutzer kompatibel sein. Ein Astronaut hat mir erzählt, dass eine Raumstation so geplant sein sollte, dass man sich so wenig wie möglich merken muss. Aber eigentlich sind es ganz einfache Dinge, die für Astronauten wichtig sind: funktionierende Arbeitsplätze, ein Fenster, ein Ort zum Schlafen, ein Platz für persönliche Dinge, ein Ort zum gemeinsamen Essen ... Wie auf der Erde. Es bleiben ja dieselben Menschen.
Ich dachte, das Schwierigste sei die Schwerelosigkeit, das Schlafen auf dem Kopf oder die Flüssigkeitszufuhr und -ausfuhr?
SH-M | Zum Ausgleich der fehlenden Gravitationskraft werden Hilfsmittel, sogenannte ‚Restraints‘, eingesetzt. Im Allgemeinen sagen Astronauten aber, dass der Körper fünf Tage braucht, bis er sich an die Schwerelosigkeit gewöhnt hat. Bei Langzeitmissionen ist z.B. der Muskelabbau ein Problem. Deshalb müssen die Astronauten zwei Stunden am Tag Sport machen.
Sie haben sechs Raumstationen beziehungsweise Missionen untersucht. Gibt es eine, die aufgrund ihrer Gestaltung heraus sticht?
SH-M | Die Sowjets haben bei der Raumstation MIR versucht, durch unterschiedliche Farbgebungen der Wände, den Kosmonauten ein Gefühl für oben und unten zu vermitteln. Die MIR war die erste Station, mit privaten Schlafkojen und mit je einem Fenster. Heute weiß man, dass die Astronauten 80 Prozent ihrer Freizeit aus dem Fenster schauen. An Skylab, der ersten amerikanischen Station, war der Industriedesigner Raimund Loewy maßgeblich beteiligt. Jeder der drei Astronauten hatte ein eigenes Schlafquartier und es gab ein Zimmer mit einem Tisch, an dem alle drei gleichberechtigt essen und arbeiten konnten. Die Internationale Raumstation ist das größte nicht-terrestrische Bauwerk, das jemals gebaut und bewohnt wurde. Für die sechs Astronauten gibt es eine große Aussichtskuppel.
Was hat Sie beeindruckt?
SH-M | An Bord der russischen Stationen wurden viele Experimente mit Pflanzen gemacht. Morgens, so erzählten die Kosmonauten, schauten sie als erstes, wie es der Pflanze ging. Sie sei wie ein Stück Heimat gewesen und habe nach ‚Erde‘ gerochen. Das zeigt den menschlichen Aspekt in diesen hochtechnologischen Maschinen. Das hat mir gefallen.
Was können wir Architekten von der Raumfahrtarchitektur lernen?
SH-M | Wir können heute viel vom Leben im All lernen. Zum Beispiel den langfristigen Umgang mit Ressourcen. Unter extremen Bedingungen leben und arbeiten Menschen auf kleinstem Raum über längere Zeit zusammen. Man kann dort oben nicht einkaufen gehen oder nachrüsten. So wie es geplant ist, muss es für Jahre benutzt werden.
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