Da gibt es kein Chichi, das ist einfach kreuzehrliche, gute Architektur
Nach fünf Jahren Sanierung konnte der Umlauftank 2 in Berlin wieder in Betrieb genommen werden. HG Merz und Projektleiter Stefan Motz sprechen über die Wertschätzung von Gebäuden, deren Geschichte und über den denkmalpflegerischen Umgang mit der Moderne.
Text: Thein, Florian, Berlin; Flagner, Beatrix, Berlin
Da gibt es kein Chichi, das ist einfach kreuzehrliche, gute Architektur
Nach fünf Jahren Sanierung konnte der Umlauftank 2 in Berlin wieder in Betrieb genommen werden. HG Merz und Projektleiter Stefan Motz sprechen über die Wertschätzung von Gebäuden, deren Geschichte und über den denkmalpflegerischen Umgang mit der Moderne.
Text: Thein, Florian, Berlin; Flagner, Beatrix, Berlin
Ausstellungskonzeption und -gestaltung sowie denkmalgerechte Sanierung: HG Merz Architekten sind vornehmlich damit bekannt geworden. Beide Fälle setzen eine intensive Auseinandersetzung mit dem Werk eines Anderen voraus. Wie muss man sich diese Arbeit im Detail vorstellen?
HG Merz In beiden Fällen steht das Exponat im Mittelpunkt. Also Dinge die man ausstellt oder Dinge, die man herrichtet. Man muss sich mit dem Werk eines Anderen auseinandersetzen und es akzeptieren, egal ob es ein Ding aus dem 19. Jahrhundert ist oder aus den 1950er oder 1960er Jahren. Natürlich arbeiten wir auch an Gebäuden, die keine besonderen architektonischen Qualitäten aufweisen, die aber ein wichtiges Stück Zeitgeschichte darstellen und deshalb schützenswert sind, auch wenn sie nicht immer der eigenen Architekturauffassung entsprechen. Es geht um das Gebäude selbst und natürlich auch um die Darstellung von Geschichte.
Stefan Motz Die Gedenkstätte Hohenschönhausen zum Beispiel ist keine großartige Architektur.Es ging darum, das Haus und die Geschichte ernst- und sich selbst zurückzunehmen.
HG Merz Manchmal kommt der Respekt, das Gefallen auch erst, wenn man das Gebäude richtig kennengelernt hat und sich bestimmte Werte in den Vordergrund gestellt haben. In der Auseinandersetzung gewinnt man ein Gebäude sukzessiv lieb und fängt an, es mehr zu schätzen.
Stefan Motz Es gibt nicht den einen richtigen Weg, es ist tatsächlich bei jedem Gebäude anders. Man muss ein Gefühl für das Haus bekommen. Empathie, wenn man so will. Das ist wie in einer Partnerschaft. Man entwickelt sich nicht allein, sondern gemeinsam.
Für viele Architekten ist die Selbstverwirklichung ein wichtiger Teil ihres Schaffens. Sie scheinen eher in einer Nische zu arbeiten. Steckt das Eigene im Detail?
HG Merz Ich muss bestimmten Dingen nichts hinzufügen und sie damit verunklären. Eine demütige Haltung zu haben bedeutet für mich nicht, feige zu sein, sondern zeigt, dass man den Wert dessen akzeptiert, was da ist. Dieser Wert kann auch ideell sein. Es interessiert mich überhaupt nicht, ob ich das dritte oder das vierte
Altenheim baue und ich möchte auch keine Einfamilienhäuser planen. Mich hat schon immer die Auseinandersetzung mit Geschichte und das Lernen daran interessiert. Auch wenn man sich zurücknehmen muss, hat man immer noch genügend Einfluss etwas zu tun, etwas zu hinterlassen. Man legt einen Layer darüber und den darf man auch sehen. Bauen im Bestand erfordert ein hohes Maß an Kreativität.
Altenheim baue und ich möchte auch keine Einfamilienhäuser planen. Mich hat schon immer die Auseinandersetzung mit Geschichte und das Lernen daran interessiert. Auch wenn man sich zurücknehmen muss, hat man immer noch genügend Einfluss etwas zu tun, etwas zu hinterlassen. Man legt einen Layer darüber und den darf man auch sehen. Bauen im Bestand erfordert ein hohes Maß an Kreativität.
Stefan Motz Am Ende muss das Werk gut sein. Das ist immer der Grundgedanke. Das ist beim Neubau dasselbe wie bei der Sanierung. Manchmal geht es dabei tatsächlich mehr um das Detail, wenn wir zum Beispiel eine neue Technik in ein altes Gebäude integrieren müssen. Das hat oft etwas Demütiges, aber man freut sich auch eine Lösung gefunden zu haben, die man eben nicht sofort sieht.
Im Bereich der denkmalgerechten Sanierung behandelten Sie bisher größtenteils Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Der Umlauftank 2 ist aus der Nachkriegsmoderne. Gibt es einen Unterschied bei der Herangehensweise?
HG Merz Ja natürlich. Jetzt kommen die 1960er und 1970er Jahre so langsam in das Alter, in dem sie geschützt werden und wir müssen aufpassen, dass nicht zu viele von ihnen abgerissen werden. All diese Gebäude können technisch sehr schwierig sein. Sie haben meist keinen Wärmeschutz und auch der Brandschutz ist heute ein anderer. Die Konstruktion ist so reduziert, dass es nicht einfach ist, daran zu arbeiten, ohne das Gebäude komplett zu verändern. Gleichzeitig muss das Original so weit wie möglich erhalten bleiben. Es stellt sich die Frage: Geht man damit genauso um, wie mit einem Haus aus dem 19. Jahrhundert und fängt an zu vieren? Im Falle des Umlauftanks haben wir das bei den Fassadenblechen versucht und beim Schaum der Röhre umgesetzt. Es kann darüber diskutiert werden, ob das der richtige Weg ist. Man muss auf jeden Fall versuchen einen Umgang mit Denkmalen moderner Architektur zu finden.
Wie unterscheidet sich denn der Entwurfsprozess bei so einem funktionalistischen Bau wie dem Umlauftank, einer Maschine, von anderen Gebäuden?
Stefan Motz Hier muss man die Begrifflichkeit differenzieren. Bis auf eine Teeküche haben wir ja nichts entworfen. Es ist tatsächlich eher eine Reparatur welche sensibler Hände bedarf. Die Frage nach dem Umgang mit dem Gebäude war in der Diskussion mit dem Bauherrn, der Wüstenrot Stiftung, immer in einen intellektuellen Kontext gebettet. Diese Zusammenarbeit war sehr intensiv und es dauerte auch seine Zeit, bis
man eine gemeinsame Haltung entwickelt hat. Dann ging es unsererseits darum, Lösungen anzubieten.
man eine gemeinsame Haltung entwickelt hat. Dann ging es unsererseits darum, Lösungen anzubieten.
HG Merz Der Umlauftank ist insofern schon etwas Besonderes, da er nach wie vor dieselbe Nutzung hat. Das ist bei der Staatsoper und bei der Staatsbibliothek, die wir bearbeitet haben, zwar auch der Fall, aber beim Umlauftank gab es keine Defizite bei den Funktionen, die wir beheben mussten.
Was verbinden Sie persönlich mit dem Umlauftank 2 und Ludwig Leo?
HG Merz Als ich das erste Mal nach Westberlin kam, ist mir der Umlauftank gleich aufgefallen. Wo und wie er steht, schräg zu dieser dominanten Achse der Straße des 17.Juni, dem durch die Nazis versetzten Tor und dem großen Stern mit der Goldelse. Dort steht einfach so ein rotziges Teil, eine Maschine in Pink und Blau – ein großartiger Auftritt! Erstaunlicherweise hat es sich auch über die ganze Zeit gut gehalten, weil es eigenständig ist und nicht modisch. Leo ist für mich einer der größten Berliner Architekten der Nachkriegszeit. Er hat wenig gebaut, aber alles was er gebaut hat, war gut und strahlt eine Haltung aus. Er ist niemand, der sich in den Vordergrund gespielt hat, sondern einfach das gemacht hat, was er machen wollte und es so gemacht hat, wie er es wollte – das spürt man. Der Umlauftank ist ja primär ein Ingenieurbauwerk und kein Architekturbauwerk, dieses dann aber so hinzubekommen, ist schon eine große Leistung. Da gibt es kein Chichi, das ist einfach kreuzehrliche, gute Architektur.
Stefan Motz Unglaublich konsequent von Anfang bis Ende.
HG Merz Auch die DLRG Station von Leo ist großartig, sie hat nur den Nachteil, dass sie zwar wiederhergerichtet wurde, die Nutzung aber weggefallen ist. Das ist das Besondere am Umlauftank. Die TU Berlin nutzt ihn nach wie vor als die pragmatische Maschine, die er ist. Die Messinstrumente sind sowieso mobil, die werden einfach in den Strom gehalten.
Die konsequente Weiternutzung entspricht vielleicht auch dem Geiste Leos.
HG Merz Der Umlauftank gehört definitiv nicht zu den Gebäuden moderner Architektur, von denen Venturi gesagt hat, dass sie alle schlecht sind, weil man nicht einmal einen Zigarettenautomaten daran schrauben könne. An ein Glasgebäude vom Potsdamer Platz können Sie das nicht, das wäre eine Katastrophe. Aber ein Leo würde das vertragen.
Die 40 Jahre lange Nutzung des Umlauftanks 2 hat Schäden hinterlassen. Was waren die größten Probleme?
HG Merz Die Fassade.
Stefan Motz Es war ein sehr heterogenes Bild. Der Innenraum war wie eine Zeitkapsel, in einem recht guten Zustand, wenn auch sehr zugestellt. Man sah, hier wurde 40 Jahre gearbeitet. Ein ganzer Maschinenpark wurde hineingetragen aber nichts wieder hinaus. Außen dagegen war nicht nur die Farbe verblasst, sondern auch
einzelne Bleche verrostet.
einzelne Bleche verrostet.
Der erste Ansatz war, schadhafte, rostige Teile auszuschneiden um anschließend ein Reparaturblech über das gesamte Paneel zu kleben. Die Planung hierzu hatte man schon sehr weit getrieben, inklusive 1:1 Mustern und Klebeversuchen. Die Reparaturbleche wurden auf -40°C heruntergekühlt und anschließend auf 60°C erhitzt, um die Haltbarkeit der Verklebung für die zu erwartenden thermischen Belastungen zu testen. Man war eigentlich soweit, dass man sagen konnte: „ja, das funktioniert.“
Wäre das die klassische denkmalpflegerische Herangehensweise gewesen, bei der Alt und Neu deutlich voneinander zu unterscheiden gewesen wäre?
HG Merz Das war eine sehr intensive Diskussion. Das Problem war hierbei die stark verblichene Farbe. Hätte man die Blechfassade mit den Reparaturblechen geflickt, wäre es, wie man bei der Schadenskartierung sehen kann, ganz scheckig dahergekommen – ein helles Paneel, daneben ein dunkles. Gibt man dann den neuen Paneelen auch den verblichenen Farbton der alten? Trimmt man das wie das Filmstudio Babelsberg auf alt? Damit hatte ich immer ein Problem. Wenn etwas Neues eingebaut wird, dann ist es auch neu. Dann hat es die Originalfarbe und nicht eine nachgemacht gräulich-blaue.
Stefan Motz Die erste Diskussion war: Wie geht man mit dem Schaden um? Die zweite: Wie zeigt man das? Streicht man alles wieder komplett blau? Die Veränderung wäre dann anhand der Topografie der Fassade deutlich geworden, da die aufgeklebten Bleche etwas nach vorne aufgebaut hätten.
Am Ende war es dann wahrscheinlich eine Frage des Verhältnisses?
HG Merz Es waren tatsächlich relativ viele Bleche defekt. Die eine Seite war von oben bis unten ganz kaputt.
Stefan Motz Zunächst gab es ja nur eine Sichtuntersuchung. Erst nachdem das Gerüst stand, hat man festgestellt, dass sich die äußeren Bleche der Sandwichpaneele vom PU-Kern gelöst hatten. Im Fertigungsprozess werden Außen- und Innenblech eigentlich unlösbar mit dem PU-Kern verklebt. Der Hersteller hatte bis dahin noch keinen Fall gesehen, wo sich das gelöst hat. Es sah zudem so aus, dass die Bleche von innen nach außen rosten. Daher wurde beschlossen, ein sogenanntes Wirbelstromverfahren zu beauftragen, das eigentlich in der Flugzeugindustrie eingesetzt wird um Schweißnähte zu überprüfen. Hierbei werden Veränderungen am Blech detektiert. Daraufhin wurde mit einem Zwei mal Zwei Zentimeter großen Gerät die gesamte Fassade abgefahren und überall, wo die Anzeige ausschlug, mit Edding die Stelle markiert. Am Ende waren wahnsinnig viele Marker auf der Fassade, ohne dass wir wussten, was diese genau bedeuten. Daraufhin folgten Probebohrungen, die ergaben, dass die Ausschläge nicht eindeutig waren. Es gab Abweichungen in beide Richtungen. Auf der einen Seite waren Veränderungen detektiert, diese Stellen aber optisch vollkommen in Ordnung. Auf der anderen Seite waren Stellen ohne Markierung innen vollständig verrostet. Die Aussage war also überhaupt nicht belastbar. Daraufhin hat man ungefähr 30 keksgroße Proben aus der ganzen Fassade herausgeschnitten und zur Bundesanstalt für Materialprüfung geschickt. Diese kamen dann zu dem Ergebnis, dass alle Bleche über kurz oder lang in den nächsten Jahren durchrosten werden. Die Fassade korrodierte also von innen.
Ein Austausch der Fassade war demnach unumgänglich?
HG Merz Es ging nicht anders. Der Zustand der Fassade hat uns dazu gezwungen sie zu erneuern. Zudem schwang noch etwas Anderes immer mit. Der ursprüngliche Hersteller Hoesch stellt noch heute eine fast identische Fassade her. Wieso muss ich dann das Alte behalten? Es gab diese Grundsatzdiskussion: Was ist original? Und wie weit ist es schützenswert? Im Grunde kann man das Original immer noch kaufen. Selbst die originale Farbe gibt es nach wie vor – es ist eine Standardfarbe bei Hoesch.
Stefan Motz Es handelt sich um die erste Generation dieser Thermowandelemente, für die damals eine Halbwertszeit von etwa 15 bis 20 Jahren angenommen wurde. Man ist wohl da-von ausgegangen, dass die Elemente dann wieder ausgetauscht werden. Wir hatten deshalb relativ früh die Haltung angenommen: Es ist ein Industrieprodukt, kein handwerklich gefertigtes Element. Man kann es kaufen, damals schon und heute noch. Die Essenz des Gebäudes war, zumindest für uns, an dieser Stelle die Farbe.
Eine neue Fassade heißt vermutlich auch, dass die Alterungsbeständigkeit verbessert wurde?
Stefan Motz Die Schäume haben sich in der Zusammensetzung geändert und die Beschichtung der Oberfläche ist eine andere, die farbechter und stabiler ist. Trotzdem bleibt die grundsätzliche Problematik, dass es kein Material für die Ewigkeit ist.
HG Merz Wir gehen davon aus, dass die Fassade die nächsten 40 Jahre halten wird.
Wie konnte bei dem fortgeschrittenen Verwitterungszustand der Fassade der ursprüngliche Farbton verlässlich ermittelt werden?
Stefan Motz Man hat es einerseits an den unbewitterten Flächen gesehen, beispielsweise an der Innenseite vom Treppenhaus, wo über die Jahre nur wenig Licht hingekommen ist, und vor allem unter den Verschraubungen. Hier war noch richtig schön das knallig leuchtende Blau zu sehen. Über die klassische Farbbefunderhebung konnte man einen NCS-Ton herausfinden. Wir fragten uns aber, ob Leo und Hoesch damals tatsächlich einen NCS-Ton verwendet haben. Farbbefunderhebung bedeutet ja am Ende nichts anderes, als dass jemand mit einem Farbfächerdavorsteht und entscheidet, dass es jene Farbe ist. Es gibt dabei immer eine gewisse Varianz. Wenn ich natürlich sehe, dass die Farbe sehr, sehr nahe an einem RAL-Ton ist, den der Hersteller heute noch als Standardfarbe anbietet und der zudem auch noch Ultramarinblau heißt, dann kann ich das interpretieren und habe auch keine Scheu zu sagen: „Ich glaube, dass Leo das so genommen hat.“
Bei der rosa Röhre gab es keine Verschraubungen, wie wurde hier die Farbe bestimmt?
HG Merz Auch da gab es Stellen, die immer überdeckt waren und den Originalfarbton hatten.
Stefan Motz Es gab auch mikroskopische Untersuchungen, mit denen man einzelne Farbpartikel nachweisen konnte. Die wichtigere Frage hier war aber: Funktioniert die Röhre noch mit dem vorhandenen, alten Schaum? Aus diesem Grund wurden an vielen Stellen Schichtdickenmessungen an der darunterliegenden Stahlröhre gemacht, um zu prüfen, ob eine Abrostung stattfindet – was tatsächlich nicht der Fall war. Auch die Dämmfunktion war ausreichend, auch wenn der Schaum teilweise mit Wasser vollgesogen war. Es gab also funktional erst einmal keinen Grund etwas zu tun. Dass die Substanz der Röhre nicht besser wird, wenn Birken darin wachsen, war natürlich klar, aber der Grund, Maßnahmen zu ergreifen, war in erster Linie ein optischer und konservatorischer.
Die Lösung von damals hat sich also prinzipiell bewährt?
Stefan Motz Das Konzept, was damals gewählt wurde, würde man heute wahrscheinlich so nicht mehr machen. Die Idee war, dass man der Röhre gar keinen Korrosionsschutz gibt, sondern den Schaum direkt auf die rostige Röhre sprüht. Das heißt, der Schaum übernimmt neben der Dämmung auch den Korrosionsschutz. Deswegen haben wir aber jetzt das Problem, dass rostiges Wasser herausläuft. Dies ist nicht schlimm, macht aber Flecken. Wenn man sich dazu entschlossen hätte, den Schaum komplett zu erneuern, hätte man konsequenterweise auch die komplette Röhre abstrahlen und Korrosionsschutz aufbringen müssen und erst dann den neuen Schaum. Da dies aber funktional nicht zwingend notwendig war, hat man sich für eine sanftere Methode entschlossen.
HG Merz Ich habe damit nach wie vor Probleme. Man nimmt aus der Hülle, die im Ganzen geschäumt wurde, etwas heraus und flickt diesen Schaumstoff. Das ergibt natürlich eine andere Oberfläche. Das heißt, was geviert wird, muss dem Alten wieder angepasst werden und dann wird nachher darübergestrichen. Es ist nicht aus einem Guss. Es ist etwas Anderes als bei einem Stein, weil es tatsächlich durch das Aufbringen passiert. Wenn man genau hinguckt, sieht man, wo geviert wurde. Das darf man auch sehen. Aber pragmatisch wäre gewesen, es einfach ganz neu zu machen. Das Argument, dass es Handwerk ist, halte ich für windig – den Schaum kriege ich heute noch genauso drauf.
Stefan Motz Ein Punkt ist natürlich auch der Aufwand der dabei betrieben wurde. Wir haben gesagt, wir schleifen an rissigen Stellen bis auf den Rissgrund, um es dann wieder neu aufzubauen und zu beschichten. Der Umlauftank war vollständig eingehaust und die Handwerker haben bei 50°C und jeder Menge Staub das Material heruntergeschliffen um auf den Rissgrund zu kommen. Das hat einfach wahnsinnig lange gedauert. Am Ende hätte es dem Gebäude nicht wehgetan den Schaum komplett zu erneuern. PU ist auch kein Material, das für die Ewigkeit bestimmt ist.
HG Merz Es blieb immer dieselbe Diskussion: Was ist Original und welche Art von Original muss ich schützen? Ich kann ein WC, das über 40 Jahre Urinstein angesetzt hat, natürlich mit dem Skalpell saubermachen, ich kann aber auch genau das gleiche beim Baumarkt kaufen und einstellen. Man hätte das sicher pragmatischer lösen können. Auf der anderen Seite können solche Entscheidungen und Kontroversen auch als Beitrag zur Debatte um den Schutz moderner Denkmale gesehen werden.
Kann der Umlauftank hier in gewisser Weise als Prototyp für den denkmalpflegerischen Umgang mit der Moderne gelten?
Stefan Motz Der Ansatz der Wüstenrot Stiftung war, das Projekt als Pilot- und Forschungsprojekt zu betrachten. Wie kann man mit modernen Materialien umgehen, wie kann man sie sanieren? Manchmal ist das Ergebnis nach zwei Jahren Forschungsarbeit eben, dass so eine Fassade nicht sanierbar ist. Das Schöne am jetzt sanierten Umlauftank ist ja, dass man sich vor das Gebäude hinstellen und beide Varianten bewerten kann, einerseits der vollständige Fassadenaustausch und andererseits die partielle Reparatur. Der eher akademische, denkmalpflegerisch „richtige“ Ansatz steht im Umlauftank unmittelbar einem pragmatischeren Ansatz gegenüber. Es gibt hier kein richtig und kein falsch. Rückwirkend betrachtet war unsere Rolle das Abwägen und Ausloten der Positionen.
Galt das auch für den Innenraum?
Stefan Motz Innen haben wir tatsächlich wenig gemacht, wir haben hauptsächlich gereinigt. Über die Jahre entstandene Einbauten, Einzelbüros und kleinere Kabuffs. Das haben wir herausgerissen. Wir haben die Gipskartonwände neu gestrichen, aber alle anderen Oberflächen nur gereinigt. Die gespannten Stoffe an den Brüstungen hatten Risse, die geflickt wurden. Der Originalboden wurde nur tiefengereinigt und neu eingepflegt. Innen ist es jetzt wieder sauber, aber trotzdem weitestgehend im originalen Zustand.
Wer führt denn diese Arbeiten aus? Ist das ein Maler und Lackierer oder ein Restaurator?
Stefan Motz Die Bodenreinigung, aber auch die ganzen Innenflächen, hat ein gelernter Kirchenmaler durchgeführt, also ein Restaurator. Er hatte ein Händchen für ein Bauwerk dieser Art und hat in mühseliger Kleinarbeit sämtliche Flächen gereinigt. Auch die Stoffe wurden von einer Stoffrestaurateurin bearbeitet. Man überlegt im Vorfeld schon, was gebe ich wem und was gebe ich einem klassischen Handwerker? Für Sanitär- oder Malerarbeiten ist es richtig, aber alles, was nach unserem Gefühl ein wenig spezieller war, wurde von Restauratoren bearbeitet. Manchmal macht man leider die Erfahrung, dass ein Handwerker, der es natürlich nur richtig machen will, eine alte Tapete herunterreißt, da er diese als nicht erhaltenswert erachtet. Man muss die beteiligten Leute sensibilisieren. Zum Teil ist es dann eben besser einen Restaurator zu haben, der weiß, auf was es ankommt.
Das hört sich nach extremer Detailarbeit an, wie kommuniziert man da die einzelnen Arbeitsschritte?
Stefan Motz Zunächst wurde ein Bestandsaufmaß gemacht. Als Planer sitzt man auch erst mal vor den Bestandsplänen und überlegt, was soll ich jetzt einzeichnen? Wir haben entschieden, dass wir eher einen einfachen Maßnahmenplan daraus machen – wie ein Handbuch – und gerade das hat sich bewährt. Wir haben Symbole entwickelt, wie mit einzelnen Bauteilen umgegangen werden muss. Insgesamt war es eher eine Maßnahmenbeschreibung, als ein Plan. Und natürlich wird sehr viel vor Ort entschieden.
Das klingt nach sehr viel Aufwand. Haben die ursprünglich von der Wüstenrot Stiftung veranschlagten Kosten von 3,5 Millionen Euro ausgereicht?
HG Merz Es hat gereicht. Die teuerste Maßnahme war wirklich das Gerüst.
Warum war das so eine besondere Maßnahme?
Stefan Motz Das Problem ist, dass das Gebäude auf einem kleinen Grundstück steht und der obere Teil auskragt. Das bedeutet, dass das ganze Gerüst selbststehend und freitragend herumgewickelt werden musste. Dazu kommt, dass man es nicht im Haus verankern konnte. Normalerweise wird ein Gerüst im Mauerwerk oder Beton verankert. Hier musste das Gerüst durch die Fenster an der primären Stahlkonstruktion abgespreizt werden. Zudem musste die Stahlkonstruktion komplett abgestrahlt werden, um einen neuen Korrosionsschutz aufzubringen. Das dabei anfallende Wasser durfte nicht in den angrenzenden Landwehrkanal fließen. Daher musste darunter zusätzlich eine dichte Wanne gebaut werden. Das war schon relativ aufwendig.
Wie wichtig ist das Projekt Umlauftank 2 für das eigene Werk?
Stefan Motz Das Interesse und die Resonanz der Kollegen ist schon sehr groß. Jeder kennt es und wir bekommen viele Anrufe wegen Besichtigungen.
HG Merz Was die eigene Arbeit angeht ist es nach Außen hin eines unserer Leisesten. Leo hat, glaub ich, in seinem Leben sechs Gebäude gebaut und drei davon stehen unter Denkmalschutz – das noch zu Lebzeiten! Das sagt eigentlich alles über die Qualität seiner Gebäude aus. Ich finde es toll, dass wir an sowas arbeiten durften. Auch wenn man im Fahrwasser eines anderen mitfährt.
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