Bauwelt

Wettbewerbe, Wettbewerbe, Wettbewerbe

MGF Architekten aus Stuttgart über das Akquise- Instrument Wettbewerb, Erfolgserlebnisse und den Umgang mit unausweichlichen Misserfolgen

Text: Friedrich, Jan, Berlin

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    Hartmut Fuchs, Armin Günster, Jan Kliebe, Josef Hämmerl (von links) im Büro von MGF Architekten im Stuttgarter Westen
    Foto: Andreas Labes

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    Hartmut Fuchs, Armin Günster, Jan Kliebe, Josef Hämmerl (von links) im Büro von MGF Architekten im Stuttgarter Westen

    Foto: Andreas Labes

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    Plan aus dem Beitrag zum Wettbewerb Neubau einer Mensa in Greifswald (2008, 1. Preis). Unten: Strukturmodell des Mensaentwurfs
    Abb.: MGF Architekten

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    Plan aus dem Beitrag zum Wettbewerb Neubau einer Mensa in Greifswald (2008, 1. Preis). Unten: Strukturmodell des Mensaentwurfs

    Abb.: MGF Architekten

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    Die 2013 fertiggestellte Mensa in Greifswald mit einem Speisesaal für 600 Gäste ist einer der glücklichen Fälle,
    in denen der erste Preis im Wettbewerb auch zu einer Beauftragung führte
    Fotos: Christian Richters

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    Die 2013 fertiggestellte Mensa in Greifswald mit einem Speisesaal für 600 Gäste ist einer der glücklichen Fälle,
    in denen der erste Preis im Wettbewerb auch zu einer Beauftragung führte

    Fotos: Christian Richters

Wettbewerbe, Wettbewerbe, Wettbewerbe

MGF Architekten aus Stuttgart über das Akquise- Instrument Wettbewerb, Erfolgserlebnisse und den Umgang mit unausweichlichen Misserfolgen

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Die vier Gesellschafter mit ihren rund 15 Mitarbeitern sind ein Musterbeispiel für ein süddeutsches Wettbewerbsbüro: MGF Architekten (bis 2005 Mahler Günster Fuchs) kommen seit Jahrzehnten ausschließlich an ihre Aufträge, indem sie an öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerbe teilnehmen – und sie im besten Fall gewinnen.
Was empfinden Sie als Erfolg: Wenn der Wettbewerb gewonnen ist? Wenn Sie den Auftrag haben? Wenn Sie ein Detail gut gelöst haben?
Hartmut Fuchs
Das sind alles Teilerfolge, aber der gesamte Erfolg ist erst erreicht, wenn das Haus so geworden ist, wie man es sich vorgestellt hat. Wenn es die Anerkennung aller bekommt, auch die des Auftraggebers.
Josef Hämmerl
Wenn trotz aller Umwege, die man gegangen ist, trotz aller Zweifel aus einer Wettbewerbsidee etwas Gutes geworden ist.
Hartmut Fuchs
Langfristig gesehen, würde ich es als Erfolg betrachten, wenn die Gesellschaft sieht, dass man uns Architekten braucht, dass es Architektur als Bestandteil von Kultur braucht.
Sie hegen da Zweifel?
Hartmut Fuchs
 Ganz große Zweifel. Weil Architektur nicht mehr gefordert wird. Es braucht eben beide: Es muss einen geben, der Architektur machen kann, aber der Bauherr muss Architektur auch wollen.
Sie arbeiten für öffentliche Bauherren, die vorher Wettbewerbe ausgelobt haben. Hinter den prämierten Wettbewerbsentwurf kann doch kein Bauherr so einfach zurück.
Jan Kliebe
Sicher, Städtebau und die Geometrie sind mit dem Wettbewerbsentscheid festgelegt – das ist eine solide Basis.
Hartmut Fuchs
Der Wettbewerb macht uns, wenn Sie so wollen, etwas unabhängig von den Launen des Bauherrn. Weil eine Jury über den Wettbewerb entscheidet – und nicht der Auftraggeber selbst. Das ist ein Vorteil. Wenn man sagen kann: Das ist doch im Wettbewerb juriert worden, war also offensichtlich einmal gut. Wie kann das jetzt plötzlich schlecht sein?
Müssen Sie diese Karte häufig ausspielen?
Hartmut Fuchs
 Immer wieder.
Das Akquise-Instrument Wettbewerbe steckt voller Misserfolge. Man nimmt an vielen Wettbewerben teil, die man nicht gewinnt. Wie hoch ist das Frustpotenzial?
Hartmut Fuchs
Man kann es auch so sehen: Das sind für den Bauherrn viele verlorene Chancen.
Armin Günster Es ist ja nicht alles für den Papierkorb. Wir bauen von einem Wettbewerb auf den nächsten auf. Entwerfen fällt ja nicht vom Himmel, sondern bedeutet, konsequent an Ideen zu arbeiten.
Jan Kliebe Wenn wir es nicht ganz nach vorne geschafft haben, schauen wir uns natürlich die anderen Arbeiten an: Was war da vielleicht besser oder anschaulicher? Oder was hat dem Bauherrn möglicherweise besser gefallen? Die Diskussion um und über Architektur können wir mittels der Wettbewerbe führen, die wir machen.
Gibt es einen Wettbewerb, der Ihnen so richtig daneben gegangen ist?
Armin Günster
Mit fällt spontan nichts ein, das ich hinterher nicht mehr hätte anschauen wol-len. Selbst wenn wir einmal im ersten Rundgang rausgeflogen sind.
Hartmut Fuchs
Man schaut dann, wer noch im ersten Rundgang rausgeflogen ist, und sieht …
Josef Hämmerl
… man ist in guter Gesellschaft.
Hartmut Fuchs
Dann weiß man: Da war ganz anderes gefragt. Mit der Art, eine Lösung zu finden, war man nicht auf dem richtigen Dampfer. Das heißt aber nicht, dass die Lösung nicht auch möglich wäre. Es war einfach nicht gewollt.
Zurück zum Erfolg: Sie werden zu einem Wettbewerb zugelassen und bekommen die Auslobung auf den Tisch. Wie gehen Sie da ran?
Armin Günster
Zunächst geht es meist darum herauszufinden, welche Aufgabenstellung überhaupt in dem Wettbewerb drinsteckt. So ganz genau weiß das der Bauherr ja oft selbst nicht.
Josef Hämmerl
 Es gibt Auslobungen, die sind zwölf Seiten dick, andere haben 180 Seiten. Daraus müssen wir für uns das Thema herausfiltern.
Armin Günster
Dann – und dafür steht ja unser Büro – versucht man, eine griffige, strukturelle Lösung zu finden. Eindeutig arbeiten. Mit einer klaren Linie. Das soll sich schon beim Wettbewerb widerspiegeln, dass wir nicht mit tausend Ideen rangehen, sondern am liebsten mit einer.
Wie organisieren Sie all das im Büro? Einer ist den ganzen Tag damit beschäftigt, Bewerbungen zusammenzustellen?
Jan Kliebe
Wir haben nur Architekten im Büro, also niemanden, der nur an Bewerbungen arbeitet. Wir teilen das auf: Ich durchforste alle Auslobungsquellen, suche die Sachen raus, zwei Kolleginnen bearbeiten das weiter, Josef Hämmerl sucht die Referenzprojekte raus.
Wie ist die Erfolgsquote bei Bewerbungen?
Jan Kliebe
Wir sind in diesem Jahr bei Bewerbung Nummer 86. Und haben 22 Wettbewerbe abgegeben. Sind wir bei einem Viertel der Be-werbungen. Das sind manchmal Losverfahren, bei denen die Bewerbung unaufwendig ist. Es gibt aber auch welche, da muss man ganze Konvolute einreichen.
Josef Hämmerl
Um arbeiten zu dürfen.
Haben Sie mal über eine andere Form der Akquise nachgedacht? Golfspielen vielleicht?
Hartmut Fuchs
In einem Architektenballungsraum wie Stuttgart – allein hier im Haus sind zwei Architekturbüros – geht vieles nur über Wettbewerbe. Wer will denn hier über Bezie-hungen arbeiten? So viele persönliche Beziehungen gibt es gar nicht.
Zurzeit wird viel über die Zulassungsregeln bei Wettbewerben diskutiert. Ihre Meinung dazu?
Hartmut Fuchs
Das Problem im Moment ist: Man bewirbt sich auf jedes Verfahren, weil man nicht weiß, bei welchem man zugelassen wird. Dann kommen meist mehrere Projekte auf einen Schlag. Geliebte und weniger geliebte. Und man macht sie alle. Man hat nicht die Möglichkeit, die Projekte herauszusuchen, die einen persönlich interessieren, die man mit noch mehr Energie durcharbeiten würde.  
Jan Kliebe
 Es gibt vielleicht noch fünf offene Wettbewerbe im Jahr. Dass da fünfhundert Büros oder mehr mitmachen, ist kein Wunder. Wären alle Wettbewerbe offen, mehrstufig vielleicht, hätten alle diese Option: Da mache ich mit, da nicht, der liegt mir weniger, der liegt mir mehr. Und dann würden sich die hohen Teilnehmerzahlen deutschlandweit, europaweit regulieren.
Armin Günster
Es geht im Grunde ja um die Suche nach einem Mechanismus, der bei offenen Wettbewerben die Teilnehmerzahl begrenzt. Vor der Pflicht, EU-weit auszuschreiben, gab es
regional begrenzte Wettbewerbe. Das war auch später für den Bauablauf gut, dass man in der Region eingebunden war, dass man alle Leistungsphasen stemmen konnte. Wenn man heute ein Projekt über einen Wettbewerb akquiriert kann es sein, dass das sehr weit weg ist. Oft wird dann das Leistungsbild aufgegliedert.  
Josef Hämmerl
Wir bauen von Stuttgart aus zwischen Cuxhaven und Konstanz, jeweils unter völlig unterschiedlichen Voraussetzungen. Das macht es interessant, aber auch kompliziert. Wenn wir weit weg sind und eine externe Bauleitung haben, wird die Bindung zum Projekt, zur Architektur fragiler. Ein Ausführungsbüro, ein Ingenieurbüro – die haben ganz andere Interessen an dem Projekt als wir.
Sie würden sich lieber regional beschränken? Das Erfolgserlebnis: Häuser von uns stehen in ganz Deutschland, in ganz Europa, ist Ihnen nicht wichtig?
Josef Hämmerl
 Wenn es ein anständiges Haus ist, schon. Aber wenn ich es nicht schaffe, dass es ein gutes Haus wird, habe ich nichts davon.
Gibt es Ausschlussgründe für Sie? Eine bestimmte Jurybesetzung etwa, wo Sie sagen: Da können wir auf keinen Fall erfolgreich sein.
Hartmut Fuchs
 Bei der Bewerbung nicht. Wenn man aber zugelassen wird, und die Auslobung kommt auf den Tisch, schaut man schon alle Parameter durch. Wie ist das Verhältnis von Bausumme zu Aufwand? Wer sitzt im Preisgericht?
Jan Kliebe
Aber deswegen sagen wir nicht, wir machen es nicht. Vielleicht ist nur das Engagement ein anderes.
Armin Günster
Jeder Bauherr sucht sich ja die Preisrichter raus, oder bekommt sie vorgeschlagen, und jeder Preisrichter steht für einen gewissen Lösungsansatz. Und in der Analyse der Parameter schaut man schon, ob man so oder so an eine Sache herangeht. Ob der Lösungsansatz, den man wählt, in einem Preisgericht verstanden würde. Die Besetzung der Jury symbolisiert ja sozusagen einen Wunsch des Bauherrn: Ich hätte gern etwas, das in diese oder in jene Richtung geht.
Wie wahrscheinlich ist es zurzeit, wenn man den ersten Preis gewonnen hat, auch beauftragt zu werden?
Hartmut Fuchs
Das wird immer unsicherer, durch das nachgelagerte VOF-Verfahren. Die Wertung des Entwurfs gerät weiter in den Hintergrund. Man bekommt heute eigentlich mit einem niedrigen Honorarangebot mit dem schlechteren Entwurf den Auftrag – wenn der Bauherr das möchte. Über die Gewichtung der verschiedenen Kriterien im Verhandlungsverfahren hat der Bauherr die Möglichkeit, das Verfahren etwas zu steuern.
Ich frage Sie jetzt besser nicht nach Ihrer Quote: Bewerbung – Wettbewerb – 1. Preis – Auftrag. Aber ich habe gesehen, dass hier Leute im Büro arbeiten, es scheint zu funktionieren.
Hartmut Fuchs
Man lebt mit einer kleinen Bugwelle von Erfolgen, die man vor sich herschiebt, und hofft, dass man das immer so weiter machen kann. Besonders gut planbar ist es nicht.

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