Bauwelt

"Wir lagerten das Holz ein, ohne zu wissen, was draus wird“

Die Bauherren Stefanie und Emmanuel Heringer über ihren Torfstadel in Schechen

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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    Stefanie und Emmanuel Heringer
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    Die Heringers demontierten den zum Abriss freigegebenen Torfstadel in Kolbermoor, lagerten die Einzelteile ein und setzen sie später auf ihrem Grundstück in Schechen wieder zusammen. Die Wohnräume entstanden als Haus im Haus.
    Foto: Stefanie und Emmanuel Heringer

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    Die Heringers demontierten den zum Abriss freigegebenen Torfstadel in Kolbermoor, lagerten die Einzelteile ein und setzen sie später auf ihrem Grundstück in Schechen wieder zusammen. Die Wohnräume entstanden als Haus im Haus.

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"Wir lagerten das Holz ein, ohne zu wissen, was draus wird“

Die Bauherren Stefanie und Emmanuel Heringer über ihren Torfstadel in Schechen

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Hatten Sie eine genaue Vorstellung vom Wohnen, als das Projekt begann?
Stefanie Heringer Ein Gebäude mit Geschichte hat uns beide schon immer angesprochen. Aber auch das selber Machen, Umbauen, Herrichten oder Weiterentwickeln.
Emmanuel Heringer Ich bin in Rosenheim in einem 130 Jahre alten Familienhaus aufgewachsen, das war sehr prägend für mich. Durch das Arbeiten als Zimmerer ist mein Bezug zu Holzbauten naheliegend. Bundwerkstadel, eine typisch südostbayrische Holzbauweise, haben mir dabei besonders gefallen. Sie werden leider immer weniger, weil manche Besitzer sie verfallen lassen und nicht wissen, was sie da für Schätze haben.
Wie haben Sie diesen Stadel gefunden?
EH Er stand in Kolbermoor, auf dem Gelände einer ehemaligen Baumwollspinnerei aus dem 19. Jahrhundert. Früher wurde darin Torf getrocknet. Mein ehemaliger Arbeitgeber hatte ihn als Lager für unsere Weiden gemietet. Dabei haben wir den Stadel schätzen gelernt, das Schattenspiel auf der Südseite, die gehackten, gut erhaltenen Balken. Dann sollte das Gelände neu bebaut und der Stadel abgerissen werden. Wir überlegten, ihn abzubauen und mitzunehmen, da er als Weidenlager super funktionierte. An eine Nutzung als Wohnraum dachten wir in diesem Moment noch nicht.
Woher wussten Sie, dass das funktioniert?
EH Translozierte Holzgebäude gibt’s hier öfter Mal, in Bauernhausmuseen zum Beispiel. Beim Holzbau ist das möglich. Die Zapfenverbindungen sind leicht lösbar.
Hat Sie niemand für verrückt erklärt?
EH Na, normal war das nicht. Es wurden Wetten abgeschlossen, ob das funktioniert und ob wir rechtzeitig abgebaut haben.
Wie haben Sie den Abbau vorbereitet?
SH Das musste alles ziemlich schnell gehen. Im November 2005 kam die Ansage, dass der Stadel abgerissen wird, und im Januar begann der Abbau. Zuerst hat Emmanuel mit einem be-freundeten Architekten ein Aufmaß gemacht, und wir haben einen Kran organisiert.
EH Der Abbau ging von oben nach unten. Angefangen haben wir damit, den Schnee vom Dach zu schaufeln und die Ziegel runter zu schmeißen. Dann folgten die Dachlatten, die Beplankungen, die Sparren. Zum Schluss das Holzskelett. Jeder Balken bekam ein Plastikplättchen mit einer Nummer, die wir im Plan einzeichneten.
Wussten Sie zu dem Zeitpunkt, wo Sie den Stadel wieder aufstellen?
EH Wir lagerten das Holz ein, ohne zu wissen, was draus wird. Wir sind sogar zweimal damit umgezogen.
Das klingt nach einem Häufchen Holz, das man mal eben woanders hinfährt.
EH Insgesamt waren es 90 m3 Holz. Das entspricht drei, vier LKW-Ladungen. Eigentlich viel zu viel für ein Weidenlager.
SH Irgendwann kam uns dann die Idee, neben dem Arbeiten auch darin zu wohnen.
Nach welchen Kriterien haben Sie den neuen Standort gesucht?
SH Weil wir darin arbeiten wollten, mussten wir in einem Mischgebiet suchen. Zwischen Industriebauten zu wohnen, konnten wir uns aber nicht vorstellen. Zugleich wollten wir, dass der Stadel in seine Umgebung passt. Emmanuel wollte gern in einem Dorf eingebunden sein. Wir haben alles Mögliche in der Nähe von Rosenheim angeschaut.
EH In Schechen fanden wir dann dieses Grundstück. Ich war zweimal in der Gemeinderatsversammlung und habe das Projekt vorgestellt. Wir hatten ein Modell vom Stadel gebaut. Der Bürgermeister hat uns unterstützt.
Wann kamen die Architekten ins Spiel?
EH Beim Bauantrag. Wir kannten uns von frühe-ren Projekten.
SH Was wir unter anderem an Eike Roswag schätzen ist, dass er die Handwerker stark mit einbezieht.
Was haben die Architekten, was haben Sie geplant?
EH Das war ein gemeinsamer Prozess. Das ist nicht auseinander zu halten. Aber grob kann man sagen: Die Idee für den Wandaufbau, die Statik und die Energieberechnung kamen vom Architekturbüro.
SH Weil die Architekten in Berlin sind war klar, dass wir die „Bauleitung“ übernehmen und natürlich auch Entscheidungen vor Ort treffen müssen. Die Architekten sagten irgendwann: „Die machen ja eh, was sie wollen“.
Was wollten Sie denn?
SH Wir wollten einerseits, dass das Gebäude, aussieht wie es war. Zugleich sollte alles Neue auch erkennbar sein. Daraus entstand die Haus-im-Haus-Idee.
Waren die alten Dachziegel nicht mehr zu verwenden?
EH Die waren zu morsch. Deshalb haben wir uns für die Neudeckung entschieden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die alten Ziegel gar nicht aus unserer Gegend, sondern aus dem Elsass stammten. Man hat also auch schon damals nicht immer regional eingekauft.
Musste die Konstruktion ertüchtigt werden?
EH Die alte Konstruktion ist an den Ecken mit Metall oder mit Eisenzugbändern ausgesteift worden, um die Windsteifigkeit zu gewährleisten. Und wir haben eine Zusatzpfette eingebaut, um die Lasten besser in die Außenwand abzutragen.
SH Beim Aufstellen haben wir schadhafte Stellen ausgebessert und fehlende Balken und Kopfbänder ersetzt. Das ist durch das helle Holz erkennbar.
Was hat Sie an dem ganzen Projekt am meisten überrascht?
EH Die Baukosten (lacht), weil die eigentlich nur wachsen, nie schrumpfen.
SH Die ständige Veränderung, die neue Wirkung mit jedem Bauabschnitt.
Wie viel Prozent haben Sie am Stadel selber gemacht?
EH Soweit alles, bis es besser war, einen Spezialisten ranzulassen. Beim Lehmputz zum Beispiel. Den habe ich noch nie gemacht, den krieg ich nicht sauber hin. Ich habe die Stromkabel eingezogen, der Elektriker hat die Sicherung zusammengeschlossen.
SH Mit der Installateurin haben wir die Heizungsrohre verlegt, sie hat sie dann angeschlossen. Die Fenster und Türen haben wir mit einem Schreiner gesetzt. Elektriker und Installateurin wohnen übrigens hier in der Straße.
Haben Sie an einem Punkt manchmal das Gefühl gehabt, das ist alles viel zu groß?
EH Das Abtragen und Wiederaufbauen hat mich fasziniert. Aber wenn ich gewusst hätte, was auf uns zu kommt, hätte ich es eher nicht angefangen.

SH Weil es sich über so einen langen Zeitraum erstreckte, war ich schon manchmal erschöpft und dachte, das ist zu viel. Gott sei Dank haben wir ziemlich bald aufgehört zu sagen, bis dann muss alles fertig sein. Das normale Leben gab es auch immer. Man muss einfach gern bauen, sonst darf man so was nicht anfangen!
Das Interview führte Friederike Meyer.
Emmanuel Heringer ist Zimmerer und Flechtwerkgestalter. 2009 gründete er seine Werkstatt „geflecht und raum“. Er wurde mit dem Bayerischen Staatspreis für Nachwuchsdesign ausgezeichnet.
Stefanie Heringer ist Metallbaumeisterin und unterrichtet an der Berufsschule für Metallbau und Technisches Produktdesign in München als Fachlehrerin. 2003 erhielt sie den Staatspreis für gestaltendes Handwerk.
Fakten
Architekten Bauherren: Heringer, Stefanie, Schechen; Heringer, Emmanuel, Schechen
aus Bauwelt 6.2015
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