Bauwelt

Bilder, Rätsel

Sibylle Bergemanns Fotografien in der Berlinischen Galerie

Text: Hamm, Oliver G.

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In der Trabantenstadt. „Birgit“, 1984.
Foto: Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

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In der Trabantenstadt. „Birgit“, 1984.

Foto: Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin


Bilder, Rätsel

Sibylle Bergemanns Fotografien in der Berlinischen Galerie

Text: Hamm, Oliver G.

„Stadt Land Hund“: Selten trug eine Ausstellung einen so nichtigen, geradezu irreführenden Untertitel wie die Werkschau der Fotografin Sibylle Bergemann in der Berlinischen Galerie. Sicher, es gibt auch ein paar Fotos von Hunden zu sehen… So what? Landimpressionen beschränken sich weitgehend auf eine Serie von Polaroid-Aufnahmen vom Margarethenhof, einem Neubauernhaus nördlich von Berlin, in dem Bergemann und ihr einstiger Lehrmeister und späterer Ehemann Arno Fischer sich einen Zweitwohnsitz eingerichtet hatten. Aber sonst?
Bergemanns Aktionsraum war fast ausschließlich die Stadt und ihr wichtigstes Sujet das Porträt – von Frauen, von oft ungewöhnlichen Orten in der Stadt und in vielen besonders gelungenen Fotografien von Menschen an ungewöhnlichen städtischen Orten. Viele dieser „Doppelporträts“ sind – auf den ersten Blick nicht als solche erkennbare – Modefotos für die Sibylle, eine ab 1956 erschienene Zeitschrift für Mode und Kultur der DDR, die nach der Prophetin benannt war, die (in oft doppeldeutiger Weise) die Zukunft voraussagte.
Sibylle Bergemann inszenierte ihre Modefotos als „Frauen vor Stadtlandschaften“ mit ungemein harten Kontrasten zwischen den Models mit ihrer extravaganten Kleidung und den oft tristen städtischen Hintergründen; das konnte mal eine weitgehend leere vielspurige Straße mit Plattenbau und rauchendem Schlot im Hintergrund sein, mal eine ganze Plattenbausiedlung oder auch der bereits zwecklos gewordene Mauerstreifen. Auch auf vielen nicht von der Fotografin inszenierten, sondern genau beobachteten und im richtigen Moment erfassten Stadt-Mensch-Aufnahmen – unter anderem aus Moskau, Paris und New York – erscheinen die Por­trätierten wie isoliert im Raum und in sich gekehrt.
Der Farbfotografie widmete sich Sibylle Bergemann spät, systematisch erst mit ihren ersten Geo-Reportagen ab 1997. Aus dieser Zeit sind in der Berlinischen Galerie einige herausragende Aufnahmen zu sehen, etwa „Shibam, Jemen 1999“ mit einer in ein unglaubliches Gelb getauchten mehrstöckigen Lehmbau-Straßenschlucht, sowie mehrere Modeaufnahmen aus den 2000er Jahren.
Natürlich würdigt die Ausstellung auch einige der bekannten Werkgruppen Bergemanns: zum Beispiel „Das Denkmal“, mit dem die Fotografin die elfjährige Entstehungszeit (1975–1986) des Marx-Engels-Denkmals auf Usedom bis zu dessen Aufstellung am Palast der Republik dokumentierte; oder auch die nach dem gleichnamigen Plattenbau bezeichnete Serie „P2, 1981“ mit Aufnahmen des immer gleichen Wohnzimmers mit Durchreiche zur Küche in seiner jeweils individuellen Einrichtungsart. Von der Serie „Die Stadt“ (2004–2009) sind leider nur Einzelfotos zu sehen, darunter die beeindruckende Abrissaufnahme „Palast der Republik, Berlin 2008“, auf der hinter letzten Resten des hier wie eine Kriegsruine wirkenden Baus der Berliner Dom zu sehen ist.
Abgerundet wird die Werkschau durch einzelne Fotografien, die Ein­blicke in die Lebensräume der Fotografin geben, in denen sie fast täglich eine illustre Gruppe von Gleichgesinnten um sich scharte. Ein vierteiliger
Podcast „Sibylle Bergemann – Die Frau hinter den Bildern“ auf der Website des Museums gewährt zusätzliche Einblicke in ihren Kosmos.
Bis 17. September ist im Institut Français Berlin mit „Ostkreuz. Un visa pour Paris“ eine weitere Ausstellung mit Fotografien von Sibylle Bergemann sowie von Ute Mahler, Harald Hauswald und Maurice Weiss zu sehen, die in den 1970er- bis 1990er-Jahren entstanden sind.

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