Bauwelt

Gestalter, Konsument Formen der Teilhabe

Das Bauhaus im Vitra Design Museum

Text: Paul, Jochen, Zürich

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    Ausstellungsansicht. Ein Blick in das 2. Kapitel, #learnbydoing.
    Foto: Vitra Design Museum/Mark Niedermann

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    Foto: Vitra Design Museum/Mark Niedermann

Gestalter, Konsument Formen der Teilhabe

Das Bauhaus im Vitra Design Museum

Text: Paul, Jochen, Zürich

Nach Einzelausstellungen von Bauhauskünstlern wie Marcel Breuer (Bauwelt 46.2003) und Gerrit Rietveld (Bauwelt 25.2012) widmet das Vitra Design Museum nun der Institution Bauhaus eine Ausstellung. Der etwas modische Titel bezieht sich auf den Anspruch des Bauhauses, einen neuen Typus von Gestalter auszubilden: Die Studierenden sollten nicht nur Produkte entwerfen, sondern auch neue Formen und Strukturen
des Zusammenlebens und -arbeitens. Die Gesellschaft als Ganzes waren eine Frage der Gestaltung. Aus diesem (Selbst-)Verständnis heraus war alles gestaltbar. So ist es kein Zufall, dass „#allesistdesign“ an Joseph Beuys’ „Jeder Mensch ein Künstler“ erinnert. Kuehn Malvezzis Ausstellungsdesign – eine Mischung aus Holzregal und Baugerüst – ist dagegen betont unspektakulär.
In kollektiver Erinnerung geblieben sind die Entwürfe der ersten deutschen Hochschule für Gestaltung als funktional, geometrisch, industriell – und etwas unterkühlt. Dafür stehen idealtypisch die Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer und Mies van der Rohe oder die Schreibtischleuchte von Wilhelm Wagenfeld. Hier setzt Kuratorin Jolanthe Kugler an: Sie will das Bauhaus-Klischee widerlegen, was ihr mit der Wagenfeld-Leuchte ganz beiläufig gelingt – sie ist weder funktional, noch industriell herstellbar, noch günstig. „Sie war schon damals wahnsinnig teuer, wird auch heute noch größtenteils manuell hergestellt, und wenn Sie mal versuchen, ein Buch drunter zu lesen, kriegen Sie bald Augenweh.“
Darüber hinaus will #allesistdesign zeigen, dass das Bauhaus weitaus mehr Facetten hatte als die allseits bekannten Design-Ikonen: „Eigentlich“, so Jolanthe Kugler, „gibt es nicht ein Bauhaus, sondern viele Bauhäuser. Obwohl das Bauhaus eingehend erforscht scheint, bewahrt es sich durch seine Vielschichtigkeit doch eine gewisse
Unschärfe. Auch wenn es eine beeindruckende Produktivität an den Tag legte, blieb es doch in erster Linie eine Idee, eine orientierende Fiktion, ein utopisches Ganzheitsstreben.“ Deshalb zeigt die Ausstellung das Bauhaus nicht als Stil, sondern als Idee und als eine neue Art zu denken.
Dazu ist #allesistdesign in vier Kapitel unterteilt: Saal 1, #createthecontext, beleuchtet die zeitgeschichtlichen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Gründungsphase, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs: Arbeitslosigkeit, Reparationszahlungen, Inflation. In dieser Situation startete Walter Gropius mit dem Bauhaus „eines der großen sozialen Experimente der Moderne“.
Auf dem Weg zu einer der bedeutendsten Kulturinstitutionen
Worin dieses Experiment bestand, thematisiert Saal 2, „#learnbydoing“: Dualität von Theorie und Praxis, von Kunst und Technik – die Studierenden erhielten eine handwerkliche Ausbildung und theoretischen Unterricht, die Werkstätten waren in Lehrwerkstätten und Versuchs- und Produktivwerkstätten aufgeteilt. Man wollte nicht nur Schule, sondern auch Forschungslabor und Produktionsstätte sein. Letzteres gelang erst nach dem Wegzug aus Weimar: Marcel Breuers Stahlrohrsessel „B3“ entstand in Kooperation mit Junkers & Co. in Dessau.
Das dritte Kapitel, #thinkaboutspace, untersucht Raumkonzepte und -vorstellungen. Sie reichen von der Baustelle – unter Hannes Meyer als Direktor beschäftigte sich das Bauhaus mit Themen wie der „Wohnung für das Existenzminimum“ und kollektiven Produktionsprozessen – über die Bauhausbühne bis zum Tanz. Die Ausstellung zeigt Zeichnungen von Paul Klee, Raumbilder von Josef Albers, Bühnenbildentwürfe von Roman Clemens und die Planungen von Hinnerk Scheper für die Galerie „Neue Kunst Fides“ in Dresden. Farbe – die Legende der „weißen Moderne“ entstand durch das Medium der Schwarz-Weiß-Fotografie – war dabei ein Mittel der Raumgestaltung, das auch auf das psycho-physischen Wohlbefinden wirkt.
#communicate schließlich geht der Frage nach, wie es dem Bauhaus – eigentlich ein mehr oder weniger zerstrittener Haufen von Bauhäuslern unterschiedlicher Couleur – gelang, zu einer der bedeutendsten Kulturinstitutionen des 20. Jahrhunderts zu werden: Sie beherrschten die Klaviatur der Kommunikation virtuos und nutzten dafür alle Medien, von Ausstellungen, Broschüren und Katalogen über die Reihe der „Bauhausbücher“ und einer eigenen Zeitschrift bis hin zur Fotografie und Typografie. Erich Consemüler, Lucia Moholy, Walter Peterhans waren Pioniere des „Neuen Sehens“, Josef Albers, Herbert Bayer, László Moholy-Nagy beschäftigten sich intensiv mit der Schrift als dem wichtigsten Element der Mitteilung.
Last not least stellt die Ausstellung das Bauhaus in den Kontext von heute, um seine Relevanz für die Gegenwart herauszuarbeiten. Der vom Bauhaus entwickelte Gestaltungsbegriff hält, so Jolanthe Kugler, „eine Vielzahl von Möglichkeiten und Ansätze für das 21. Jahrhundert bereit“. Die Parallelen sind frappant: Auch heute sind wir mit umwälzenden gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert, und Arbeiten wie Van Bo Le-Mentzels „Hartz IV“-Möbelprogramm speisen sich ebenso aus der Tradition des Bauhauses, wie die „Maker“-Bewegung oder die von den Sozialen Medien getriebene „Share Economy“ – es geht um die Neudefinition der Rollen von Gestalter und Konsument und um neue Formen der Teilhabe.

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