Bauwelt

Pilz und Pusteblume

Leoni Wirth in Dresden

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Modelle und Zeichnungen aus dem Atelier Leoni Wirth
    Leihgeber: Dr. Hans Wirth Fotos: David Brandt

    • Social Media Items Social Media Items
    Modelle und Zeichnungen aus dem Atelier Leoni Wirth

    Leihgeber: Dr. Hans Wirth Fotos: David Brandt

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Ganz links: Ein abgebautes Element des Kelchbrunnens vor historischem Foto (um 1970) der Brunnenanlage
    © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Peter Richardsen

    • Social Media Items Social Media Items
    Ganz links: Ein abgebautes Element des Kelchbrunnens vor historischem Foto (um 1970) der Brunnenanlage

    © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Peter Richardsen

Pilz und Pusteblume

Leoni Wirth in Dresden

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Pusteblumen gehören zu den populärsten Dresd­ner Kunstwerken der DDR-Zeit. Ihre Schöpferin, Leoni Wirth, ist jedoch kaum bekannt. Dies möchte das Kunsthaus Dresden nun ändern. Es stellt Wirths Schaffen in einer Ausstellung vor und betrachtet es im Zusammenhang mit aktuellen Arbeiten internationaler Künstler.
Leoni Wirth (1935–2012) wollte bereits als Teenager Künstlerin werden, entschied sich jedoch 1952, um beim Wiederaufbau ihrer stark zerstörten Heimatstadt zu helfen, für ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule. Dort fiel sie vor allem durch ihre „Freude am Selbstständigen Gestalten“ auf. So wechselte sie zwei Jahre später in die Bildhauerklasse der Dresdner Hochschule für Bildende Künste, zeigte sich jedoch, wie in ihrer Studienakte vermerkt, bereits hier als „stets widerspruchsvoll“ und nur „schwer zu beeinflussen“. Ihr Diplom machte sie 1959 und zog sich dann, je nach kulturpolitischer Lage, immer wieder in ein privates Künstlerdasein jenseits des staatlichen Kunstbetriebes zurück.
Das Kunsthaus zeigt jetzt gut 100 noch nie ausgestellte, leider jedoch nur rudimentär beschriftete Zeichnungen und 24 Modelle aus Wirths Atelier: exzellent präsentiert in einem vom Dresdner Architekten Michal Banisch (Zanderarchitekten) konzipierten, sensibel auf ihre Arbeitsweise abgestimmten Werkstatt-Ambiente. Die verschiedenen Entwurfsserien und Vorstudien ihrer Projekte verdeutlichen anschaulich, wie sie einzelne (die geforderte realistische Kunstlinie bedienende) pflanzliche, organische oder kristalline Formen zu immer abstrakteren Strukturen weiterentwickelte, eine innerhalb der lokalen Kunstszene völlig eigenständige Position. Ihre große Chance kam mit dem Beginn der Ostmoderne, die neuen innerstädtischen Stadtlandschaften setzten auf eine differenzierte Freiraumgestaltung. 1967 bekam Wirth den Auftrag für umfangreiche Wasserspiele auf der Prager Straße. Dafür schuf sie ein Ensemble aus Pusteblumen und Pilzen ähnelnden Elementen sowie eine weitere Brunnenanlage mit kelchförmigen Wasserspeiern. Die „Pusteblumen“ (1969) etablierten sich sofort als beliebter Treffpunkt.
Die Idee war nicht ganz neu: Der australische Architekt Robert Woodward hatte in Sydney bereits 1961 eine wasserspeiende „Pusteblume“ realisiert, die weltweit nachgeahmt wurde. Davon inspiriert, entwickelte auch Leoni Wirth, zusammen mit dem Kunstschmied Karl Bergmann, verschiedene Wasserkaskaden oder Schleier erzeugende Brunnenelemente und realisierte interessante Objekte: darunter einen bis heute erhaltenen Glasbrunnen im Dresdner Stadtzentrum, einen „sprühenden Baum“ in Rostock-Lütten Klein sowie eine Windfahne in Dresden-Prohlis.
Ihre Wasserspiele auf der Prager Straße zeichneten sich vor allem durch die komplexe räum­liche Anordnung der verschiedenen Elemente aus: eine präzise durchgeplante Brunnenlandschaft, die die Atmosphäre des Stadtraums jahrzehntelang entscheidend mitbestimmte, die aber leider lange Zeit nicht als eigenständiges Kunstwerk wahrgenommen wurde. Alle Brunnenelemente wurden im Zuge der grundlegenden Umgestaltung der Fußgängerzone (Bauwelt 11.2004) bedenkenlos abgebaut (wie rabiat, das ist im Kunsthaus an einem der „Kelch-Elemente“ sehen). Drei einzelne, aus ihrem künstlerischen Zusammenhang gerissene, deutlich gestutzte „Pusteblumen“ ordnete man danach in einem neuen Becken an. Erst eine Urheberrechtsklage der Künstlerin führte dazu, dass das gesamte (nun durch drei Kopien vervollständigte) Ensemble des Pusteblumen- und Pilzschalenbrunnens im Dresdner Neubaugebiet Prohlis wieder aufgestellt wurde. Für den ebenfalls zur Wiedererrichtung vorgesehenen Kelchbrunnen sucht die Stadt Dresden bereits seit acht Jahren einen geeigneten Standort. Da kann man nur hoffen, dass die Suche – im Zuge dieser Ausstellung – endlich mehr Drive bekommt.

0 Kommentare


loading
x
loading

26.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.