Traumland Alpen
Visionäre Projekte für die Alpen aus den letzten hundert Jahren werden in der Architekturgalerie München dreidimensional
Text: Paul, Jochen, München
Traumland Alpen
Visionäre Projekte für die Alpen aus den letzten hundert Jahren werden in der Architekturgalerie München dreidimensional
Text: Paul, Jochen, München
Dreamland Alps: Schon der Titel – er geht zurück auf den Vergnügungspark „Dreamland“ (1907–11) auf Coney Island – macht deutlich: Hier geht es nicht um all das, was man aus der Erfahrung der letzten zehn bis 15 Jahre mit „Bauen in den Alpen“ verbindet. Vielmehr wird anhand der 22 ausgewählten Projekte die Geschichte der Alpen und des Alpentourismus „unter dem Prisma des Sublimen“ betrachtet, wie Susanne Stacher von der ENSA Versailles im Katalog schreibt. Der Bogen spannt sich dabei von der „Erfahrung des Erhabenen“ (Edmund Burke, 1757) über das Thema der Alpen als Gegenwelt zur städtischen Zivilisation bis hin zur Überwindung von konstruktiven, topographischen und massentouristischen Grenzen.
Dreamland Alps ist eine Ausstellung, die aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt der ENSA Ecole Nationale Supérieure d’Architecture in Versailles und des Archivs für Baukunst der Universität Innsbruck entstanden ist. In der Architekturgalerie München wird sie in Kooperation mit der Bayerischen Architektenkammer und dem Alpinen Museum des Deutschen Alpenvereins gezeigt. Die Ausstellungskapitel tragen Überschriften wie Aufstieg und Fall des Erhabenen, Kristall und Kristallisation, Gefügige Körper oder „Sublimieren“ von 30.000 Betten. Darunter lassen sich so unterschiedliche Bauten und Projekte wie Bruno Tauts Visionen einer „Alpinen Architektur“ (1919), Valerio Olgiatis „Panorama Gornergrat“ (2003) und Andrea Deplazes’ Monte Rosa Hütte (2009) ebenso zusammenfassen wie Adolf Loos’ Projekt eines Wintersporthotels am Semmering (1911), Giò Pontis Hotel Paradiso im Südtiroler Martelltal (1935), Marcel Breuers Hotel Flaine (1967), Jean Prouvés unrealisiert gebliebenes Hotel Les Arcs 2000 (1970) – es scheiterte, weil der Investor keinen Betreiber fand – oder Charlotte Perriands Apartment-Großkomplexe in Les Arcs (1968–1978) und Miroslav Šiks Planungen für Andermatt (2008).
Aufwendige digitale Simulationen oder dergleichen gab das Budget nicht her, aber die Kuratoren haben aus der Beschränkung eine Tugend gemacht: Wunderbare Modelle aus Graupappe lassen auch die unrealisierten Projekte erstmals dreidimensional werden; die Transportkisten sind als Sockel Teil der Ausstellungsgestaltung geworden. Das Engagement der am Projekt beteiligten Studierenden verdeutlicht vielleicht diese Episode: Weil das für die Schau wichtige Foto von Charlotte Perriand als Rückenakt mit erhobenen Armen und Fausthandschuhen in Versailles nicht auffindbar war, haben sie es kurzerhand nachgestellt. Später tauchte es im Archiv für Baukunst in Innsbruck doch noch auf – eigentlich schade.
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