Thoravej 29 in Kopenhagen
Das nachhaltigste Gebäude ist jenes, das bereits gebaut ist. Das beweisen Pihlmann Architects mit Thoravej 29 in Kopenhagen
Text: Flagner, Beatrix, Berlin
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Die neue Fassade auf der Rückseite des Hauses. Die Glaswände, die Bibliothek und Arbeitsräume vom Treppenraum abgrenzen, gehören zu den wenigen neuen Bauelementen.
Foto: Hampus Berndtson
Die neue Fassade auf der Rückseite des Hauses. Die Glaswände, die Bibliothek und Arbeitsräume vom Treppenraum abgrenzen, gehören zu den wenigen neuen Bauelementen.
Foto: Hampus Berndtson
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Viele der alten Industriegebäude im Viertel Nordvest in Kopenhagen wurden seit den 1960er Jahren renoviert und für Wohnzwecke umgenutzt.
Foto: Hampus Berndtson
Viele der alten Industriegebäude im Viertel Nordvest in Kopenhagen wurden seit den 1960er Jahren renoviert und für Wohnzwecke umgenutzt.
Foto: Hampus Berndtson
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Die Bilder veranschaulichen den Transformationsprozess des Hauses: Decken wurden aufgebrochen und in Treppen umgewandelt. Da die Tragstruktur ohne die Betonplatten an Stabilität verlor, war eine zusätzliche Stahlverstärkung erforderlich.
Foto: Hampus Berndtson
Die Bilder veranschaulichen den Transformationsprozess des Hauses: Decken wurden aufgebrochen und in Treppen umgewandelt. Da die Tragstruktur ohne die Betonplatten an Stabilität verlor, war eine zusätzliche Stahlverstärkung erforderlich.
Foto: Hampus Berndtson
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Die Schnitte zeigen das Haus vor und nach dem Umbau.
Foto: Hampus Berndtson
Die Schnitte zeigen das Haus vor und nach dem Umbau.
Foto: Hampus Berndtson
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Die markante Treppe prägt das Haus.
Foto: Hampus Berndtson
Die markante Treppe prägt das Haus.
Foto: Hampus Berndtson
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Für die technischen Installationen wurde der Bau um 1,5 Meter erweitert.
Foto: Hampus Berndtson
Für die technischen Installationen wurde der Bau um 1,5 Meter erweitert.
Foto: Hampus Berndtson
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Detail der neuen Treppe aus alten Betonplatten.
Foto: Hampus Berndtson
Detail der neuen Treppe aus alten Betonplatten.
Foto: Hampus Berndtson
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Alles, was recycelbar war, wurde wiederverwendet: Aus altem Aluminium und Betonträgern ...
Foto: Hampus Berndtson
Alles, was recycelbar war, wurde wiederverwendet: Aus altem Aluminium und Betonträgern ...
Foto: Hampus Berndtson
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... entstanden Tischgestelle.
Foto: Hampus Berndtson
... entstanden Tischgestelle.
Foto: Hampus Berndtson
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Lagerung der Bauelemente während des Umbaus.
Foto: Hampus Berndtson
Lagerung der Bauelemente während des Umbaus.
Foto: Hampus Berndtson
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Ob Lüftungsrohre, Fassadensteine, Türrahmen, Die-len, Regalsysteme, Decken-platten, Dachpappe, geborgene Spülbecken, Gips- /MDF-Platten ...
Foto: Hampus Berndtson
Ob Lüftungsrohre, Fassadensteine, Türrahmen, Die-len, Regalsysteme, Decken-platten, Dachpappe, geborgene Spülbecken, Gips- /MDF-Platten ...
Foto: Hampus Berndtson
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... oder Träger – alle Materialien wurden sorgfältig inventarisiert und gelagert, um sie wiederverwenden zu können.
Foto: Hampus Berndtson
... oder Träger – alle Materialien wurden sorgfältig inventarisiert und gelagert, um sie wiederverwenden zu können.
Foto: Hampus Berndtson
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Der neue Treppenraum ist Foyer und Herzstück des Hauses.
Foto: Hampus Berndtson
Der neue Treppenraum ist Foyer und Herzstück des Hauses.
Foto: Hampus Berndtson
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Die Erweiterung des Gebäudes um 1,5 Meter diente sowohl den vertikalen Installationen als auch statischen Anforderungen.
Foto: Hampus Berndtson
Die Erweiterung des Gebäudes um 1,5 Meter diente sowohl den vertikalen Installationen als auch statischen Anforderungen.
Foto: Hampus Berndtson
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Das Foyer mit Cafébereich vor der Einrichtung.
Foto: Hampus Berndtson
Das Foyer mit Cafébereich vor der Einrichtung.
Foto: Hampus Berndtson
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Die Fassadenbacksteine wurden als Bodenbelag wiederverwendet.
Foto: Hampus Berndtson
Die Fassadenbacksteine wurden als Bodenbelag wiederverwendet.
Foto: Hampus Berndtson
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Im Bereich der früheren Industrieküche befindet sich nun die offene Galerie, die von Art Hub betrieben wird.
Foto: Hampus Berndtson
Im Bereich der früheren Industrieküche befindet sich nun die offene Galerie, die von Art Hub betrieben wird.
Foto: Hampus Berndtson
Direkt in der Nacht nach Silvester wurde Thoravej 29 bezogen. Eine Woche totales Chaos – auch, weil es zwischen den Jahren einen Wasserschaden gab, der parallel behoben werden musste. Insgesamt 150 Personen aus rund 30 Organisationen aus den Bereichen Kunst, Nachhaltigkeit, digitales Unternehmertum und Politik kommen hier zusammen. Thoravej 29 dient als Raum für soziale Initiativen, in dem die Zivilgesellschaft, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen zusammenarbeiten. Sie eint das „Manifest für radikale Transformation“, in dem definiert wird, was für eine Gemeinschaft sie sein wollen: eine, die auf die Möglichkeit von Transformationen beharrt, die „Business as usual“ hinterfragt und sich ausschließlich für Agenden, Projekte und Veranstaltungen engagiert, die wirklich etwas bewegen. Eine Gemeinschaft, die Kräfte aus verschiedenen Bereichen und Berufen vereint.
Sie alle werden von der Bikuben Foundation gefördert, einer unabhängigen, kommerziellen Stiftung, die sich für die Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme einsetzt und einen aktiven Ansatz verfolgt: Fördergelder gibt es nicht auf Antrag, sondern im Rahmen einer aktiven Mitgliedschaft in der Thoravej-29-Gemeinschaft. Das Gebäude fungiert als neutraler Ort. Diese enge Vernetzung hebt Thoravej 29 von klassischen Arbeits- oder Kunstzentren ab.
Die Stiftung war auch die Bauherrin, die Pihlmann Architects beauftragte, nachdem das Architekturbüro im Jahr 2021 den Wettbewerb für das Industriegebäude Thoravej 29 in Kopenhagen gewonnen hatte. Anstatt das Gebäude im Stadtteil Nordvest abzureißen und neu zu bauen, durchlief es eine nachhaltige Transformation.
Ursprünglich 1967 vom Architekten Erik Stengade erbaut, wurde es zunächst von der Pelzindustrie genutzt, später in Labore für den Geologischen Dienst von Dänemark umgewandelt und diente anschließend als Sitz der Behindertenverwaltung der Stadt Kopenhagen.
Der Architekt Søren Pihlmann erzählt, dass er dem Bauherrn seine Idee für das Gebäude schon früh vorgestellt habe: Alles, was wiederverwendet werden kann, sollte renoviert, umgewandelt oder transloziert werden, um so wenig Abfall wie möglich zu produzieren. Betonfragmente und Stahl wurden in Treppen und Möbel umfunktioniert, überschüssige Fassadenziegel dienen nun als Bodenbelag, und Holzreste wurden zu Tischen und Regalen verarbeitet. Søren Pihlmann: „Ich habe den Auftraggebern gesagt: ‚Ihr müsst dieses Projekt als eine Art Fallstudie betrachten, aus der andere lernen können.‘“
Seine Ambitionen haben zu messbaren Ergebnissen geführt: Ein Bericht der Technischen Universität Dänemark (DTU) über das Projekt Thoravej 29 zeigt, dass die CO2-Emissionen des Projekts im Vergleich zum Bau eines neuen Gebäudes drei- bis neunmal geringer waren. Die Abfallproduktion wurde um 90 Prozent reduziert, und 95 Prozent der ursprünglichen Materialien wurden entweder wiederverwendet oder recycelt. „Im Keller lagern jedoch noch unzählige Gipsplatten“, so Søren Pihlmann. Gips lässt sich nämlich nur schwer recyceln, insbesondere wenn die Platten beschichtet sind. „Wir hoffen, eine Firma zu finden, die das Material wiederverwerten kann.“
Das Raumprogramm umfasst auf 6500 Quadratmetern Studios, Werkstätten, Aufnahmestudios, eine Bühne im Untergeschoss, Besprechungsräume, zahlreiche Arbeitsplätze, eine Bibliothek und eine kleine Mensa. Der Ausstellungsraum und das Café im Erdgeschoss sowie eine Dachterrasse sind öffentlich zugänglich. Genauso wie die monumentale Treppe, die den Charakter des Hauses ausmacht und nicht nur zur Erschließung dient, sondern auch als Aufenthaltsort.
Eine der größten Herausforderungen bei der Wiederverwendung bestimmter Bauelemente betraf das Tragwerk der Treppe. Dabei ging es nicht nur um das Recycling der Materialien, sondern auch darum, die bestehende Struktur zu bewahren. Die Geschossdecken wurden aufgeschnitten und als Treppenanlagen nach unten geklappt. Dadurch wurde aber der Bewehrungsstahl durchtrennt, der seine Spannung verlor. Doch gemeinsam mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren von ABC Consulting Engineers konnte eine Methode entwickelt werden, den Stahl nicht nur für Möbelstücke zu recyceln, sondern auch konstruktiv weiter zu nutzen.
Zu den technischen Herausforderungen gehörte auch die Anpassung an gegenwärtige Brandschutz- und Akustikanforderungen. Ein Sprinklersystem wurde installiert, um die Brandschutzvorgaben zu erfüllen. Ein weiterer zentraler Aspekt war die Erweiterung des Gebäudes um 1,5 Meter auf der Rückseite. Dies ermöglichte nicht nur neue Installationen für Belüftung und Infrastruktur, sondern auch die Vermeidung statischer Probleme, die durch das Schneiden der größeren Öffnungen in der Bestandsstruktur entstanden wären.
Ein zentrales Prinzip des Projekts war es, Gestaltungsentscheidungen so lange wie möglich offen zu lassen, um sie vor Ort an die Materialien und Umgebung anpassen zu können. So wurden beispielsweise die Farben der neuen Elemente erst in späten Bauphasen entschieden, um sicherzustellen, dass sie harmonisch mit den bestehenden Materialien interagieren: Die neuen Türen sind unbehandelt, um mit ihrer natürlichen, warmen Farbgebung einen Kontrast zur kühleren Architektur des Bestands zu setzen. Die Stahlkonstruktionen haben dieselbe Farbe wie die alten Heizkörper.
Pihlmann erklärt: „Architektur ist ein fortlaufender Prozess, keine abgeschlossene Arbeit. Deshalb müssen wir flexibel bleiben und Entscheidungen erst vor Ort treffen.“ Und betont außerdem, dass seine Generation Architektur nicht mehr als statisches Endprodukt, sondern als dynamischen Prozess betrachtet. „Wir müssen lernen, Werte in Dingen zu erkennen, die tradi-tionell als wertlos gelten“, sagt er. Dies gilt sowohl für Materialien als auch für Bauprozesse. Während des Umbaus wurde darauf geachtet, die Vorgänge nicht zu verstecken, sondern transparent zu gestalten. „Unsere gesamte Denkweise hat einen sehr nachhaltigen Ansatz – nicht, weil wir entscheiden, ob etwas nachhaltig ist oder nicht, sondern weil das einfach unsere Arbeitsweise ist. Ich bin kein großer Fan davon, nur mit Daten, Zahlen und Vorschriften zu argumentieren. Am Ende geht es darum, Räume zu schaffen, die für Menschen interessant zum Leben und zum Verweilen sind. Wenn das nicht gelingt, spielt der Rest eigentlich keine Rolle.“
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