Bauwelt

Ökologische Gesetzesmaschinen

Ohne gesetzliche Regelung wäre die Energieeinsparung ein Luftschloss, angewiesen auf den Goodwill von Bauherren mit großem Geldbeutel und ökologischem Herz. Die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte musste sich ihre Sicht auf die sinnvollen Möglichkeiten technischer Neuerungen in Abhängigkeit zu den energiepolitischen Grundsatzentscheidungen erst mühsam erarbeiten. Der Weg vom Mindestwärmeschutz der ersten WSVO in den späten siebziger Jahren zum Nullenergiegebäude der heutigen EnEv war steinig. Inzwischen ist aus der EnEv ein hyperkomplexes Werkzeug geworden, das die Architektur zu überfordern droht

Text: Siegele, Klaus, Ubstadt-Weiher

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    Erster Schritt Fassadenrückbau: Asbestplatten, Dämmung, Unterkonstruktion wer- den abgenommen
    Foto: freivogel Architekten

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    Erster Schritt Fassadenrückbau: Asbestplatten, Dämmung, Unterkonstruktion wer- den abgenommen

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    Die Fassade wird bis auf die Rohbaukonstruktion entfernt, sortenreine Trennung der Materialien vor Ort
    Foto: freivogel Architekten

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    Die Fassade wird bis auf die Rohbaukonstruktion entfernt, sortenreine Trennung der Materialien vor Ort

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    Flachdachaufbau auf dem neuen Penthaus-Geschoss, mit 35 cm Dämmung für Null-Energiestandard
    Foto: freivogel Architekten

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    Flachdachaufbau auf dem neuen Penthaus-Geschoss, mit 35 cm Dämmung für Null-Energiestandard

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    Wohnturm mit Rohbau des neuen Dachgeschosses und „abgesägten“, durchbindenden Balkonplatten
    Foto: freivogel Architekten

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    Wohnturm mit Rohbau des neuen Dachgeschosses und „abgesägten“, durchbindenden Balkonplatten

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    Während der Sanierung blieb das Gebäude fast vollständig von den Ursprungsmietern bewohnt
    Foto: freivogel Architekten

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    Während der Sanierung blieb das Gebäude fast vollständig von den Ursprungsmietern bewohnt

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    Montage des neuen „Stadtregals“: Loggien vergrößern die privaten Freiflächen um mehr als das Doppelte
    Foto: freivogel Architekten

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    Montage des neuen „Stadtregals“: Loggien vergrößern die privaten Freiflächen um mehr als das Doppelte

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    Neue Mineralfaserdämmung, 2 mal 14 cm, auf bestehenden Durisol-Wänden
    Foto: freivogel Architekten

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    Neue Mineralfaserdämmung, 2 mal 14 cm, auf bestehenden Durisol-Wänden

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    Montage der neuen Betonwerkstein-Platten. Sie wurden „gestapelt“, d.h. auf Punktfundamente gesetzt

    Foto: freivogel Architekten

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    Montage der neuen Betonwerkstein-Platten. Sie wurden „gestapelt“, d.h. auf Punktfundamente gesetzt

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    Die Plattengrößen der neuen Fassade, in der Regel 3 auf 5 Meter, reduzierten die Montagezeit
    Foto: freivogel Architekten

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    Die Plattengrößen der neuen Fassade, in der Regel 3 auf 5 Meter, reduzierten die Montagezeit

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    Kurz vor dem Gerüstabbau am Tage der Windradmontage
    Foto: freivogel Architekten

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    Klimakonzept von Transsolar Stuttgart, TGA-Planung von igp, Pforzheim
    Foto: Dietmar Strauß

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    Klimakonzept von Transsolar Stuttgart, TGA-Planung von igp, Pforzheim

    Foto: Dietmar Strauß

Ökologische Gesetzesmaschinen

Ohne gesetzliche Regelung wäre die Energieeinsparung ein Luftschloss, angewiesen auf den Goodwill von Bauherren mit großem Geldbeutel und ökologischem Herz. Die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte musste sich ihre Sicht auf die sinnvollen Möglichkeiten technischer Neuerungen in Abhängigkeit zu den energiepolitischen Grundsatzentscheidungen erst mühsam erarbeiten. Der Weg vom Mindestwärmeschutz der ersten WSVO in den späten siebziger Jahren zum Nullenergiegebäude der heutigen EnEv war steinig. Inzwischen ist aus der EnEv ein hyperkomplexes Werkzeug geworden, das die Architektur zu überfordern droht

Text: Siegele, Klaus, Ubstadt-Weiher

Architekten und Verordnungen pflegen ein zwiespältiges Verhältnis zueinander – kein Wunder, denn welcher kreative Kopf mag sich schon vorschreiben lassen, wie er zu denken und zu gestalten hat? Schlimm genug, dass man sich beim Entwerfen mit statischen Vorgaben und bauphysikalischen Einflüssen rumzuschlagen hat, schreibt der Gesetzgeber seit Mitte der siebziger Jahre als Reaktion auf die Ölkrise den Planern doch vor, den Energiebedarf ihrer Gebäude in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen zu begrenzen.
Bis dahin galt der Mindestwärmeschutz als Maß der Dinge. Ein Begriff, der erstmals um 1920 im Bauwesen kursierte, um den hygienischen Missständen im Wohnungsbau zu begegnen, aber erst in der DIN 4108 Wärmeschutz im Hochbau konkret formuliert und festgeschrieben wurde. Wie wenig diese Norm tatsächlich dazu beitrug, einen Wärmeschutz im heutigen Sinne von den Planern einzufordern, zeigt die Architektur der fünfziger und sechziger Jahre: Ungedämmte Massivbauten mit sichtbarer Betontragstruktur und auskragenden Balkonplatten, die von Wärmebrücken nur so strotzten, und an deren zugigen Fenstern im Winter die Eisblumen mahnten, doch bitte die Zentralheizung (noch) höher zu drehen. Energie war billig, weshalb sich weder Politik noch Gesellschaft darum scherten, wie viel davon vergeudet wurde. Getreu dem Credo von Ludwig Erhard („Wohlstand für alle“) wurde alles dafür getan, dass die Wirtschaft brummt, bis schließlich die OPEC dem Ganzen ein Ende setzte. Quasi über Nacht schoss der Ölpreis im Oktober 1973 um mehr als siebzig Prozent nach oben, was Land und Leute in Panik versetzte. Unvergessen die vier autofreien Sonntage – man stelle sich das heute mal vor! – nebst genereller Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen und Landstraßen. Ein ministerialer Erlass verfügte, dass die Temperatur in Amtsstuben auf 20 °C zu drosseln sei, und das Bundeswirtschaftsministerium rief mit dem Slogan „Energiesparen – unsere beste Energiequelle“ eine Kampagne ins Leben, damals wie heute aktuell, wo Kinder mit dem SUV zur Schule gefahren werden.
Sieben Seiten für die erste Wärmeschutzverordnung
 Freiwillig Energie zu sparen – darauf waren jedoch weder Wirtschaft noch Gesellschaft konditioniert, weshalb es dringend entsprechender Gesetze bedurfte. So verabschiedete die damalige sozialliberale Regierung am 1. November 1977  die erste Wärmeschutzverordnung (WSVO) auf der Grundlage des 1976 beschlossenen Energieeinsparungsgesetzes (EnEG). Architekten hatten sich fortan mit dem k-Wert von Bauteilen auseinan-derzusetzen, der im Mittel für Außenwände und Fenster geschossweise 1,85 W/(m2K) nicht überschreiten durfte. Auf sieben DIN A4-Seiten, zuzüg-lich vier Anlagen, stand in 15 Paragrafen erstmals geschrieben, wie der Energiebedarf von Neubauten soweit zu senken sei, dass sich Otto Normalverbraucher das Befüllen seines Öltank noch leisten kann, um nicht in seinen vier Wänden zu erfrieren. Damals sprach noch niemand von Klimawandel, CO2-Begrenzung und Ressourcenknappheit. Diese Hintergründe spielten erst bei den Novellierungen 1984 und 1995 zunehmend eine Rolle, nachdem die 1983 konstituierte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) mit Sekretariat in Genf ihre Arbeit aufgenommen hatte und mit dem Brundtland-Bericht erstmals das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung proklamierte.1
So gesehen steht die Entwicklung der Wärmeschutz- hin zur Energieeinsparverordnung (EnEV) für unterschiedliche Erkenntnisse unserer Lebensgrundlage: Angefangen bei hygienischen Missständen zwang danach die Abhängigkeit vom Öl, verbunden mit der Angst vor einer erlahmenden Wirtschaft und schwindendem Wohlstand, den Gesetzgeber zum Handeln. Hinzu kam mit jeder weiteren Ölpreiserhöhung und der Ökobewegung der achtziger Jahre die Einsicht, dass die fossilen Energieträger nicht endlos verfügbar sind und der CO2-Ausstoß den Treibhauseffekt mehr anheizt, als Mensch und Natur lieb sein kann. Das Selbstverständnis der Architekten blieb davon nicht verschont. Die waren es gewohnt, dass ihnen nur der Statiker mit seinen ql2/8-Vorgaben in die Parade allzu expressionistischer Entwürfe fuhr. Kaum hatten sie in den neunziger Jahren dann verdaut, dass ihnen bei Aufträgen ab einer gewissen Größenordnung ein Projektmanager zur Seite gestellt wurde, mussten sie mit Inkrafttreten der ersten Energieeinsparverordnung 2002 nicht nur dafür Sorge tragen, dass ihre Gebäude mit 30 Prozent weniger Energiebedarf gegenüber der WSVO 1995 auskommen. Auch das normative Berechnungsverfahren gestaltete sich komplexer, da in die Forderungen der EnEV 2002 auch die der Heizanlagenverordnung einflossen, was plötzlich die Anlagentechnik bei der Gebäudeplanung ins Spiel brachte. Mit der Novellierung 2004 kam es lediglich zu geringfü-gigen Änderungen und Anpassungen, jedoch zu keiner Verschärfung der Anforderungen.
Auch die EnEV 2007 hielt sich diesbezüglich zurück, jedoch kam mit dieser Fassung erstmals der Energieausweis ins Spiel, auf Druck der Wohnungswirtschaft und von Immobilienbesitzern in zwei Varianten: dem Bedarfs- und Verbrauchsausweis. Der Druck der Lobbyisten machte das Ansinnen des Gesetzgebers zunichte, die Energieeffizienz der Gebäude vergleichbar darzustellen und so über den Markt Einfluss auf den Energieverbrauch der Gebäude zu nehmen. Stattdessen schickte man einen zahnlosen Tiger ins Rennen, dem der Bundesbauminister gleich noch höchstpersönlich die Krallen stutzte, indem er öffentlich dafür eintrat, dass ein Energieausweis im Prinzip „für umme“ zu haben sein müsse. Dass zu solchen Konditionen keine brauchbare energetische Bewertung eines Gebäudes – egal ob Bestand oder Neubau – zu erwarten ist, war jedem Fachmann klar. Außer vielleicht den Architekten, die es nach wie vor lieber dem Tragswerksplaner, Bauphysiker oder Energieberater überließen, den Wärmeschutznachweis zu führen. Nur wenige beschäftigten sich mit der Materie und waren in der Lage, die entsprechenden Berechnungen für ein Einfamilienhaus selbst vorzunehmen.
Das ist einerseits ein Trauerspiel, andererseits aber auch nachvollziehbar. Für größere Projekte, insbesondere Nichtwohnungsbauten, hatte sich das Nachweisverfahren inzwischen zu einem undurchschaubaren Formelkonvolut entwickelt, in das neben dem Heizwärmebedarf auch jener für Kühlung und Beleuchtung sowie eine komplexe Anlagentechnik einflossen und das bis heute nur mit entsprechender Software beherrschbar ist. Die Konsequenz daraus war eine weitere Aufteilung der planerischen Aufgaben, was so einfach wie sinnvoll nun wieder auch nicht ist, denn ein schlüssi-ges Energiekonzept greift nicht weniger in Entwurfsfragen ein als ein Tragwerkskonzept. Architekten, die sich mit den Inhalten der EnEV und den Berechnungsverfahren nicht oder nur am Rande auskennen, tun sich daher schwer in der Entwicklung und Bewertung der Konzepte. Natürlich ist die EnEV mit ihren aktuell 90 Seiten, 31 Paragrafen und elf Anlagen schwere Kost, aber ein „nearly-zero-energy-building“, immerhin das erklärte Ziel für 2020, ist nun mal nicht mit ein bisschen dickerer Dämmung und einer Dampfbremse zu haben.
Nicht wenige Architekten befürchten deswegen noch immer, dass die EnEV dem Anspruch an gute Architektur entgegensteht und unsere Baukultur bedroht – Stichwort Dämmwahn. Bei den oft hitzig geführten Debatten um Sinn und Unsinn von Wärmedämmung, die Notwendigkeit von Lüftungsanlagen und die Relevanz der Energieeffizienz steht die EnEV regelmäßig im Kreuzfeuer der Kritik: Den einen geht sie mit ihren Forderungen nicht weit genug, die anderen beklagen, sie fördere einseitig die Technokratisierung und vernachlässige dabei soziale, kulturelle und ästhetische Aufgaben, welche eine qualitätvolle Architektur ja auch zu erfüllen habe. An diesem Punkt sei die Frage erlaubt, was denn die EnEV bisher geleistet oder vermasselt hat?
Untergangsszenarien, die nicht eintrafen
Sowohl die Einführung der ersten WSVO mit ihren moderaten „Verschärfungen“ in den folgenden zwanzig Jahren bis 1995 als auch die Regelungen der EnEV, die stets von Lobbyisten wirkungsvoll gezügelt wurden, empfanden Architekten und Bauindustrie gleichermaßen als existenzielle Bedrohung ihres Schaffens und ihrer Märkte. Weshalb Kammern und Verbände im Namen ihrer Mitglieder bei jeder Neufassung mit phantasiereichen Untergangsszenarien um die Wette trommelten. Die ersten Passivhäuser galten als Beleg für die ideenlose Kistenarchitektur, die sich bleiern über das Land legt, wenn Ingenieure energieeffizient zu entwerfen beginnen oder mit dem Wärmeschutznachweis auf den gestalterischen Einfluss pochen. Und wer erinnert sich nicht an die Befürchtung der Ziegelindustrie, ein U-Wert jenseits der 0,5 W/(m2K), wie er in der WSVO 1995 festgeschrieben war, bedeute den Untergang der einschaligen Wand? Das Wärmedämmvermögen heutiger Fenster, Wände und Dächer hat sich gegenüber den damaligen Forderungen nahezu verdoppelt – lag der U-Wert der Außenwand 1995 noch zwischen 0,5 und 0,3 W/(m2K), erreichen heutige Konstruktionen 0,15 bis 0,1 W/(m2K). Preisgekrönte Passivhausarchitektur wie zum Beispiel das neue Kunstmuseum in Ravensburg von Lederer+Ragnarsdóttir+Oei oder das Nullenergiehaus von Norbert Fisch in Leonberg belegen, dass sich Energieeffizienz durchaus mit hochwertiger Architektur und klassischen Bauweisen in Einklang bringen lässt.
Das im Jahr 1977 noch undenkbare Ziel, Häuser könnten mehr Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen, ist heute so greifbar, dass Energiekonzerne damit beginnen, ihre Unternehmensstrategie daran auszurichten. Deutsche Universitäten haben mit Unterstützung von Industrie und Forschung zwei Mal den Solar Decathlon gewonnen. Einem Passivhaus sieht man seine Energieeffizienz heutzutage nicht mehr an, es sei denn, der Auftraggeber will damit seine Nachhaltigkeitsphilosophie bewusst zur Schau stellen.
Ob dieser Weg ohne Verordnung zum Wärmeschutz und zur Energieeinsparung schon so weit beschritten wäre, darf man bezweifeln. Trotzdem funktioniert vieles noch nicht so, wie es gedacht war oder wie es funktionieren müsste, um die klar formulierten Klimaschutzziele und das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung zu erreichen: Der Energieausweis wurde mit der EnEV 2014 zwar gestärkt, weil er inzwischen ausgehän-digt beziehungsweise ausgehängt werden muss und in Immobilienanzeigen die ermittelten Werte aufzuführen sind – solange es aber den Bedarfsausweis geben darf, bleibt er weiterhin ein zahnloser Tiger, der weder Vermieter noch Immobilienmakler schreckt – ein politisches Versagen, ähnlich wie bei der Mitpreisbremse.
Neue Logik einer vereinfachten EnEV?
Die Sanierung des Gebäudebestands, dessen energetischer Standard im Schnitt gerade mal das Niveau der siebziger Jahre erfüllen dürfte, hat zweifellos das größte Potenzial an Energieeffizienz aufzuweisen und wird von der EnEV doch am meisten verschont. So dümpelt die Sanierungsquote seit Jahren im 1-Prozent-Modus vor sich hin, zumal auch marktwirtschaftliche Anreize fehlen. Zertifizierungssysteme wie DGNB, LEED oder BNB, die sich neben der Energieeffizienz auch dem nachhaltigen Bauen insgesamt verschrieben haben, kommen über den Leuchtturmstatus ihrer Projekte nicht hinaus, weil das Verfahren sehr komplex, aufwändig und teuer ist. Eine Zertifizierung ist ein freiwilliges Marktinstrument, das nur bei bestimmten Voraussetzungen Anreize setzt, um die Nachhaltigkeit von Gebäuden zu forcieren. Steht am Horizont kein Gewinn, sind dafür nur Idealisten zu begeistern – so sind nun mal die Gesetze der Marktwirtschaft. Hinzu kommt, dass jenseits des Wohnungsbaus Geldgeber, Konzerne und Unternehmen ihre Investitionen in die Energieeffizienz binnen drei bis fünf Jahren amortisiert sehen wollen – längere Zeiträume sind praxisfremd und kommen bestenfalls bei Familienunternehmen in Betracht.
Das sollte eine Warnung für die Gestalter der EnEV sein – ein Zertifizierungssystem wie eine Verordnung müssen neben hehren Zielen auch einer praxisgerechten und nachvollziehbaren Logik folgen und in der Breite ihre Wirkung entfalten: im Neubau ebenso wie in der Sanierung, im Wohnungsbau ebenso wie im Nichtwohnungsbau. Die EnEV ist hierfür das derzeit beste Werkzeug, allerdings noch nicht so ausgereift, wie es sein müsste, um die Energiewende zu schaffen und die bis 2050 angepeilten Margen der Klimaschutzziele zu erreichen. Die nächste Novellierung der EnEV ist für 2017 geplant. Gemäß dem EnEG 2013 muss sie die Verordnungsgrundlage für den Niedrigstenergiehaus-Standard erfüllen, der bis 2019 auf möglichst „kostenoptimalem Niveau“ für alle Neubauten gelten soll. Über Vorschläge zur vereinfachten Nachweisführung wird derzeit heiß diskutiert, ebenso sollen Quartierslösungen in die nächste EnEV einfließen. Es bleiben somit zwei bis drei Jahre, um die Energieeinsparung von Gebäuden weiter zu forcieren. Welche Auswirkungen dies auf die Architektur hat wird man abwarten müssen.
1 Brundtland-Bericht: Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, 1987

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