Bauwelt

Abgesang auf Ferdinand Kramer

Die Bauten von Ferdinand Kramer im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Als Baudirektor der Universität realisierte Kramer 23 Einzelbauten und Ensembles. Hörsaal Biologisches Camp, 1956
    Foto: Norbert Miguletz, 2015 © DAM

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    Als Baudirektor der Universität realisierte Kramer 23 Einzelbauten und Ensembles. Hörsaal Biologisches Camp, 1956

    Foto: Norbert Miguletz, 2015 © DAM

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    Das Hörsaalgebäude I von 1958
    Foto: Norbert Miguletz, 2015 © DAM

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    Das Hörsaalgebäude I von 1958

    Foto: Norbert Miguletz, 2015 © DAM

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    Das Philosophicum, fertiggestellt 1960, ist seit 2002 ungenutzt. Derzeit wird es nach Plänen von Stefan Forster zu 239 Studentenapartments umgebaut
    Foto: Ferdinand Kramer © Privatarchiv Kramer

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    Das Philosophicum, fertiggestellt 1960, ist seit 2002 ungenutzt. Derzeit wird es nach Plänen von Stefan Forster zu 239 Studentenapartments umgebaut

    Foto: Ferdinand Kramer © Privatarchiv Kramer

Abgesang auf Ferdinand Kramer

Die Bauten von Ferdinand Kramer im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Campus Bockenheim der Goethe-Universität Frankfurt, ein winterlich grauer Mittag. Würde nicht gerade eine große Menschenmenge aus dem Hörsaalgebäude Ecke Gräfstraße strömen (gefühlt die Hälfte davon gut gekleidete Senioren), vermutete man nicht, sich im saturierten Deutschland, gar seiner Finanzmetropole zu befinden. Denn seit in den 90er Jahren durch Universität und Land Hessen die Entscheidung fiel, den Campus Bockenheim perspektivisch bis 2020 aufzugeben, bietet dieser das zunehmend deprimierendere Bild baulichen Verfalls (Bauwelt 27–28.2009). Vor allem betrifft es Gebäude von Ferdinand Kramer (1898–1985), der als Leiter des Universitätsbauamtes von 1952 bis in die 60er Jahre maßgeblich für den Wiederauf- und Ausbau des kriegszerstörten Campus verantwortlich zeichnete. Kramer entwarf 23 Einzelbauten oder Ensembles für die gesamte Universität Frankfurt, lediglich fünf unter den derzeit noch verbliebenen sind als Baudenkmale anerkannt – ein Status, der jedoch auch diese nicht vor massiven baulichen Eingriffen bewahrt.
Eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt rekapituliert derzeit das architektonische Schaffen Kramers, nachdem 2014 im benachbarten Museum für angewandte Kunst sein Design für den variablen Gebrauch zu sehen war (Bauwelt 8.2014). Die thematische Beschränkung widerspricht zwar der komplexen Arbeitsweise Kramers, der sprichwörtlich vom Städtebau bis zum Aschenbecher dachte und so stets die funktionale Einrichtung seiner Räume mit einbezog, aber die Schau schält in vier chronologischen Kapiteln die geradlinige Kontinuität des Architekten Kramer seit den späten 20er Jahren heraus.
In Frankfurt geboren und nach dem Notabitur Soldat im Ersten Weltkrieg, studierte Ferdinand Kramer bei Theodor Fischer in München, der eine fortschrittliche Städtebaulehre vertrat. Ein kurzer Abstecher zum Bauhaus enttäuschte. Bis zum Eintritt in das Frankfurter Hochbauamt, 1925 unter Ernst May, entwarf Kramer Hausgerät, etwa den legendären Kramer-Ofen, ein verbreitetes Serienprodukt, und realisierte private Umbauten. Hier zeigte sich bereits seine asketische Handschrift, die nicht ohne öffentliche Kritik blieb.
Im Hochbauamt war Kramer in der Typisierung von Hausrat und Wohnungsgrundrissen tätig. 1929/30 folgte mit neun viergeschossigen Laubenganghäusern für 216 Kleinwohnungen ein Hochbau in der Siedlung Westhausen. Ähnlich wie Hannes Meyer bei seinen zeitgleichen Bauten in Dessau-Törten bildet auch Kramer die Laubengänge wie Balkone mit leichten Stahlgittern aus. Anders als Meyer integriert Kramer das Treppenhaus in die Bauzeile und definiert deren Anfang und Ende, indem er die Fenster zweier äußerer Räume in die jeweilige Giebelscheibe setzt. Diese minimale Geste schafft eine anschauliche „Funktionsform“. Die 50 Quadratmeter kleinen Wohnungen verfügten über zwei fast gleichgroße Schlafräume, durch einen raumbreiten Einbauschrank getrennt. Die fest installierte Frankfurter Küche entlastete die Nutzer zusätzlich von eigenem Inventar. Die Kramer-Wohnungen waren in Konzept und Mietkosten wohl die einzigen, die dem sozialen Anspruch des Neuen Frankfurt entsprachen, das zwischen 1925 und 1930 rund 12.000 Wohnungen und Reihenhäuser errichtete und zur Weltwirtschaftskrise endete.
Ernst May ging 1930 in die Sowjetunion, Ferdinand Kramer blieb als freier Architekt in Frankfurt. Entwürdigungen durch den Nationalsozialismus und parteikonforme Kollegen ausgesetzt, folgte Kramer 1938, nach dem offiziellen Berufsverbot 1937, seiner jüdischen ersten Ehefrau ins amerikanische Exil. Er tat sich schwer mit dem Entschluss, sah sich in Europa zuhause und ehemals ja anerkannt, fremdelte von Anbeginn mit der amerikanischen Lebensweise. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, bereits seit 1934 mit dem Frankfurter Institut für Sozialforschung in den USA, statteten ihn mit dem Bauauftrag für rund 180 freistehende Wohnhäuser auf zwei Institutsgeländen aus. Die für Kramer ungewöhnlich traditionellen Satteldachhäuser in ortsüblich elementierter Holzbauweise blieben seine einzigen realisierten Neubauten in Amerika. Er entwarf Typenhäuser und zerlegbares Mobiliar, publizierte seine Ideen, auch zusammen mit Modeentwürfen seiner Frau, in populären Magazinen.
Horkheimer und Adorno, seit 1950 wieder in Frankfurt, waren es auch, die Ferdinand Kramer zur Rückkehr ins substanziell wie intellektuell am Boden liegende Deutschland bewegten. Und wieder haderte Kramer mit seinem Entschluss, befürchtete zu Recht Argwohn und Neid der lokalen Kollegen angesichts der ihm ohne Akquiseaufwand zufallenden Bauaufgaben der Universität. Als symbolisch erste Handlung schlug er 1953 das neue Portal in das neobarocke Hauptgebäude: eine breit gelagerte, in die Gebäudekontur zurückgesetzte Glasfront anstelle des beengten, mit Sandsteinfiguren bekrönten Portikus. Kramers klare Lösung polarisierte, auch in folgenden Bauten. Er stapelte Hörsäle, verschränkt im gegenläufigen Profil, zeigte sichtbare Skelettkonstruktionen aus Beton oder Stahl und eine reduzierte Farbigkeit sowie gedämpfte Materialität. Nicht aus purer Not geboren, postulierte die asketische Feinheit seiner Bauten eine elementare Eleganz und neuerlich die Funktionsform ohne Pathos und Dekor. Aber diese Haltung widerlief einem (neuen) Bedürfnis nach Opulenz, das ein plumpes und hässliches Volk voll dicker Menschen, so Kramer einmal, nun einforderte. Der notorisch mangelhafte Bauunterhalt der öffentlichen Hand tat das seinige zur erodierenden Akzeptanz seiner Bauten.
Und so erfreut am morbiden Campus einzig das auch energetisch sensibel ertüchtigte Institut für Pharmazie. In denkmalgerechter Funktionskontinuität dient es der benachbarten Senckenberggesellschaft als Klimaforschungszentrum. Kaum denkmalgerecht schreitet indes der Umbau des gleichfalls geschützten Philosophicums zu 239 Apartments voran: Die zwei markant freigestellten Erschließungstürme des Bestandes versacken zukünftig in einem über die gesamte Länge vorgestellten, fünf Geschosse
hohen neuen Baukörper.

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