Chaos-Bewältigung
Eine Ausstellung über Systemdesign in Köln
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Chaos-Bewältigung
Eine Ausstellung über Systemdesign in Köln
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Das Gestalten in Systemen erreichte in den 60er Jahren seinen Höhepunkt. An Spielzeugen, Möbeln, Gebrauchsgütern oder Grafik lässt sich ablesen, wie hier der gestalterische Wille des späten Bauhauses zu sachlichen, industriell hergestellten Produkten vollendet wurde. Zur Definition des Begriffs Systemdesign präsentiert das Kölner Museum für Angewandte Kunst auch ideelle Vorläufer und Nachfolger und kontrastiert diese mit autarken Formen wie etwa der allgegenwärtigen Konturflasche von Coca-Cola.
Der zeitliche Schwerpunkt der Ausstellung führt unweigerlich zur Hochschule für Gestaltung Ulm, die sich auch als Fortsetzung des Bauhauses verstand. „denken in systemen war wohl eine, wenn nicht zunehmend die hervorragendste eigenschaft der ulmer schule“, stellt der Entwerfer des ausgestellten Stapelgeschirrs TC100 Hans „Nick“ Roericht retrospektiv fest. Und Hans Gugelot, der in Ulm lehrte, trug mit seiner in Komponenten gestalteten Unterhaltungselek-tronik zum Erfolg der Firma Braun ebenso bei wie der Absolvent Reinhold Weiss mit Haushaltsgeräten (Der „Schneewittchensarg“ ist einer der „12 Gegenstände“, die bis zum 25. Oktober in einer Ausstellung im HfG-Archiv Ulm, nahezu 100 Jahre Industriedesign erzählen; www.hfg-archiv.ulm.de). 1960 trat ihr späterer Chefdesigner Dieter Rams mit dem Regalsystem „606“ hervor, das durch grenzenlos mögliche Erweiterungen mit dem rund zehn Jahre älteren „String“ von Kajsa und Nisse Strinning und dem ebenfalls zuvor erhältlichen „Spazio Office System“ des Architekturstudios BBPR verwandt ist. Erst 1963 folgte das konstruktiv eingängige, jedoch schwere „USM Haller“ des Architekten Fritz Haller.
Abseits dieser eine Ära kennzeichnenden Produkte stehen populäre Spielzeuge wie Lego und Fischertechnik, die seinerzeit ihren Durchbruch hatten, und Kindern bis heute, bevor diese elektronischen Geräten verfallen, ein Gefühl für Körperlichkeit bzw. für Mechanik vermitteln. Ebenfalls ausgestellt sind Grafiksysteme, so die Gestaltung der Taschenbücher des Suhrkamp Verlags von Willy Fleckhaus, deren unifarbenen Umschläge unverwechselbar sind. Bis heute vorbildhaft ist auch das visuelle Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972 in München vom Team Otl Aicher, denn es wurde sowohl abstrakt-zeichenhaften als auch körperlich-sinnlichen Anforderungen gerecht.
Für systematische Konzeptionen in der Architektur stehen in der Ausstellung die so genannte „Hortenkachel“, die Egon Eiermann als Grundeinheit für die abstrakte Wabenfassade der Kaufhäuser entworfen hat, sowie die Tragkonstruktion von Frei Otto und Rolf Gutbrod für den deutschen Expo-Pavillon in Montreal 1967.
Einige Exponate würden wie beim Aufbau vergessen wirken, wären sie nicht auf den Sockel gehoben, derart geläufig sind die Europool-Flachpalette, die seit 1966 als Gebrauchsmuster geschützt ist, oder der stapelbare Getränkekasten. Nicht nur damit beweist die Ausstellung, wie nachhaltig das Gestalten in Systemen ist. Während viele später entworfene, durchaus erfolgreiche Objekte nicht mehr in Produktion sind, werden die meisten Exponate – sofern sie nicht vom technischen Fortschritt überholt wurden – unverändert hergestellt.
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