Neu. Bekannt
Bericht von der Möbelmesse Köln
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Neu. Bekannt
Bericht von der Möbelmesse Köln
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Die Aussteller auf der imm cologne und den PASSAGEN schienen zu „merkeln“, jugendsprachlich ausgedrückt. Überraschende oder gar programmatische Konzepte waren rar auf der diesjährigen Möbelmesse in Köln. Die Neuheiten wirkten wie Personen, die einem von früheren Begegnungen her bekannt vorkommen. Vertraute Formen und Materialien oder auch erneut aufgelegte Entwürfe sorgten immerhin für Vertrauen in die Objektwelt – und für Bewegung.
Gestalterisch präzise, wenngleich ein wenig angejahrt wirkend – so lässt sich der Schaukelstuhl D 866 F charakterisieren. Als Ergebnis einer Marktrecherche ergänzt er seit jüngstem das Lounge-Programm 860, mit dem Thonet seine Bugholz- und Stahlrohrkollektion um eine in Eiche, Esche und Nussbaum gefertigte Sitzgrup-pe erweitert hatte. Zu dieser hat sich die junge Designerin Lydia Brodde von Entwürfen aus dem hauseigenen Archiv anregen lassen. Der Radius der Kufen entspricht dem berühmter Vorgänger bei Thonet, zeitgemäß sorgt ein eingelegtes Kunststoffprofil für geräuschfreies Abgleiten.
In ähnlich konservativer Erscheinung, funktional freilich in der Gegenwart verortet und fit in seiner Handhabbarkeit kommt das Regalsystem VIVA daher. Die Quader mit einer Dimension von 70 x 35 x45 Zentimetern (Länge, Tiefe, Höhe) lassen sich bis zu sechsfach übereinander stapeln, ohne verschraubt oder an einer Wand justiert werden zu müssen. Deshalb nannte Henning Bögershausen seinen Entwurf „stack“. Das von FORMvorRat vertriebene System besteht aus massiven Eichenrahmen, deren auf Gehrung verleimte Ecken die Ausbildung des Hamburger Designers als Tischler verraten. Die Böden und Seitenwände bestehen aus MDF, passend zu den Rahmen furniert oder kontrastierend lackiert in Weiß oder Anthrazit.
Aus Holz sind auch die Verbindungsstücke der Pendelleuchte „Bakmak“, deren kugelförmige Spots allerdings an Protagonisten von „Raumpatrouille Orion“ erinnern, die frei von begrenzten Ressourcen und Umweltauswirkungen in die Zukunft strebten. Florian Saul entwickelte mit magnetischen Elementen eine stufenlos zu arrangierende Leuchte, die flexibel Lichtakzente setzen kann. Sie entstand während eines Aufenthalts mit Kollegen in Istanbul in unmittelbarer Zusammenarbeit mit Kleinherstellern – ein Prozess, wie er in Deutschland kaum mehr vorstellbar ist.
Die Stiftablage „Meterware“ wird jeder als dienstbare, konstante und formal unaufdringliche Hilfe erkennen, dessen Arbeitsplatz überquillt. Getreu dem Motto „Etwas schaffen, das sich visuell nicht abnützt“ bestückt Wolfgang Hartauer ein Aluminiumprofil mit individuell wählbaren, reizvoll im Kontrast zum Metall stehenden Einsätzen aus wahlweise Eiche oder amerikanischem Nussbaum. Lochblock und Kartenhalter konzentrieren notwendige Utensilien wie Stifte, Visitenkarten, Klammern und ähnliches. Ein Flies unter den Einsätzen sorgt für ein leichtes, kratzerfreies Verschieben.
So selbstverständlich, als sei er schon immer im der Moderne verpflichteten Programm von TECTA gewesen, zeigt sich der ebenfalls von Hartauer entworfene Tisch K 8. Auf einem Zylinder lässt sich die kreisrunde Tischplatte geräuschlos und leicht in jede Richtung drehen, dank einer Edelstahlspindel, die in einem Gleitlager steckt. Der Fuß, dessen breitere Ausführung als Stauraum etwa für Flaschen dienen kann, besteht aus übereinandergesetzten Ringen aus MDF, das entweder durchgefärbt oder mit FENIX beschichtet ist. Auf dem Nanotech-Material, das kaum reflektiert und damit extrem matt wirkt, bleiben keine Fingerabdrücke zurück und ist es extrem widerstandsfähig – geradezu kongenial für Geometrie und Nutzen dieses Tisches.
Unauffällig und ein wenig altmodisch von außen, doch innen voller Leben ist das Glove Cabinet, das der Däne Finn Juhl (1912–1989) für seine Frau kreierte. Die Musikverlegerin hatte ein Faible für Handschuhe, die sie wohlgeordnet verstauen wollte, weshalb Juhl die Schubladen mit Farben nach Goethes Lehre versah. Das Original steht im Schlafzimmer seines selbst entworfenen, öffentlich zugänglichen Wohnhauses im Kopenhagener Stadtteil Charlottenlund. Einer „Grande Dame“ entsprechend erfolgt die Neuauflage des Schränkchens auf Einzelbestellung in geölter japanischer Kirsche mit Beschlägen aus poliertem Stahl und massiven Messingrollen. Man wünscht, dass derlei Qualitäten in einer zunehmend vom „Smombie“, das Jugendwort 2015 für einen nur aufs Smartphone Konzentrierten, eingenommenen Welt weiterhin bekannt bleiben.
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