Bauwelt

Schostakowitsch in der Paketposthalle

Wohin soll der neue Münchner Konzertsaal? Ins historische Zentrum, an den Ostbahnhof oder besser an den westlichen Stadtrand? Fünf mögliche Standorte sind im Gespräch. Unsere Autorin hat einen Favoriten

Text: Heinich, Nadin, München

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    Einst Paketposthalle, jetzt Klimahülle für ein Briefzentrum, künftig Konzerthalle? Aus 1582 Betonfertigteilen ist die 146 x 124 Meter große, bis zu 30 Meter hohe Konstruktion gefügt.
    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Einst Paketposthalle, jetzt Klimahülle für ein Briefzentrum, künftig Konzerthalle? Aus 1582 Betonfertigteilen ist die 146 x 124 Meter große, bis zu 30 Meter hohe Konstruktion gefügt.

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    Erbaut wurde die Halle 1965–69 nach Plänen von Rudolf Rosenfeld, Herbert Zettel, Ulrich Finsterwalder und Helmut Bomhard.
    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Erbaut wurde die Halle 1965–69 nach Plänen von Rudolf Rosenfeld, Herbert Zettel, Ulrich Finsterwalder und Helmut Bomhard.

    Foto: Stefan Müller-Naumann

Schostakowitsch in der Paketposthalle

Wohin soll der neue Münchner Konzertsaal? Ins historische Zentrum, an den Ostbahnhof oder besser an den westlichen Stadtrand? Fünf mögliche Standorte sind im Gespräch. Unsere Autorin hat einen Favoriten

Text: Heinich, Nadin, München

Jetzt also wirklich. Im Herbst soll die Entscheidung für den Standort des neuen Konzertsaals in München fallen. Diskutiert wird seit über zehn Jahren. 38 Standorte wurden bisher vorgeschlagen. Fünf werden nun in einer vom Bayerischen Wissenschaftsministerium beauftragten Machbarkeitsstudie vom Frankfurter Büro Albert Speer & Partner untersucht: der Finanzgarten, der Apothekerhof in der Residenz, der Olympiapark, das neu entstehende Werksviertel im Osten und die Paketposthalle im Westen der Stadt. Es könnte, je nach Wahl des Standorts, eine der interessantesten architektonischen und städtebaulichen Aufgaben der nächsten Jahre werden.
To cut a long story short
In München sind zwei international renommierte Spitzenorchester ansässig, die Münchner Philharmoniker, mit Hausrecht im Gasteig, und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Letzteres pendelt mit großem physischem und finanziellem Aufwand zwischen seinem Hauptspielort, dem eigentlich zu kleinen Herkulessaal, und dem Gasteig. Im September 2007 wurde schon einmal ein Konzertsaalwettbewerb entschieden, für das Gelände des Marstalls hinter der Residenz, der Siegerentwurf später verworfen. Seither tauchten immer wieder neue Standortvorschläge auf – und Argumente dagegen. Im Frühjahr dieses Jahres dann die Entscheidung für die „Zwillingslösung“ im Gasteig: Nach Umbau sollten beide großen Orchester dort ihre Heimat finden. Auch das wieder verworfen (Bauwelt 15). Saniert werden muss der Gasteig trotzdem, laut Stadtratsbeschluss ab 2020. Politiker schätzen die Dauer der Sanierung auf zwei, Fachleute auf sieben Jahre. Da es bisher kaum alternative Spielstätten für die großen Orchester gibt, würde das Musikleben in München für Jahre brach liegen. Jetzt sind sich die Stadt und das Land Bayern sicher: München braucht einen neuen Konzertsaal. Baubeginn 2018, Fertigstellung 2020. Sportlicher Zeitplan.
Bilder von Stadt
Jeder der fünf Standorte zeichnet ein ganz eigenes Bild von Stadt, eine andere Perspektive für München. Ein Konzertsaal im Apothekerhof oder am Finanzgarten, zwischen Hofgarten und Englischem Garten gelegen, wäre die gediegenste Lösung. Mitten im historischen Zentrum mit Odeonsplatz, Maximilianstraße etc. Im Falle des Apothekerhofs würde ein Konzertsaal in den Hof gebaut, der verbleibende Platz mit einem Glasdach überdeckt werden. Bei einer vom Verein Konzertsaal München e.V. finanzierten Vorstudie ergaben sich jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich Brand- und Denkmalschutz. Beim Finanzgarten, Gartendenkmal im Sinne des bayerischen Denkmalschutzes, ist mit enormen öffentlichen Protesten zu rechnen, da massiv in die Grünfläche eingegriffen werden müsste.
Solitär im Olympiapark: Hier müsste es ein neuer Konzertsaal mit Coop Himmelb(l)au aufnehmen. Am möglichen Standort am Mittleren Ring, gegenüber der BMW-Welt, befindet sich heute eine Eissporthalle, die von der Eishockeymannschaft EHC Red Bull genutzt wird. Dafür bräuchte man Ersatz, Red Bull müsste sich mit dem FC Bayern einigen. Dass dies schnell geschieht, galt zuletzt als unwahrscheinlich.
Fabrikcharme: Mit dem Werksviertel am Münchner Ostbahnhof entsteht gegenwärtig ein neues Stadtviertel. Bis Anfang der 90er Jahre befanden sich hier die Knödelproduktion von Pfanni sowie Werke von Optimol und Zündapp. Mit der Verlagerung der Produktion wandelte sich das Areal zum Ausgehviertel. Ab 1996 wurden die Industriegebäude unter dem Namen „Kunstpark Ost“ von rund 30 Clubs, Bars, Ateliers und Restaurants zwischengenutzt, dann als „Kultfabrik“ fortgeführt. Jetzt soll hier ein Viertel zum Leben, Wohnen und Arbeiten, für Kunst und Kultur entstehen. Die städtebauliche Planung liegt seit fünf Jahren in der Verantwortung von Steidle Architekten. Man spürt den Charme der Fabriken, die Spuren der Vergangenheit, alles ist ein bisschen abgerockt. In München ist das selten. Die Werksgebäude bleiben erhalten, ebenso Institutionen wie Tonhalle und Nachtkantine. Zusätzlich sollen Restaurants, Hotels, Künstlerateliers und Büros, u.a. für Start-ups, angesiedelt werden. Schon 2016 könnte hier mit dem Bau des neuen Konzertsaals begonnen werden.
Weiterbauen statt Neubau: Die Paketposthalle im Westen Münchens, an der Friedenheimer Brücke, ist ein verborgenes Juwel. Die Schalenarchitektur aus den 60er Jahren war mit einer Spannweite von 148 Metern und einer Länge von 124 Metern bei ihrer Errichtung das weitestgespannte Bauwerk der Welt. Als die Post in den 90er Jahren den Paketumschlag modernisierte, versuchte sie, die Halle zu verkaufen. Erfolglos, weil zu riesig. Eher provisorisch wurde ein Briefzentrum eingebaut, in dem heute täglich 4,5 Millionen Briefe sortiert werden. Unter dem Dach des denkmalgeschützten Gebäudes könnten mehrere Konzertsäle integriert, das heutige „Sondergebiet Post“ könnte zu einem neuen, von der Musik geprägten Stadtviertel entwickelt werden, mit Wohnungen, Gastronomie, Hotels und einem neuen Ort für die Musikhochschule.
Das größte Potenzial
München wächst. Von 2013 bis 2030 wird ein Bevölkerungszuwachs von 15,4 Prozent erwartet. Die Einwohnerzahl würde dann bei 1,7 Millionen liegen. Bereits heute ist das eine, einzige Zentrum zu klein. Im Hinblick auf die Standortoptionen ist es München zu wünschen, dass die Mitte nicht noch weiter „vergoldet“, sondern die Chance genutzt wird, mit einem neuen Konzertsaal einen neuen kulturellen Bezugspunkt abseits der historischen Mitte zu schaffen. Die möglichen Standorte im Osten und Westen der Stadt sind Projekte privater Investoren. Das Werksviertel wäre wohl die schnellere Lösung. Hier gibt es schon ein urbanes Gefüge. Mit der Industriearchitektur wäre die Tonalität gesetzt, die Geschichte des Ortes würde fortgeschrieben, Klassik würde auf Nachtclub treffen. Eine ungewohnte Mischung für München. Das Werksviertel funktioniert aber auch ohne Konzertsaal.
Im Fall der Paketposthalle müsste das Stadtviertel erst geschaffen werden, und die Post muss umziehen. Andererseits wird die Post sowieso umziehen müssen, nicht unbedingt jetzt, aber in 15 oder 20 Jahren, weil die Wohnbebauung der umgebenden Viertel immer näher an das Sondergebiet heranrückt. Vielleicht ist das jetzt eine einmalige Chance, eine gute Nachnutzung für die spektakuläre Halle zu finden. Und vielleicht sind es heute ohnehin nicht mehr egozentrische Neubauten, sondern intelligente Umnutzungen, die zu Architekturikonen werden. Die Paketposthalle zum Konzertsaal weiterzuentwickeln, wäre nicht die pragmatischste Lösung, aber das Projekt mit dem größten Potenzial für die Stadt.

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