Streit ums gemeinsame Haus
Intro
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Streit ums gemeinsame Haus
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Text: Geipel, Kaye, Berlin
Manchmal wird ein Foto im Nachhinein zum Symbol einer künftige Zeitenwende. Mit einigem Grund kann man das spektakuläre Foto des „Erdaufgangs“, 1968 von Apollo 8 aus aufgenommen, als Fingerzeig für die sich damals erst abzeichnende Klimakrise verstehen. Die Erde als strahlend schöne Kugel, deren fragile Oberfläche auseinanderzubrechen droht.
Die folgenden drei Essays sind Grundlagentexte, die von unterschiedlichen Standpunkten aus einen weiten Blick aufmachen. Den Anfang setzt Papst Franziskus, der sich mit seiner neuen Umwelt-Enzyklika „Laudato si“, die im Juni vorgestellt wurde, direkt in die politische Debatte der Weltklimakonferenz im Dezember in Paris einschalten will. Ziel seiner Intervention: den Benachteiligten der weltweiten Klimaentwicklung zu ihrem Recht verhelfen. Man kann sich als Architekt die Augen reiben, wie direkt dieser Text den Klimawandel mit der Architektur – „unser gemeinsames Haus“ – in Verbindung bringt und den heutigen Städtebau kritisiert. Viele Städte seien „große unwirtschaftliche Gefüge, die übermäßig viel Energie und Wasser verbrauchen“. Die „lastende Langeweile der Architektur“, ein Abbild des globalen Investments, wird im gleichen Zuge angeprangert. Die Verflechtung von moralischen und wissenschaftlichen Argumenten – Berater war unter anderen das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung – mag man aus säkularer Sicht kritisieren, Wirkung hat sie bereits gezeigt. Gerade in den USA schauen katholische Investoren inzwischen genauer auf die Klimabilanz ihrer Projekte.
Für Maarten Gielen, den belgischen Designer und Hochschullehrer aus Genf, ist die Politik zum Klimawandel auf dem Holzweg, wenn sie die energierelevanten Entscheidungen mehr und mehr von Big Data – einem der größten Zukunftsmärkte überhaupt – abhängig macht. Eine rein wissenschaftlich verstandene Nachhaltigkeit dürfe nicht zum ideologischen Weichspüler für marktkonforme Entscheidungen werden. Gielen stellt verschiedene Auffassungen von Nachhaltigkeit einander gegenüber und plädiert, ähnlich wie es die französische Philosophin Chantal Mouffe tut, für den offen ausgetragenen Streit. Dieser Konflikt müsse auch praktisch geführt, in unterschiedlichen Architektur-Projekten umgesetzt und die Erfahrungen dann verglichen werden – das sei heute die Aufgabe der Architekten. Im Gegensatz dazu ist es die Pflicht der Gesetzgebung, die neuen Standards für alle gleich zu halten. Im letzten Beitrag zeigt Klaus Siegele anhand der Geschichte der EnEv, dass die Phase der Unschuld bei der deutschen Energiespargesetzgebung vorbei ist. Zu kompliziert und zu komplex sei sie geworden – Zeit für eine vereinfachende Reform.
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