Bauwelt

Amerika am Main

Bundesbank, Schauspielhaus, Lufthansa-Wartungshalle, um nur einige zu nennen: Das DAM zeigt stadtbildprägende Frankfurter Bauten von Otto Apel und seinem Büro ABB

Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main

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    Blick ins grandiose Foyer des Schauspiels Frankfurt (1963)
    Foto: Ulfert Beckert

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    Blick ins grandiose Foyer des Schauspiels Frankfurt (1963)

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    Dresdner-Bank-Hochhaus (1980)
    Foto: Robert Göllner

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    Dresdner-Bank-Hochhaus (1980)

    Foto: Robert Göllner

Amerika am Main

Bundesbank, Schauspielhaus, Lufthansa-Wartungshalle, um nur einige zu nennen: Das DAM zeigt stadtbildprägende Frankfurter Bauten von Otto Apel und seinem Büro ABB

Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main

Mitte der 50er Jahre erschien in der KPD-nahen westdeutschen Zeitschrift Volksstimme ein Arti­-kel zur Baupolitik in Frankfurt am Main. Der Autor, Edmund Collein, klagte die Frankfurter des Kosmopolitismus, des Internationalismus und des Verlusts der nationalen Traditionen an. Als Beweise galt ihm der Abbruch des (kriegszerstörten) Thurn-und-Taxis-Palais, ein mit Schaumstoffkopien amerikanischer Wolkenkratzer dekoriertes Kaufhaus und die ersten Hochhäuser – Hänflinge im Vergleich zu heute. Als schlimmstes Beispiel eines „verderbten Amerikanismus“ führte Collein, damals Vizepräsident der Deutschen Bauakademie in der DDR, das amerikanische Konsulat im Frankfurter Westend und das nicht weit entfernte Amerikahaus auf.
Geplant wurden diese Gebäude vom Büro SOM, Mitarbeiter war Otto Apel. Der 1906 im thürin­gischen Vatterode geborene Apel war beruflich und politisch ähnlich flexibel wie Collein und dessen Kollegen beim Bau der Stalinallee. Nach dem Studium in Berlin bei Heinrich Tessenow wurde Apel zur rechten Hand seines ehemaligen Kommilitonen Albert Speer beim Bau der Reichskanzlei. Nach 1945 verdiente er sich als Mitarbeiter der Frankfurter Aufbau AG erste Meriten beim Wiederaufbau des Römers. Von 1949 an selbständig, plante er mit Rudolf Letocha, William Rohrer, Martin Herdt und amerikanischen Technikern unter der Oberleitung von Sep Ruf drei heute denkmalgeschützte Siedlungen für die US-amerikanische Hochkommission in Bonn. Hier holte Apel sich das Rüstzeug, um als deutscher Kontaktarchitekt für SOM zu fungieren.
Die Fotoausstellung, die das Deutsche Ar­chitekturmuseum 15 Frankfurter Bauten von Otto Apel und seinem seit 1961 unter dem Namen ABB firmierenden Büro widmet, beschränkt sich nicht auf eine übliche Architekten-Monographie. Sie zeigt vielmehr, dass Apel ein Glücksfall für die Stadt war. Nach dem Wegfall der Hauptstadt-Option war Frankfurt gezwungen, sich eine neue Rolle zu suchen. In harter Konkurrenz zu Düsseldorf, dem „Schreibtisch des Ruhrgebiets“, konnten sukzessive Finanzinstitutionen – die „Bank deutscher Länder“ zum Beispiel, der Bundesrechnungshof – am Main angesiedelt werden.
Und Apel mit seiner Fähigkeit, den International Style unbeachtet seiner persönlichen Vorgeschichte zu adaptieren und auf bundesdeutsche Verhältnisse zu übertragen, brachte ein neues, ein großstädtisch-elegantes und raffinierteres Formgefühl nach Frankfurt. Ein Formgefühl, das sich sowohl von der Nierentisch-Asymmetrie als auch vom strengen Naturstein-Raster der 50er Jahre deutlich unterschied.
Apels Architektur war eine der Vernunft, sagt Kuratorin Sunna Gailhofer, eine des kühlen Kopfes, nicht immer aufregend und spektakulär. Stets aber gut proportioniert, mit funktionalen Grundrissen und perfekter Raumorganisation. Wobei sich Apel nicht nur den Stil der Neuen Welt aneignete, sondern auch deren Managementmethoden. Seine Rolle war bald nicht mehr die des genial-eitlen Entwerfers – das überließ er anderen –, sondern die des Machers im Hintergrund. Selbst das Haus in der Berliner Straße, eine Hommage an Le Corbusiers Pavillon Suisse, in dem das Büro residierte, entwarf nicht er, sondern sein Mitarbeiter Eberhard Brandl.
Mit Hansgeorg Beckert und Gilbert Becker, mit den späteren Partnern Walter Hanig, Heinz Scheid und Johannes Q. Schmidt, plante die Architektengemeinschaft ABB fünf bis heute stadtbildprägende Hochhäuser in Frankfurt: das Interconti-Hotel (1959–63), die Hochhauscheibe der Deutschen Bundesbank (1961–72), den Silberturm der Dresdner Bank (1971–80), die Zwillingstürme der Deutschen Bank (1979–85) und das Hochhaus am Park (1975–85). Dass diese Türme nie an der Spitze der weltweiten Architekturentwicklung, sondern immer ein wenig hin­-ten dran standen, mag man den Entwerfern in einer Stadt, die sichere Rendite stets ästhetischem Mut voranstellt, verzeihen.
Spektakulär dagegen und immer noch imposant: die Lufthansa-Wartungshalle V (1965–72). Das bis heute am weitesten gespannte Betonhängedach der Welt überdeckt in zwei Abschnitten freitragend ein Feld von 100 x 270 Metern; die Tragwerksplanung oblag den Ingeni­euren Ulrich Finsterwalder und Helmut Bomhard.
Apel und seine Mitstreiter konnten Großform und Interieurs. Dass etwa Dieter Rams vor seinem Engagement für Braun Mitarbeiter bei Apel war, dass Documenta-Gründer Arnold Bode eine Design-Galerie in Erdgeschoss von Apels Haus betrieb, war kein Zufall. Auch wenn vieles sträflich vernachlässigt und verbaut wurde oder gar verschwunden ist, die zeitlose Ausstattung von ABB-Bauten beeindruckt nach wie vor. In der Bundesbank ist sie sogar im Original erhalten.
Und hier bezieht die Ausstellung klare Stellung: Die Bundesbank wünscht sich einen der EZB vergleichbaren Turm, das Hochhaus am Park soll zu einem Wohnhochhaus umgebaut werden, schließlich steht die Renovierung der städtischen Bühnen, eigentlich ein gerade entdecktes Meisterwerk von AAB, an. Das DAM tut gut daran, in Erinnerung zu rufen, was hier verloren gehen könnte.
Ein Verlust konnte abgewendet werden: 2016 schrieb der Spiegel, im Jahr 2000 habe Frankfurts damalige Oberbürgermeisterin Petra Roth mit einem amerikanischen Immobilienmogul über den Bau von Europas höchstem Hochhaus verhandelt. Als ideales Baugrundstück wurde das Areal des Interconti-Hotels auserkoren. Daraus wurde dann nichts. Verhandlungspartner war der heutige US-Präsident Donald Trump.

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