Angedockt und aufgestockt
Wie können wir mit dem teils maroden Wohnbestand aus den 1960ern angesichts von Klimakrise und Wohnungsnot umgehen? Bayern wagt einen Modellversuch.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Angedockt und aufgestockt
Wie können wir mit dem teils maroden Wohnbestand aus den 1960ern angesichts von Klimakrise und Wohnungsnot umgehen? Bayern wagt einen Modellversuch.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Laut Statistischem Bundesamt machen die zwischen 1950 und 1979 gebauten Häuser 42 Prozent des Wohnbestands in Deutschland aus. Jahrzehnte später kennen wir die gängigen Problemzonen, die der Wohnungsbau dieser Zeit mit sich brachte, wir fangen gleichzeitig zunehmend an, den Bestand zu schätzen und zu schützen. In Bayern manifestiert sich diese Haltung unter anderem durch das Modellvorhaben „Weiternutzen. Weiterentwickeln. Weiterbauen“, das Bauminister Christian Bernreiter 2022 auslobte.
Zehn Projekte wurden zur Teilnahme ausgewählt. Ziel ist, den Altbestand hinsichtlich Heiz- und Energietechnik auf das Level von Wohnungsneubauten zu bringen, gewachsene Nachbarschaften und sozialen Wohnraum zu erhalten (teilnehmende Wohnbaugesellschaften oder Genossenschaften mussten einen Anteil geförderten Wohnraums von über 50 Prozent aufweisen) und, natürlich, Ressourcen zu sparen. „Die Projekte des Modellvorhabens sollen [...] Konzepte und Maßnahmen vorwegnehmen, die in wenigen Jahren Praxis sein werden.“
In den 1960ern setzte die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Stadtbau Regensburg zur Linderung der Wohnungsnot eine Plattensiedlung nach dem Leitbild einer Parkstadt neben eine in den 30ern gebaute nationalsozialistische „Mustersiedlung“, die Konradsiedlung. Die Erweiterung aus den 60ern gehört zwar zur Siedlung, wird aber von den dort Lebenden nicht unbedingt als Teil von ihr verstanden und ist laut Auslobung vielmehr eine Trabantenstadt.
Nachdem die Stadtbau schon 2006 unter dem Projekttitel „Wohnen in allen Lebenslagen“ mit 40 barrierefreien Wohnungen nachverdichten ließ, beschäftigt sie sich also nun mit dem Bestand. Wie eine Voruntersuchung ergab, gibt es in der Siedlung zwei bauähnliche Gebäudetypen, die in ihrer Substanz keine entscheidenden Unterschiede aufweisen. Sie standen im Wettbewerb Modell. Zwar sind die Wohnräume sanierungsbedürftig, und Haustechnik, Brand- sowie Schallschutz und Dämmung können nicht mehr gewährleistet werden, trotzdem wurde der Erhalt des Tragwerks als realistisch eingestuft. Lediglich Balkonkonstruktionen und Flachdächer seien „am Rande ihrer Lebenszeit angekommen.“ Hierfür erwartete die Ausloberin explizit klimagerechte Maßnahmen wie Umbau, Modernisierung, Aufstockung oder Erweiterung. Die Lösungsvorschläge sollen bestenfalls auf das gesamte Quartier oder darüber hinaus anwendbar sein. Auch im Freiraum waren weiterhin qualitätvolle Räume gewünscht, Regenwassermanagement und Umgang mit Starkregenereignissen sollten bedacht werden. Außerdem waren Wirtschaftlichkeit und Zeitfaktor einer Sanierung im bewohnten wie im unbewohnten Zustand zu vergleichen. Die Teilnehmenden waren außerdem aufgefordert, die Baustoffauswahl unter Einhaltung des Green Deal Regensburg zu treffen, der die Klimaneutralität aller Liegenschaften der Stadtbau bis 2035 vorsieht.
Neben einer ARGE aus Hütten & Paläste und Kaed aus Berlin waren Lattke Architekten aus Augsburg (2. Preisträger) und Maier Neuberger Architekten aus München direkt eingeladen, zwölf weitere Teams aus Architektur und Landschaftsarchitektur wurden später ausgewählt. Maisch Wolf Architekten und owak + abootalebi Landschaftsarchitektur konnten das Preisgericht überzeugen. Mit einer eingeschossigen Aufstockung in Holzbauweise gewährleisten sie, dass 21 neue Wohnungen entstehen. Die maroden Balkone ersetzt das Team durch eine vorgestellte Stahlkonstruktion, barrierefreie Laubengänge dienen der Erschließung. Die Jury bescheinigt der Arbeit durch ihre sorgfältig gesetzten Eingriffe, konsequente Entsiegelung und ihr auf das Quartier übertragbare Modernisierungskonzept den gesuchten Modellcharakter.
Nichtoffener städtebaulicher und hochbaulicher Realisierungs- und Ideenwettbewerb
1.Preis (39.000 Euro) Maisch Wolf Architekten und nowak + abootalebi Landschaftsarchitektur, beide München
2.Preis (28.000 Euro) Lattke Architekten, Augsburg, und Uniola Landschaftsarchitektur Stadtplanung, München
3.Preis (16.000 Euro) SESA, Stuttgart, und TDB Landschaftsplanung, Berlin
Anerkennung (5000 Euro) H+ Architekten (ehem. Händel Junghans) und Zaharias Landschaftsarchitekten, beide München
Nichtoffener städtebaulicher und hochbaulicher Realisierungs- und Ideenwettbewerb
1.Preis (39.000 Euro) Maisch Wolf Architekten und nowak + abootalebi Landschaftsarchitektur, beide München
2.Preis (28.000 Euro) Lattke Architekten, Augsburg, und Uniola Landschaftsarchitektur Stadtplanung, München
3.Preis (16.000 Euro) SESA, Stuttgart, und TDB Landschaftsplanung, Berlin
Anerkennung (5000 Euro) H+ Architekten (ehem. Händel Junghans) und Zaharias Landschaftsarchitekten, beide München
Ausloberin
Stadtbau Regensburg, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr
Stadtbau Regensburg, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr
Fachpreisjury
Helmut Dietrich (Vorsitz), Lisa Ehrensperger, Martin Hirner, Götz Keßler, Michael Olesch, Florian Plajer, Karin Sandeck
Helmut Dietrich (Vorsitz), Lisa Ehrensperger, Martin Hirner, Götz Keßler, Michael Olesch, Florian Plajer, Karin Sandeck
Koordination
mt2 ARCHITEKTEN BDA | STADTPLANER, Nürnberg
mt2 ARCHITEKTEN BDA | STADTPLANER, Nürnberg
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