Mächtig prächtig
Aus dem Wettbewerb für das archäologische Museum in Rostock resultiert ein Gebäude, das das Stadtgefüge fortschreibt. Es zeugt aber auch vom Mut der einzigen veritablen Großstadt Mecklenburg-Vorpommerns, sich mit origineller Architektur neu zu definieren
Text: Bruun Yde, Marie, Berlin
Mächtig prächtig
Aus dem Wettbewerb für das archäologische Museum in Rostock resultiert ein Gebäude, das das Stadtgefüge fortschreibt. Es zeugt aber auch vom Mut der einzigen veritablen Großstadt Mecklenburg-Vorpommerns, sich mit origineller Architektur neu zu definieren
Text: Bruun Yde, Marie, Berlin
Rostock verändert sich. Zwar geht es dem unternehmerischen dänischen Bürgermeister der Hafenstadt, Claus Ruhe Madsen, zu langsam mit der Umsetzung seiner klimaneutralen, fahrradfreundlichen Ziele; gemessen an Planungsvorhaben allerdings, zieht die Stadtentwicklung an der Warnow merklich an: Der aktuell stark vom See- und Stadtverkehr geprägte Rostocker Stadthafen soll zu einer aufenthaltsfreundlichen Freizeitlandschaft werden, dazu plant die Hansestadt für das Jahr 2025 eine Bundesgartenschau (BUGA). Den Wettbewerb für die Umgestaltung des „Christinenhafens“ gewannen im vergangenen Jahr Holzer Kobler Architekturen und A24 Landschaft mit einer leichten Mehrzweckhalle. Sie sehen vor, Hafenflächen zur Wasserkante zu erhalten und eine grüne Dünenlandschaft zu entwickeln.
Der Wettbewerb für den Neubau des Archäologischen Landesmuseums Mecklenburg-Vorpommern ist ein nächster Schritt zur Belebung. Die im Ostseeraum herausragende, bislang zum Teil in Schwerin verstaute Sammlung soll das Museum in Zukunft mit Fokus auf Unterwasserarchäologie präsentieren – auch deshalb soll der Neubau am Ufer liegen.
Den ersten Preis erlangten Lundgaard & Tranberg Arkitekter mit einem verfeinerten „Bunker“ für die Prunkstücke aus der Bronze- und römischen Kaiserzeit. Das Kopenhagener Architekturbüro versucht schon seit Jahren, sich im deutschen Markt zu etablieren: Beim Wettbewerb für das Museum des 20. Jahrhunderts auf dem Berliner Kulturforum errangen sie den zweiten Preis, im vergangenen Jahr bekamen sie den Zuschlag für das Danevirke Museum bei Schleswig. Auf der Venedig Biennale 2021 waren sie mit dem dänischen Pavillon unter Wenigen, die sich von großen gesellschaftlichen Fragen nicht einschüchtern ließen, sondern vertraut mit ihrem Fach umgingen. Im dänischen Architekturschaffen gehen handwerklich-gestalterische Ansätze eher vor kritisch-intellektuellen. Das kann von Vorteil sein.
Im Gespräch mit der Stadt
Für Rostock schlagen Lundgaard & Tranberg einen sandfarbenen Hybridbau aus Stahlkonstruktion mit Holzdecken und Stahlbetonerschließungskern vor, verkleidet von einer monolithischen Ziegelschicht. Wie bereits bei ihrem Projekt Kannikegården in der Altstadt des dänischen Ribe, setzen die Architekten den Ziegelumhang dekorativ ein. Sowohl das Material als auch das überdimensionierte, abgeschnittene Walmdach definieren das Gebäude und spielen mit der Formensprache der historischen Architektur des Ostsee-Kulturkreises. Das Dach „spricht“ mit Rostocks hanseatischer Stadtsilhouette – sogar die putzigen DDR-Plattenbauten am Ufer haben diesen Walmdachstumpf. Darunter öffnen sich Fenster zur Stadt. Das hohe Foyer an der Westseite dominiert eine skulpturale Spiraltreppe, hier befindet sich auch ein Café. Der mit Lehm verputzte Innenraum hat eine dramatische Lichtführung und eine warme, höhlenartige Atmosphäre, was den Übergang vom Stadtraum zu den Ausstellungssälen kinematografisch betont.
Die massive Dachform ist gewagt, denn sie riskiert, plump und platt zu wirken. Keine der anderen Preisträger trauten sich, einen derart direkten gestalterischen Austausch mit dem Kontext einzugehen. Die „Schirmmütze“ von Nieto Sobejano Arquitectos, die weißen, filigranen, schwebenden Kuben von COBE und Barozzi Veiga, das Stapelhaus von JSWD Architekten sowie das Langhaus von Bez + Kock Architekten könnten alle eher überall, als gerade hier stehen. Seine Detaillierung und Materialität dämpfen die formale Schwere von Lundgaard & Tranbergs Entwurf: Er ist zu monumental, um elegant zu sein, aber so stofflich, dass er nahbar wirkt. Diese leise Sonderbarkeit und Balance zwischen Vergangenheit und Zukunft hebt den Baukörper von Provinziellem oder Modischem ab, und so könnte er zur Erhöhung des urbanen Lebensgefühls in Rostock beitragen.
Interdisziplinärer Realisierungswettbewerb
1. Preis (71.400 Euro) Lundgaard & Tranberg Arkitekter, Kopenhagen
2. Preis (53.550 Euro) Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin, mit HL Technik, München, Buro Happold und POLA Landschaft, Berlin
3. Preis (35.700 Euro) COBE, Kopenhagen, mit M&P Gruppe, Braunschweig, und Werner Sobek, Stuttgart
Anerkennungen (je 8925 Euro) Barozzi Veiga, Barcelona, mit Atelier Loidl, Berlin, Buro Happold und Ingenieur Gruppe Bauen, Karlsruhe; Bez + Kock Architekten, Stuttgart, mit Raible + Partner, Eningen, Pfeil&Koch Ingenieurgesellschaft, wh-p Ingenieure und koeber Landschaftsarchitektur, alle Stuttgart; JSWD Architekten, Köln, mit ZWP Ingenieur AG, Köln, LAND Germany, Düsseldorf, und imagine structure, Frankfurt
Fachpreisgericht
Renate Abelmann, Joachim Andreas Joedicke, Katrin Lünser, Ralph Müller, Jórunn Ragnarsdóttir (Vorsitz), Bernhard Schwarz, Alexander Schwarz, Stefan Wenzl
Renate Abelmann, Joachim Andreas Joedicke, Katrin Lünser, Ralph Müller, Jórunn Ragnarsdóttir (Vorsitz), Bernhard Schwarz, Alexander Schwarz, Stefan Wenzl
Auslober
Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch das Finanzministerium, vertreten durch das Staatliche Bau- und Liegenschaftsamt Rostock
Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch das Finanzministerium, vertreten durch das Staatliche Bau- und Liegenschaftsamt Rostock
Verfahrensbetreuung
Claussen-Seggelke Stadtplaner, Hamburg
Claussen-Seggelke Stadtplaner, Hamburg
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