Bauwelt

Baugeschichte erzählen, statt Fakten referieren

Zum 90. Geburtstag von Wolfgang Pehnt

Text: Bachmann, Wolfgang, Deidesheim

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    Foto: privat

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Baugeschichte erzählen, statt Fakten referieren

Zum 90. Geburtstag von Wolfgang Pehnt

Text: Bachmann, Wolfgang, Deidesheim

Wie viele Bücher von Wolfgang Pehnt besitze ich? Längst nicht alle. Die Aufzählung seiner Publikationen würde länger als dieser Geburtstagsgruß. Aber jedes seiner Bücher in meinen Regalen zeigt deutliche Gebrauchsspuren, da stecken Einmerker drin, es gibt Unterstreichungen und Randnotizen. Das erste, was ich von Pehnt gelesen habe – nein, ich habe es studiert –, war „Die Architektur des Expressionismus“ (1973). Zwar habe ich daraus nichts abgeschrieben, aber viele von Pehnts Formulierungen sind mir in Erinnerung geblieben, und sicher habe ich sie ohne Quellenangabe weiterverwendet. Es war seine Art, Baugeschichte zu erzählen, statt bloß Fakten zu referieren, sodass sich beim Lesen das Gefühl einstellte, das alles habe mit einem selbst zu tun. Architektur war für den studierten Germanisten, Kunsthistoriker und Philosophen Pehnt immer auch eine Geschichte der Benutzer und Bewohner. Und für sie.
Diese Haltung hat ihm Winfried Nerdinger einmal übelgenommen und Pehnts viel gerühmtes Opus magnum „Deutsche Architektur seit 1900“ (2005) in der Wochenzeitung Zeit niedergemacht, als ginge es um den Endsieg der akademischen Architekturtheorie. So viel Mühe gibt man sich nicht mit Belanglosem. Denn zweifellos gehört Pehnt in die hehre Tafelrunde der Bau-Chronisten wie Posener, Sack und Conrads. Zu seinem achtzigsten Geburtstag hatte ihm das Deutsche Architekturmuseum DAM in Frankfurt eine Ausstellung eingerichtet: Die Regel und die Ausnahme (2011). Sie zeigte „Lebensspuren“, die den Vielbeschäftigten begleiteten bzw. die er hinterlassen hat. Es ist wohl nicht falsch, aus den Exponaten zu folgern, dass es nicht die Begriffe waren, sondern die Bilder, die ihn die Architekturwelt erkennen ließen.
Pehnt hatte nach dem Studium als Lektor in Stuttgart gearbeitet, bis 1995 war er Redakteur und Leiter der Abteilung Literatur und Kunst beim Deutschlandfunk, schließlich lehrte er am Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Daneben hatte er Mühe, die vielen Anfragen nach Buchbeiträgen, Zeitschriften-Essays, Festvorträgen und Podiumsdiskussionen zu erfüllen. Glücklich schätzen konnte sich, wer von ihm ein akkurat ziseliertes Vorwort für sein Werk ergattern konnte. Die Liste seiner Mitgliedschaften, Ehrungen und Auszeichnungen wäre eine eigene Tafel wert.
Pehnt scheute keine Auseinandersetzung, aber selbst die von ihm Kritisierten mussten anerkennen, dass er seine subjektive Einschätzung gewissenhaft und fair vorgetragen hatte. Magnago Lampugnani als damaliger Direktor des DAM gehörte dazu. Pehnt suchte eher eine Position am Spielfeldrand, von wo er die Meinungsführer mit interessierter Neutralität zu Wort kommen lassen konnte. Unvergessen seine Diskussion mit Behnisch und Ungers, aus der man lange Zeit zitieren konnte (Bauwelt 19.1981). Überschaut man das Konvolut seiner Publikationen, ahnt man einen leisen pessimistischen Tenor zu erkennen. Da sich die Auswahl seiner Themen gerne beim Kirchenbau traf, bei Rudolf Schwarz, Karljosef Schattner und immer wieder bei Gottfried Böhm, habe ich einmal versucht, ihn nach seiner Haltung zu den letzten Dingen zu befragen: Ob man durch die Beschäftigung mit der Architektur von Gotteshäusern eine besondere Nähe zum Kern ihrer Verwendung findet. Aber Wolfgang Pehnt ist nicht Martin Mosebach, wir kamen nicht so richtig weiter mit der Kirchennummer.
Vielleicht darf man daran anknüpfend zum Neunzigsten mit einer Abwandlung eines seiner Buchtitel gratulieren: Möge ihn die Kraft der Zuversicht fürderhin begleiten!

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