Bauwelt

Carl Fingerhuth

1936-2021

Text: Joppien, Anett-Maud, Frankfurt am Main; Reicher, Christa, Aachen

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Carl Fingerhuth (1936-2021)
Foto: Anett-Maud Joppien

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Carl Fingerhuth (1936-2021)

Foto: Anett-Maud Joppien


Carl Fingerhuth

1936-2021

Text: Joppien, Anett-Maud, Frankfurt am Main; Reicher, Christa, Aachen

Sich neuen Herausforderungen stellen und Vi­sionen entwickeln – das war seine Devise. In diesem Sinne war das berufliche Wirken von Carl Fingerhuth von vielen Stationen geprägt: 1960 schloß er sein Achitekturstudium an der ETH Zürich ab und wurde für das Schweizerische Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo in Ägypten tätig. Im Jahre 1964 gründete er sein Büro für Raumplanung und Städtebau und war in der Schweiz, aber auch international mit Projekten in Frankreich, Österreich, Spanien und Nigeria betraut. Prägend war für ihn die Hauptstadtplanung des nigerianischen Bundesstaates Imo in Owerri von 1974–79.
Von 1978 bis 1992 war er dann Kantonsbaumeister von Basel und hat in dieser Zeit den Diskurs um das Neue und das Bewahren von Bestand maßgeblich geprägt. In dieser Ära wurden viele historische Bauten in der Altstadt saniert und neue Projekte wie die Wohnbebauung im St. Alban-Tal (Diener+Diener Architekten) und die Neugestaltung des Rosshofs (Studer Studer Naef Architekten) realisiert. Als Basel 1996 mit dem Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes ausgezeichnet wurde, war dies maßgeblich auch sein Verdienst.
Dem Wesen nach war Carl Fingerhuth durch und durch Kosmopolit, der mit seiner Offenheit für die „Welt und alle Menschen“ Impulse aus verschiedenen kulturellen Kontexten aufnahm und diese in seinem visionären Denken verwob und im Handeln vermittelte. „Learning from China. Das Tao der Stadt” (Birkhäuser Verlag 2004) ist eine intensive Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen und deren Einfluss auf die Gestalt der Stadt. Er erklärt uns, warum das chinesische Prinzip des Tao, der „bewusste Weg“, zur Maxime modernen Städtebaus werden kann.
Als Dozent war Carl Fingerhuth an verschiedenen Hochschulen tätig. Von 1981–86 war er Gastprofessor an der Virginia State University, von 1988–94 Lehrbeauftragter an der ETH Zürich und an der Universität Strasbourg (1993–94). Ab 1995 hielt er eine Honorarprofessur an der TU Darmstadt inne. Wir erlebten Carl Fingerhuth vor allem persönlich als leidenschaftlichen Lehrer und Forscher. Sein liebenswürdiges Wesen, seine fach­liche Weitsicht und sein Interesse für die Gedanken und Ideen der jungen Generation prägten seinen Lehrstil und begeisterte die Studierenden. Im Jahre 2017 nahm Carl Fingerhuth die Einladung der TU Dortmund zur internationalen Konferenz „Transforming City Regions: Reclaiming Public Space within Metropolitan Areas“ in Amman in Jordanien wahr. In seinem letzten Buch spricht er von diesem Erlebnis als „Meine letzte große Reise“, die ihn eine bis dahin fremde Welt geführt hat. Der Zusammenhang von Klima-Religion-Stadt hat ihn immer interessiert und im Rahmen dieser Reise in den Nahen Osten konnte er diese Spur weiterverfolgen.
In zahlreichen nationalen und internationalen Jurys, als Mitglied von Gestaltungsbeiräten in Bremen, Halle, Mannheim und Mainz sowie als Autor und Publizist nahm Carl Fingerhuth maßgeblich und wirkungsvoll Einfluss auf eine zukunftsorientierte und sozial geprägte Bau- und Planungskultur. Beeindruckend war, wie er vor allem die Vertreter und Vertreterinnen der Politik von der bestmöglichen Lösung überzeugen konnte. In seinem Buch „Menschen wie Häuser, Häuser wie Städte, Städte wie die Welt“ (Birkhäuser Verlag 2019) hat er ein Resümee zu den Aufgaben eines Architekten und einer Stadtplanerin gezogen. Mit Kritik hat er nicht hinter dem Berg gehalten. Auch wenn sein Wirken jetzt ruht, wird seine Stimme für uns und die nachfolgende Generation immer ihr Gewicht bewahren. Carl Fingerhuth, der Schweizer Architekt, Stadtplaner und Publizist starb am 15. November im Alter von 85 Jahren in Zollikon bei Zürich. Er zählt zu den einflussreichsten und prägenden städtebaulichen Denkern und Gestaltern der letzten Jahrzehnte. Wir trauern um einen guten Freund und um einen hoch geschätzten Kollegen.

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