Der Mensch als Maßstab
Die Beiträge, die ANCB The AEDES Metropolitan Laboratory für die Ausstellung Human Scale Remeasured zusammengetragen hat
Text: Kraft, Caroline, Mannheim
Der Mensch als Maßstab
Die Beiträge, die ANCB The AEDES Metropolitan Laboratory für die Ausstellung Human Scale Remeasured zusammengetragen hat
Text: Kraft, Caroline, Mannheim
Die Beiträge, die ANCB The AEDES Metropolitan Laboratory für die Ausstellung Human Scale Remeasured zusammengetragen hat, sind idealistisch, wegweisend, lösungsorientiert, teils gar philosophisch. Konzepte zu sinnvoller Umnutzung und Neuverteilung bestehender Stadtstrukturen, Nahrungsmittelproduktion, zirkulären Stadtquartieren, informellen Siedlungen und inklusivem, spekulationsfreiem Wohnen – die Ausstellung ist thematisch drängend und von beeindruckender Vielfalt. Aus den über 100 Projekten, die auf die Ausschreibung hin eingereicht wurden, wählte der ANCB 15 Beiträge in den Aspekten Sozioökonomie, Zusammenleben, Technologie, Mobilität und Design aus. Sowohl reale als auch visionäre Arbeiten sind vertreten, von renommierten Büros, aber auch kleinen Kollektiven. Aus jedem Kontinent wird mindestens ein Projekt gezeigt, was die globale Notwendigkeit eines Umdenkens der bestehenden Strukturen klar macht. So schlagen Other Architects aus Australien einen „Burial Belt“ für die Stadt Sydney vor: Natürliche Bestattung auf altem Weideland am Stadtrand. Das Konzept Friedhof und Bestattung wird überarbeitet, umweltschädliche Krematorien würden hinfällig. Durch Aufforstung und Renaturalisierung des Gebiets würde die natürliche Vegetation des Umlands gestärkt und mit immer knapper werdendem Platz für Friedhöfe kombiniert. Nach und nach könnten sich einzelne „Burial-Belt-Bereiche“ zu einem Wald zusammenschließen, als grüne Lunge Leben und Tod auf poetische Weise vereinend. Zusätzlich sind zehn Vorschläge international Studierender mit Lösungsansätzen zu effizienter Flächennutzung, politischer Ungleichheit und Migration und verantwortungsbewusstem Entwerfen ausgestellt. Ein selbstorganisierter Zusammenschluss aus Studierenden des Lehrstuhls Urban Design der TU München, das „Referat für Stadtverbesserung“, präsentiert mit dem Projekt „100 Meter Zukunft“ zum Bespiel einen Vorschlag für die überfällige Umnutzung des städtischen Straßenraums. Der Autoverkehr soll verdrängt und die Straße als beeinflussbares Umfeld mit Raum für soziale und ökologische Projekte wahrgenommen werden.
Die Ausstellungsbeiträge werden – ihres Informationscharakters entsprechend – auf 15 Pappzylindern präsentiert, die an Litfaßsäulen erinnern. Durch einen Einschnitt der Zylinder auf je einer Seite kann jedes Projekt im Inneren tiefgehender und teilweise anhand von Modellen oder Videos vorgestellt werden. Das gewählte Ausstellungsmedium transportiert den Ansatz von AEDES: Architektur, Baukultur und die zukünftige Entwicklung unseres Umfelds sind gesamtgesellschaftliche Themen, die nicht nur Expertinnen und Experten für sich beanspruchen dürfen. Alle Interessierten müssen die Möglichkeit bekommen, sich angemessen informieren zu können. Daher ist der Eintritt in die Ausstellung auch wie immer kostenfrei, der Hauptstadtkulturfonds ist maßgeblich an der Finanzierung beteiligt. Neben den ausgestellten Projekten bieten verschiedene ausgewählte sozio-ökonomische Publikationen die Möglichkeit, sich über räumliche und wirtschaftliche post-Wachstums-Strategien zu informieren. Am 07. Mai findet außerdem ein Symposium statt, in dessen Rahmen die in der Ausstellung vertretenen Konzepte zur Diskussion gestellt werden. Denn gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krisenfaktoren Klimakatastrophe und Pandemie verschieben sich die Anforderungen an menschlichen Lebensraum elementar. Die Ausstellung im Aedes Architekturforum macht eindringlich klar, dass es an Ideen für ganzheitliche architektonische und stadtplanerische Antworten auf die Folgen einer jahrzehntelangen ungehemmten Urbanisierung und Kommerzialisierung unserer Welt nicht mangelt. Aber auch seitens Politik und Gesellschaft muss der Wille da sein, sie endlich umzusetzen.
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