Detailscharfe Bestandsaufnahme
C/O Berlin zeigt die Fotoserien Stadtbilder, Randlagen und Spätsommer von Ulrich Wüst
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Detailscharfe Bestandsaufnahme
C/O Berlin zeigt die Fotoserien Stadtbilder, Randlagen und Spätsommer von Ulrich Wüst
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Ulrich Wüst gehört zu den Altmeistern der DDR-Stadtfotografie. Seit den 70er Jahren dokumentiert er den Zustand ostdeutscher Innenstädte und Ortschaften. Dabei hat er – jenseits des damals offiziell verordneten Optimismus – eine ganz eigene, weitgehend pathos-freie Bildsprache entwickelt, die Schlaglichter auf die gesellschaftlichen Verhältnisse wirft. Viele seiner Aufnahmen lenken den Blick auf das Lebensumfeld der Menschen, auf die heterogenen Strukturen der Stadträume oder den aktuellen Umgang mit dem historischen Erbe. Rund 80 seiner beeindruckenden Arbeiten sind jetzt in der C/O Berlin Foundation im Amerika Haus zu sehen, in drei verschiedenen Themenräumen, jeweils einem eigenen für seine Werkgruppen „Stadtbilder“ (1979–83), „Spätsommer“ (1989/90) und „Randlagen“ (seit 1994).
Wüst (Jahrgang 1949) arbeitete nach seinem Studium an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar ab 1972 in Ost-Berlin: zunächst als Stadtplaner beim Magistrat, dann als Bildredakteur und ab 1983 als freischaffender Fotograf. Sein erster umfangreicher Bilderzyklus „Stadtbilder“ zeigt größtenteils menschenleere Stadträume, die trotz ihrer augenfälligen Disharmonie mittels sorgfältig gewählter Bildausschnitte eine formale und ästhetische Einheit bilden. Er dokumentiert den Verfall der Gründerzeitquartiere und offenbart (durch einzelne,
den Maßstab verdeutlichende Personen, Treppen- und Sitzplatzanlagen) die teilweise riesigen Dimensionen der Neubaugebiete, er verweist auf eher hilflose bauliche Verschönerungsversuche oder übrig gebliebene historische Architekturfragmente. Im Gegensatz zu den zeitgenössischen Presse- und Auftragsfotos, die das sozialistische Gemeinschaftsleben propagieren, zeigen Wüsts Aufnahmen unspektakulären Alltag. Sie wurden vom interessierten Publikum sofort als Bestätigung des eigenen Lebensgefühls und auch als kritische Gegenfolie zu den offiziellen Darstellungen wahrgenommen. Dies machte Ulrich Wüst zu einem der populärsten Fotokünstler der DDR.
den Maßstab verdeutlichende Personen, Treppen- und Sitzplatzanlagen) die teilweise riesigen Dimensionen der Neubaugebiete, er verweist auf eher hilflose bauliche Verschönerungsversuche oder übrig gebliebene historische Architekturfragmente. Im Gegensatz zu den zeitgenössischen Presse- und Auftragsfotos, die das sozialistische Gemeinschaftsleben propagieren, zeigen Wüsts Aufnahmen unspektakulären Alltag. Sie wurden vom interessierten Publikum sofort als Bestätigung des eigenen Lebensgefühls und auch als kritische Gegenfolie zu den offiziellen Darstellungen wahrgenommen. Dies machte Ulrich Wüst zu einem der populärsten Fotokünstler der DDR.
Seine Aufnahmen sind, obwohl sie formal eigenständige Motive haben (und seit der Wende auch einzeln als Buchillustration äußerst gefragt sind), meist als komplexe Serien konzipiert. Daraus stellt sich Wüst für den eigenen Gebrauch dann oft handgefertigte Leporellos zusammen. Zur Verdeutlichung seiner Arbeitsweise sind in der Ausstellung – zusätzlich zu den gerahmten Abzügen – ein paar dieser Leporellos zu sehen, die ausgewählte Fotografien zu thematischen Erzählungen zusammenfassen: darunter ist auch eine Bilderserie, die die Umbruchssituation im „Spätsommer“ 1989 mit eher ungewöhnlichen Motiven (wie zum Beispiel mit Koffern und Taschen Bepackten am Strand der Ostsee) illustriert.
Brandneu sind dagegen seine teilweise erst 2015 aufgenommenen, vorher noch nie ausgestellten Fotoaufnahmen verschiedener Areale in vergessenen „Randlagen“. Sie stellen neben
detailscharfen, frontal aufgenommenen Häuserfassaden (die jedes Material haptisch erlebbar werden lassen) auch einige bekannte, heterogen gewachsene Ensembles aus hoch interessanten, eher ungewöhnlichen Perspektiven dar, bis hin zur Potsdamer Stadtmitte mit Nikolaikirche und Hotel Mercure. Sie sind nüchterne Bestandsaufnahme der vom Menschen geprägten Umwelt und werfen gleichzeitig interessante Spotlights auf einzelne Kapitel deutscher Zeitgeschichte.
detailscharfen, frontal aufgenommenen Häuserfassaden (die jedes Material haptisch erlebbar werden lassen) auch einige bekannte, heterogen gewachsene Ensembles aus hoch interessanten, eher ungewöhnlichen Perspektiven dar, bis hin zur Potsdamer Stadtmitte mit Nikolaikirche und Hotel Mercure. Sie sind nüchterne Bestandsaufnahme der vom Menschen geprägten Umwelt und werfen gleichzeitig interessante Spotlights auf einzelne Kapitel deutscher Zeitgeschichte.
Ulrich Wüst fotografiert in Schwarz-Weiß. Seine Bilder wurden bis zur Wiedervereinigung außerhalb der DDR kaum gezeigt. Die C/O Berlin Foundation ordnet sie jetzt in größere, internationale Zusammenhänge ein, indem sie sie parallel zu den Arbeiten des richtungsweisenden amerikanischen Fotografen Stephen Shore (Jahrgang 1947) zeigt, der im großen Stil in den USA ähnlich unspektakuläre Orte („Uncommon Places“) in Farbe aufgenommen hat: Parkplätze, Straßenkreuzungen, Vorortsiedlungen und Tankstellen. Eine Gegenüberstellung, in der Ulrich Wüst nicht nur mit handwerklicher Perfektion und einem Auge für die Architektur punktet. Seine Arbeiten haben auch einen ganz eigenen Charme.
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