Die Hundertjährige
Deutschlands älteste erhaltene Moschee steht in Berlin. Eine Ausstellung im Museum Charlottenburg-Wilmersdorf würdigt sie
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Die Hundertjährige
Deutschlands älteste erhaltene Moschee steht in Berlin. Eine Ausstellung im Museum Charlottenburg-Wilmersdorf würdigt sie
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Nach ihrer denkmalgerechten Sanierung durch das Architekturbüro D:4 erstrahlt die Moschee in der Brienner Straße 7-8 in Wilmersdorf seit 2014 wieder in ihrer ursprünglichen Farbgebung und mit den originalen Verzierungen. Ihre facettenreiche hundertjährige Geschichte sowie die Entwicklung der Gemeinde stehen im Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung in der Villa Oppenheim (Museum Charlottenburg-Wilmersdorf). Einblicke gewähren Fotografien, Planreproduktionen, Missionsschriften, andere Druckerzeugnisse sowie private Erinnerungsstücke, die von der Gemeindeverwaltung und aus Familienarchiven zusammengetragen wurden.
Ein Vorgängerbau der Wilmersdorfer Moschee, die Wünsdorfer Moschee im sogenannten Halbmondlager, war bereits im Juli 1915 eröffnet, aber 1924 wieder geschlossen und abgebrochen worden. 1922 gründete der indische Missionar Maulana Sadr-ud-Din in der Giesebrechtstraße 5 in Charlottenburg die Berliner Gemeinde der Lahore-Ahmadiyya-Bewegung zur Verbreitung islamischen Wissens; es war die zweite Mission einer liberalen Form des Islam in Europa nach Woking südwestlich von London. Sadr-ud-Din initiierte auch den Bau der ersten Berliner Moschee und eines Nebengebäudes für den Imam, das auch für Festlichkeiten und andere Anlässe der Gemeinde genutzt wurde. Im September 1924 begannen die Bauarbeiten, die sich aus finanziellen Gründen bis 1928 hinzogen.
Der Architekt Karl Alfred Herrmann hatte sich bei seinem Entwurf an der persisch beeinflussten Architektur des frühneuzeitlichen Mogulreichs auf dem indischen Subkontinent mit seinem berühmtesten Bauwerk, dem Taj Mahal in Agra, orientiert. Über einem Unterbau mit Wirtschafts- und Klubräumen im Erdgeschoss erhebt sich der quadratische Sakralbau, gekrönt von einer imposanten 26 Meter hohen Kuppel, zierlichen Türmchen, Zinnen und Vielpassbögen. Die beiden symmetrisch angeordneten Minarette, jeweils 35 Meter hoch, sind durch Blendmauern miteinander verbunden. Im Berliner Westen galt die Moschee und das Nebengebäude mit den weißen Fassaden als exotisch anmutenden Architektur und setzen sich klar von den benachbarten Wohnhäusern ab – und doch fügen sich die Baumassen durchaus harmonisch in die Umgebung ein.
Die Moschee mit ihrer auffälligen Außenwirkung und die Gemeinde übten zwischen den beiden Weltkriegen eine besondere Anziehungskraft nicht nur auf schon damals in Berlin lebende diasporische Gemeinschaften muslimischen Glaubens aus, sondern auch auf intellektuelle deutsche Kreise, die das Konzept interreligiöser Gemeindearbeit und die kosmopolitischen Weltsichten anzogen. Zu Vorträgen über die Philosophie des Islam und über muslimische Kultur erschienen auch prominente Besucher wie Albert Einstein, Hermann Hesse und Thomas Mann. Die Gemeinde, in der auf deutsch gepredigt wurde, hatte einen großen Anteil an Konvertiten. Im Jahr 1939 veröffentlichte sie die erste deutsche Übersetzung des Qur’an (Koran). Noch im gleichen Jahr verwiesen die Nationalsozialisten den Imam Sheikh M. Abdullah des Landes, nachdem sie anlässlich der Olympischen Spiele 1936 in der Moschee noch einen Empfang für muslimische Sportler veranstaltet hatten. Die deutsche Konvertitin Amina Mosler als administrative Leiterin der Moschee (bis 1959) sorgte dafür, dass die Moschee selbst während des Zweiten Weltkriegs offen blieb.
Die Kuppel der Moschee, die Minarette und das Imamhaus wurden 1944 durch Artilleriebeschuss stark beschädigt. Nach ersten provisorischen Reparaturen mit Hilfe der Alliierten und mit Spenden aus dem inzwischen pakistanischen Lahore konnte das Bauensemble im Juni 1952 wiedereröffnet werden. Da seit den 1960er Jahren immer mehr Migranten muslimischen Glaubens die Gemeinde prägten, geriet die besondere Gründungsgeschichte der Wilmersdorfer Moschee allmählich in den Hintergrund. Erst mit der jüngsten Sanierung kamen im geborgenen Gemeindearchiv zu Tage diese wieder ins Bewusstsein.
Der Moscheekomplex selbst, der – nach einer ersten nicht denkmalgerechten Instandsetzung ab 1975, einer schrittweisen Sanierung mit Unterstützung u.a. der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ab Mitte der 1990er Jahre (in deren Zuge die beiden Minarette wiederaufgebaut wurden) und nach einem Brandanschlag in der Nacht zum 8. Januar 2011 – ab 2014 erneut und erstmals auch innen umfassend saniert werden konnte, steht dauerhaft außerhalb der Gottesdienstzeiten nach Vereinbarung mit dem Imam zur Besichtigung offen.
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