Bauwelt

Fumihiko Maki

1928-2024

Text: Ellen Kristina Krause

Fumihiko Maki

1928-2024

Text: Ellen Kristina Krause

Meine erste Begegnung mit Fumihiko Maki fand ohne ihn statt. An einem Sonntag schob ich meine Bewerbung unter der Tür seines Büros in Tokio durch. Den Briefkasten hatte ich nicht gefunden, zu sehr war ich eingenommen von dieser Annäherung. Um zum Bürogebäude von Maki & Associates in zweiter Reihe zur Kyu Yamate Dori zu gelangen, durchquert man das vordere Gebäude der Hillside West. Von dort führt ein Dach bis zur Bürotür und bildet einen offenen Korridor im Außenraum. Es ist nur der Zugang zum Büro. Ein Übergang. Und doch hat diese Raumsequenz einen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen: eine helle Stille von ruhiger Selbstverständlichkeit, unaufgeregt zurückhaltend, aber präsent. Diese Stimmung verbinde ich mit Maki-San als Person. Sie ist in jedem seiner Gebäude zu spüren. Sein Charakter scheint seine Architektur zu beseelen.
Maki hat in seiner langen beruflichen Karriere eine weite Entwicklung der (Architektur)Geschichte miterlebt: vom wirtschaftlichen Aufschwung Nachkriegsjapans über die utopischen Ideen des Metabolismus, von internationaler Moderne über die Postmoderne, vom Wiederaufbau des World Trade Centers bis zu den Anforderungen unserer Zeit im Klimawandel. Er hat zahlreiche Projekte in unterschiedlichen Kontexten dieser Welt gebaut. Dennoch gibt es eine zeitlose, übergreifende Konstante in seinem Werk. Für mich ist das nicht die Formensprache der Moderne – oft wird Maki aufgrund seiner Biografie als Vertreter der Moderne, der zwischen West und Ost vermittelt, bezeichnet – sondern die Charakteristik der Übergangs- und Zwischenräume, denen er in seinen Entwürfen eine hohe Bedeutung zumisst. Die Qualität seiner Projekte liegt nicht nur in der sorgfältigen Ausarbeitung bis ins Detail, dem ausgewählten Material und der gekonnten Dimensionierung, sondern vor allem in den Räumen zwischen den Gebäuden, zwischen den Funktionen – in den Räumen, die bei Maki immer mehr sind als Funktion und Erschließung. Die Übergänge überlagern sich, sie führen in die Tiefe des Raums.
Architektur und Stadt sind für Maki nicht trennbar. In seinen zahlreichen Texten beschäftigt er sich mit dem Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen, des Menschen zur Architektur, des Gebäudes zur Stadt. Sein Interesse an räumlichen Formierungen als Ausdruck des Zusammenkommens von Menschen zeigt sich auch in der in sechs Phasen über ein Vierteljahrhundert entwickelten Hillside Terrace, zu der auch die Hillside West mit dem Büro von Maki & Associates gehört. Vereint werden die einzelnen Gebäude durch den sorgfältigen Entwurf von Gehwegen, kleinen Plätzen, zahlreichen Treppen und Passagen zwischen und in den Gebäuden. Es sind helle und ruhige Schwellenräume, die als Übergänge sanft vermitteln zwischen der Stadt und dem individuellen Raum. Unter Einbezug von Licht und Bewegung entstehen innen und außen hochwertige Räume des Dazwischen. Hier zeigt sich Makis tiefgehendes Verständnis für eine menschliche Architektur. Fumihiko Maki ist am 6. Juni im Alter von 95 Jahren zu Hause in Tokio verstorben. Seine Gedanken bleiben uns in seinen Texten erhalten, sein Wesen wird in seiner Architektur überdauern.

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