Bauwelt

Die Suche nach dem Paradies

Das Zürcher Museum Rietberg präsentiert einen sehenswerten Parforceritt durch die mehrere Tausend Jahre alte Geschichte des Gartens

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Kein Garten, keine Landschaft, sondern Urwald in China. Thomas Struth, Paradiese 09, 1999
    Foto: © Atelier Thomas Struth

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    Kein Garten, keine Landschaft, sondern Urwald in China. Thomas Struth, Paradiese 09, 1999

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    Gartenplan aus dem Grab des Sennefer, Ägypten, ca. 1400 v. Chr., Zeichnung von I. Rosellini, 1834
    Abb.: © Universitätsbibliothek Heidelberg

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    Gartenplan aus dem Grab des Sennefer, Ägypten, ca. 1400 v. Chr., Zeichnung von I. Rosellini, 1834

    Abb.: © Universitätsbibliothek Heidelberg

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    Geometrischer Garten, Kupferstich von Abraham Bosse, 1648
    Abb.: © ETH-Bibliothek Zürich, Alte und Seltene Drucke

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    Geometrischer Garten, Kupferstich von Abraham Bosse, 1648

    Abb.: © ETH-Bibliothek Zürich, Alte und Seltene Drucke

Die Suche nach dem Paradies

Das Zürcher Museum Rietberg präsentiert einen sehenswerten Parforceritt durch die mehrere Tausend Jahre alte Geschichte des Gartens

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

2016 begeht man in der Schweiz ein Gartenjahr. Gärten, Parks und Freiräume stünden unter massiver Bedrängnis, so die Botschaft von gut einem Dutzend Veranstalter, jedoch seien sie in einem Land unter hohem Siedlungsdruck, wie die Schweiz es zweifellos ist, von immenser Bedeutung für die Lebensqualität.
Der sieben Hektar große Rieterpark in bester Zürcher Lage, im 19. Jahrhundert als privater Garten mit landschaftlichem Charakter begonnen und kontinuierlich erweitert, trotzt seit ehedem jeglicher Überbauungsbegier. Ab 1945 im Besitz der Stadt und zum öffentlichen Park umgewidmet, eröffnete dort 1952 in der Villa Wesendonck das einzige Schweizer Museum für außereuro­päische Kunst. Es wurde 2007 von den Architekten Alfred Grazioli und Adolf Krischanitz erweitert (Bauwelt 17.2007). Museum und Park bilden derzeit den idealen Ort für die Ausstellung Gär­ten der Welt. Die Schau orientiert sich an der 1914 von Marie Luise Gothein veröffentlichten zweibändigen Geschichte der Gartenkunst.
Eine Ausstellung über Gärten ist, ähnlich wie eine zur Architektur, auf die Repräsentation durch Plandokumente und Abbildungen realisierter Anlagen beschränkt, vielleicht ergänzt um asso­ziative Objekte. Als Kunstgriff lassen die Kuratoren ihr Thema immer wieder von bildnerischen Positionen kommentieren. Gleich als Einstieg etwa leisten diese die notwendige Abgrenzung zur ungestalteten Natur: Thomas Struths großformatiges Foto eines üppigen Dschungels und die gegenüber gehängten drei Fotografien nackter Bodenerosionen von Hans Danuser zeigen erkennbar keine Gärten.
Vom Garten Eden zum Barockgarten
Dazwischen gespannt, entfaltet ein belgischer Wandteppich aus dem 16. Jahrhundert die Idealvorstellung eines Paradiesgartens: Vögel, Blumen und Blätter sind seine typischen Elemente. Die verschämt den Kopf senkende Eva, eine gro­-ße Bronze von Auguste Rodin, ruft den biblischen Sündenfall in Erinnerung, in ihrem Verlangen nach Erkenntnis hat Eva Menschheit und Paradies auf ewig entzweit. Jeder angelegte Garten ist somit auch der Versuch, der wilden Natur eine zeittypische Idee des Garten Eden abzuringen. Das quadratisch oder rechteckig umfasste Terrain gilt als Urform des Gartens, auch schon zu vorchristlichen Zeiten und in anderen Religionen. Die zu simpler Umzäunung verflochtene Weiden- oder Haselnussrute, die Gerte, ist die etymologische Wurzel des deutschen Wortes Garten.
Die bislang ältesten archäologisch nachweisbaren Privat- oder Residenzgärten befanden sich in Ägypten, datieren um 1400 vor Christus. Geometrisch angelegt, dienten sie den Menschen auch als Nahrungsquelle oder waren als Tempel den Göttern vorbehalten. Immer enthielten sie Wasserbecken oder Kanäle. Wasser in zwei sich kreuzenden Kanälen und ein rechteckig bepflanztes Areal sind auch die Merkmale des vierteiligen Gartens Persiens, sie breiteten sich im Islam bis nach Nordafrika und Indien aus. Ein Architekturprogramm aus flankierender Pfeilerhalle oder mehrstöckigen Pavillons schuf schattige Orte der Kontemplation; anders als in den europäischen Gärten der Neuzeit erschloss sich der persische Garten nicht durch die Bewegung im Grünraum.
Der geometrische Kreuzganggarten wurde die Keimzelle des europäischen Gartens, in seiner idealen Disposition im St. Galler Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert überliefert. Der hermetisch abgeschlossene Garten, der Hortus Conclusus, entwickelte sich im Mittelalter zum symbolischen Ort der Spiritualität. Erst mit dem Aufkommen des philosophischen Humanismus befreite sich die Gartenkunst aus der theologischen Sinngebung. In den italienischen Renaissancegärten, etwa der Villa d’Este in Tivoli, entfaltete sich feudales Leben zwischen rauschender Wasserkunst, die geometrische Gliederung wurde nun Ausdruck des menschlichen Zugriffs auf die Natur. Der französische Rationalismus erkor die Mathematik zur Leitwissenschaft der Welterklärung. Die Barockgärten mit ausgetüftelten Perspektiven formulierten einen perfekten Kanon objektiver Regeln der Ästhetik. Wie der politische Absolutismus erstarrte aber auch seine Gartenkunst in der Realitätsfremde.
Der Zaun versinkt
Eine geistige Erneuerung kam mit der Aufklärung und bezog Ideen des südchinesischen Naturverständnisses ein, dem die Geometrie fremd ist. Der von schlängelnden Wegen und Baumgruppen geprägte Landschaftsgarten bot nun durch seine idealisierten Landschaftsbilder die empathische Naturwahrnehmung, inszenierte subjektive, literarisch wie architektonisch angereicherte Sinneseindrücke in der Bewegung. Als englischer Garten wurde er ab Mitte des 18. Jahrhunderts auch auf dem Kontinent stilprägend, in Deutschland etwa in Wörlitz. Lenné schuf Landschaftsgärten in Preußen, von Sckell in Süddeutschland, Hermann Fürst von Pückler seine privaten Anlagen in Muskau und Branitz (Bauwelt 30). Und erstmals verschwand die sichtbare Umfriedung des Areals. Der versunkene Zaun folgte dem chinesischen Prinzip der geborgten Landschaft, eröffnete die universelle Naturvorstellung der Welt als Garten.
Dass die Kuratoren bei diesem Parforceritt durch die Jahrtausende auf zeitgenössische Gartenkonzepte verzichten, ist nachvollziehbar. Leider vertändelt sich ihr Ausblick auf die Moderne in subjektivistischen Künstlergärten wie denen von Monet oder Liebermann. Hier hätte ein neuerlicher Blick in Marie Luise Gotheins Schriften gutgetan: Sie skizzierte bereits die sozialen Anliegen einsetzender Reformbewegungen, die Leberecht Migge oder Harry Maasz im frühen 20. Jahrhundert in den Volksparks für die Menschen der Großstadt umsetzten. Ein hoch aktuelles Thema, wie das Schweizer Gartenjahr zeigt.

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Bilder Gärten der Welt

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