Bauwelt

Ganz PUR

Das Museum für Utopie und Alltag präsentiert formen- und farbenfrohe Möbel, die einem ungewöhnlichen Austausch zwischen DDR und Bundesrepublik um 1970 entstammen.

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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    Entwurf von Lutz Brandt, in der Rubrik „Wohnberatung“ der Zeitschrift „Neue Berliner Illustrierte“, 1973/74.
    Foto: Armin Herrmann; © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

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    Entwurf von Lutz Brandt, in der Rubrik „Wohnberatung“ der Zeitschrift „Neue Berliner Illustrierte“, 1973/74.

    Foto: Armin Herrmann; © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

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    Entwurf von Lutz Brandt, in der Rubrik „Wohnberatung“ der Zeitschrift „Neue Berliner Illustrierte“, 1973/74.
    Foto: Armin Herrmann; © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

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    Entwurf von Lutz Brandt, in der Rubrik „Wohnberatung“ der Zeitschrift „Neue Berliner Illustrierte“, 1973/74.

    Foto: Armin Herrmann; © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Ganz PUR

Das Museum für Utopie und Alltag präsentiert formen- und farbenfrohe Möbel, die einem ungewöhnlichen Austausch zwischen DDR und Bundesrepublik um 1970 entstammen.

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Die Plastik ist etwas Geformtes und Anschauliches, das Plastik ist Synonym für Kunststoffe. Beides kommt in der Ausstellung „PURe Visionen. Kunststoffmöbel zwischen Ost und West“ zusammen. Polyurethan, abgekürzt PUR, beflügelte „hüben wie drüben“ Designer wie Formgestalterinnen. In Kooperation mit dem Kunstgewerbemuseum Dresden, das bereits einen Teil zeigte, wird in Eisenhüttenstadt ein bislang unbeachtetes Crossover zwischen den beiden deutschen Staaten in den Blick genommen.
Den Auftakt macht der französische Philosoph Roland Barthes: „Plastik ist die erste magische Materie, die zur Alltäglichkeit bereit ist.“ Für das 1937 vom Chemiker Otto Bayer erstmals synthetisierte Polyurethan zweifellos zutreffend, wird es doch bis heute universell eingesetzt und ist als Schaumstoff oder in Lacken allgegenwärtig. Als Material für Mobiliar gelang der Durchbruch 1968 auf der Kölner Möbelmesse.
Dort nahm das Ministerium für Außenwirtschaft der DDR Kontakt zur im niedersächsischenLemförde ansässigen Firma Elastogran und dem dort freischaffend tätigen Architekt Peter Ghyczy (1940–2022) auf. Mehrere seiner Entwürfe wurden 1970 vom VEB Synthesewerk Schwarzheide übernommen, darunter das „Garten-Ei“ oder auch „Senftenberger Ei“, welches heute mit der Formgebung der DDR assoziiert wird.
Das Petrolchemische Kombinat Schwedt stellte den in der DDR allgegenwärtigen „Känguru-Stuhl“ oder „z.stuhl“ her. Der Kragstuhl aus einem Guss stammt vom Produktdesigner Ernst Moeckl (1931–2013), ausgebildet an der Ulmer Hochschule für Gestaltung, und wird seit 2020 erfreulicherweise neu aufgelegt.
Den nach dem Produktionsort benannten Sessel „Schwedt 1“ entwickelte 1972 Axel Bruchhäuser (*1943), dessen elterliche Möbelfirma just in dem Jahr enteignet wurde und ihn zur Übersiedlung in den Westen zwang (Bauwelt 11. 2015). Eine weitere populäre Anwendung von PUR waren etwa die Fronten der Systembaumöbel von Rudolf Horn (*1929) für die VEB Deutsche Werkstätten Hellerau, deren Relief an die heute geschätzten Formsteine aus Beton erinnern. Als in Schwedt ab 1972 endlich eine eigene Formgestaltung mit jüngeren Designern begann, musste die Produktion bald eingeschränkt werden. Zum einen erwies sie sich als zu aufwändig, denn die Rohlinge mussten geschliffen, Luftblasen wiederum gekittet und das Objekt anschließend lackiert werden, da PUR kein Farbstoff beigemischt werden kann. Zum anderen verteuerten sich Kunststoffe nach der Ölpreiskrise 1973 deutlich. Weltweit endete der Traum von freigeformten und farbstarken Massenprodukten, die egalitär zugänglich sind.
Die Ausstellung basiert auf den zwei Vorläufern „Alles aus Plaste“ in Eisenhüttenstadt und „Deutsches Design 1949–1989“ in Dresden. Insofern steht zu erwarten, dass die Forschung weitergeht; designgeschichtlich als auch materiell, denn das Bewahren und Restaurieren von Kunststoffen ist eine Herausforderung. Aller Vergänglichkeit zum Trotz steckt die Euphorie in der damaligen Zeit an, die systemübergreifend scheinbar grenzenlose Gestaltungsmöglichkeiten versprach.

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