Grenzen (überwinden)
„Grenzen/Borders“ hieß das Thema des diesjährigen Europäischen Architekturfotografie-Preises. Die besten Arbeiten sind zurzeit im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zu sehen
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Grenzen (überwinden)
„Grenzen/Borders“ hieß das Thema des diesjährigen Europäischen Architekturfotografie-Preises. Die besten Arbeiten sind zurzeit im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zu sehen
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Zum zwölften Mal seit 1995 hat der architekturbild e.v. in diesem Jahr den Europäischen Architekturfotografie-Preis „architekturbild“ ausgelobt und vergeben. Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) präsentiert die besten 28 Bildserien. „Grenzen/Borders“ lautete diesmal das Thema, zu dem 133 Teilnehmer – weniger als in den Jahren zuvor – jeweils eine Viererserie eingereicht haben. Manche Serie überrascht mit ganz eigenen Interpretationen des assoziationsreichen Themas. Doch dass „die vorgelegten Arbeiten (…) durchweg hohes Niveau“ gehabt hätten, wie es Rüdiger Flöge in seinem Katalogbeitrag schreibt, ist zu hoch gegriffen. Im Gegenteil: Im Vergleich zu früheren Runden wäre eher von einem mittelmäßigen Jahrgang zu sprechen.
Die mit dem ersten Preis ausgezeichnete Arbeit „Arrival“ – die unwillkürlich wie ein Annex der derzeitigen Hauptausstellung im DAM („Making Heimat – Germany, Arrival Country“) wirkt – erfordert einiges an Hintergrundwissen, um richtig eingeordnet werden zu können. Die Motive, die Andreas Gehrke in provisorischen Flüchtlingsunterkünften in Berlin gefunden hat, erschließen sich nicht auf den ersten Blick: ein früheres Bürogebäude der Stasi, die banale Inneneinrichtung eines Hotels, ein temporäres Mehrzweckgebäude (auf dem früheren Flughafen Tempelhof) und eine provisorisch abgeschirmte Koje in einer Messehalle, in der nur eine palästinensische Flagge von der Anwesenheit von Flüchtlingen kündet. Den Kontext muss sich der Betrachter hinzudenken oder sich mithilfe des Katalogs erschließen. Formal überzeugt die Serie aus vier unterschiedlichen Einzelmotiven (zwei in Farbe, zwei in Schwarzweiß) nicht recht.
Anders die mit einem von drei weiteren Preisen bedachte Arbeit „Die im Dunkeln“ von Wilhelm Schünemann, die sich Lobbyisten widmet, die sich in der Nähe des Bundestags angesiedelt haben. Die stringente Serie mit vier Hochformaten zeigt diverse Lobbyistenbüros – Ausschnitte von Fenstern, die die Umgebung spiegeln, und von Vorhängen, die jeden Einblick verwehren – und vermittelt eine Ahnung von der verborgenen und oft grenzwertigen Einflussnahme auf das demokratische Geschehen. Die Serie „Revier“ von Matthias Jung verströmt eine unheimliche Atmosphäre: Es sind Nachtaufnahmen von verrammelten Gebäuden in Ortschaften, die dem Tagebau weichen müssen – und wie Kulissen eines längst abgedrehten Thrillers wirken. Von konkreten „Verbrechen“ kündet „stone record“ von Daniel Poller: Nämlich von der Unart, von historischen Gebäuden allenfalls eine Fassade zu bewahren und sie einem Neubau wie eine Spolie einzuverleiben – oft mehr schlecht als recht.
Unter den fünf mit einer Auszeichnung belobigten Arbeiten überzeugen drei konzeptionell wie formal: Martin Dziuba hat die Pariser Hochhaussiedlung „Les Olympiades“ (1969–77) porträtiert, die seit einer Flüchtlingswelle von Asiaten bewohnt wird – wovon auf den menschenleeren und fast monochromen Aufnahmen von „Chinatown“ aber nichts zu sehen ist. Philippe Grollier hat mit „Peacewall“ die Mauer zwischen protestantischen und katholischen Vierteln in Belfast in Szene gerückt, die auch fast zwanzig Jahre nach dem Ende des Nordirlandkonflikts noch immer den Stadtraum (und das Bewusstsein der Menschen) prägt. Und Wolfram Janzers „Wo Himmel und Erde zusammenstoßen …“ spielt gleich in mehrfacher Hinsicht mit dem Thema „Grenzen und ihre Überwindung“: Wie er mit einem klaren Konzept – strenge horizontale Zweiteilung der Motive – und einer Vielzahl von Grauabstufungen Grenzen zieht und zugleich auflöst, das verrät schon eine besondere Meisterschaft und wäre einen Preis wert gewesen.
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