Heikler und weniger heikler Barock
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Heikler und weniger heikler Barock
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Gespenstisch mutete sie an, die Diskussion über den Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam, zu der Anfang Dezember die Berliner Akademie der Künste in ihr Haus am Pariser Platz eingeladen hatte. Wolfgang Huber von der Evangelischen Kirche, die das Projekt unterstützt, Thomas Albrecht vom Architekturbüro Hilmer & Sattler und Albrecht, das den Nachbau plant, und Saskia Hüneke, als Potsdamer Stadtverordnete für die Grünen Streiterin für die Rekonstruktion, hatten Gelegenheit, zu der Kritik Stellung zu nehmen, die in einem offenen Brief im Sommer 2019 formuliert worden war – Mitinitiator Philipp Oswalt trug sie an jenem Abend vor. Doch anstatt auch nur einen einzigen Vorwurf zu entkräften oder wenigstens auf die Kritik einzugehen, wurden nur Phrasen aufgetischt, oder es wurde sich dumm gestellt. Wie an jenem so heiklen Ort deutscher Geschichte der beschworene Lern- und Versöhnungsort entstehen soll, blieb nebulös.
Doch das ist nicht der Hauptgrund für diesen Thementeil über die Hintergründe der Kritik am Nachbau des Barockbaus von Philipp Gerlach, die sich, anders als bei den vielen anderen Rekonstruktionsvorhaben im Land, nicht an architektonisch-städtebaulichen Fragen, sondern an der besonderen Nutzungsgeschichte des Gebäudes und am fragwürdigen Geschichtsbild mancher Förderer seiner Rückkehr ins Potsdamer Stadtbild festmacht. Der Grund, die Nutzungsgeschichte der Garnisonkirche und den Vorlauf ihres Nachbaus zu beleuchten, ist vielmehr, dass sich nun doch noch ein Ausweg zu öffnen scheint aus der Feindseligkeit, in die das Projekt die Potsdamer manövriert hat: Der Mix aus Künstlern, Start-ups und Kreativwirtschaftlern, der sich im benachbarten Rechenzentrum angesiedelt hat, könnte mit ideologiefreiem, auf die Zukunft statt auf die Vergangenheit gerichtetem Tun jenen kleinen Schubs ausgelöst haben, der ein neues Miteinander von älterer und jüngerer Geschichte, Gegenwart und Zukunft an diesem Ort ermöglicht – in weniger verhärteten Lagen ein selbstverständlicher Ansatz.
Militello und Pagnano
Entspannter lässt sich mit dem baulichen Erbe umgehen, wenn es nicht um den Nachbau eines NS-Symbolorts nach Totalzerstörung geht. Beispiel Militello: Die barocke Sakralarchitektur der sizilianischen Kleinstadt, Weltkulturerbe der UNESCO wie Potsdams Schlösser und Gärten, wird Schritt für Schritt saniert, mit neuen Nutzungen in zeitgenössischer Weise ergänzt und bleibt so Teil des alltäglichen Lebens. Giuseppe Pagnano, der zuständige Architekt, starb 2017; seine Bibliothek steht Forschern und Besuchern seit Kurzem offen.
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