Bauwelt

Hilferuf für ein Meisterwerk

Alvar Aaltos Kirche der drei Kreuze in Imatra gehört zu den bedeutendsten Sakralbauten der Moderne. Wegen schwerer Bauschäden ist sie derzeit geschlossen. In den nächsten Jahren soll sie grundlegend saniert werden.

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

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    Als der Fotograf Klaus Kinold die Kirche im Frühjahr 2010 ablichtete, war sie äußerlich noch unversehrt.
    Foto: Archiv Klaus Kinold, München

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    Als der Fotograf Klaus Kinold die Kirche im Frühjahr 2010 ablichtete, war sie äußerlich noch unversehrt.

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    Aufnahme von 2022.
    Foto: Mari Parkkinen

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    Aufnahme von 2022.

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Hilferuf für ein Meisterwerk

Alvar Aaltos Kirche der drei Kreuze in Imatra gehört zu den bedeutendsten Sakralbauten der Moderne. Wegen schwerer Bauschäden ist sie derzeit geschlossen. In den nächsten Jahren soll sie grundlegend saniert werden.

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Alvar Aalto war kein traditionell religiöser Mensch, sondern verstand sich im Sinne Voltaires als Agnostiker. Sein Biograph Göran Schildt spricht sogar von einer „Antipathie“ gegen die Amtskirche. Dennoch hat Aalto sieben christliche Kirchenbauten ausgeführt: vier in Finnland, zwei in Deutschland und einen in Italien – diesen für eine römisch-katholische Gemeinde. Am Sakralbau faszinierte ihn, dass er freie, humanistisch inspirierte Raumvorstellungen verwirklichen konnte.
Den Höhepunkt in seinem Werk als Kirchenarchitekt bildet zweifellos die 1958 fertiggestellte Kirche der drei Kreuze in Imatra, einer Industriegemeinde, die nach dem finnisch-sowjetischen Waffenstillstand von 1944 in eine östliche Randlage geriet, unmittelbar an der Grenze zu Russland. Aufgrund ihrer innenräumlichen Gliederung kann die Kirche im Rahmen der modernen Sakralarchitektur sogar als einzigartig gelten. Nicht umsonst wurde sie in der Serie der Aalto-Bauten für das Weltkulturerbe der Unesco nominiert (Bauwelt 5.2021).
Ihren Namen trägt die Kirche nach den drei Kreuzen am Altar. Zusammen mit dem Pfarrhaus liegt sie in einem Kiefernwäldchen im Ortsteil Vuoksenniska. Der schlanke, stolze 34 Meter hohe Kirchturm ist an seiner Spitze plastisch gestaltet, weil in der Umgebung mehrere Fabrikschlote stehen. Aaltos Entwurf ging zum einen von den akustischen Anforderungen der Lutheranischen Liturgie aus: Der mehrfach gewölbte, zum Altar hin ansteigende Kirchensaal unterstützt die Schallführung von Wort und Orgel. Die Raumfigur bildet sich im Außenbau ab, der nur bei einem Rundgang erfasst werden kann. Auf der Ostseite des Gebäudes drücken sich die drei „Häuser“ in großen Fenstergruppen aus.
Zum anderen dient der Bau – in einer Industriegemeinde besonders verständlich – nicht nur kirchlichen, sondern auch sozialen Aktivitäten. Deshalb lässt sich der Saal mit insgesamt sechs Eingängen mehrfach unterteilen. Dass ihm so­ziale Arbeit in der Kirche selbst wichtig war, betonte Aalto 1959 in einem grundlegenden Aufsatz: Ein „Konglomerat“ verschiedener Gebäude lehnte er ab – es sollen die unterschiedlichen Funktionen in einem Baukörper möglich sein.
Der Kirchensaal umfasst 800 Plätze. Durch schallschluckende Schiebewände, die teilweise in den Betonstützen verborgen sind, lässt er sich in drei Bereiche unterteilen. Tatsächlich wurde im hintersten Teil auch schon Volleyball gespielt, ohne andere Aktivitäten zu stören. Ausreichendes Tageslicht erhält der tiefe Raum durch drei große, in der Ostfassade liegende Fenstergruppen. Unter den insgesamt 103 verglasten Öffnungen haben nur zwei dasselbe Format.
Auch wenn die Kirche im Ort anfangs nicht unumstritten war, hat sie zum internationalen Ruhm des Architekten wesentlich beigetragen. Der Architekt Leonardo Mosso, später Hochschullehrer in Turin, der von 1955 bis 1958 in Aaltos Büro gearbeitet hatte, sprach vom ersten großen Werk in dessen zweiter weißer Periode: „Der Innenraum, der in Bewegung ist und im dreiteiligen Volumen beständig ansteigt, wirkt wie ein Musikinstrument für die Stimme und die Seele.“ In Finnland selber preist nicht nur die Architekturhistorikerin Riitta Nikula den Kirchensaal: „In allen seinen Variationen verhilft dieser asymmetrische Raum zu lyrischen Erfahrungen.“
Auch bei unserem zweiten Besuch im Jahr 2005 vermittelte das Bauwerk einen intakten Eindruck. Wie jetzt der Architekt Tapani Mustonen in einem Bericht bekannt gemacht hat, gab es aber schon seit Jahrzehnten Probleme beim Bauunterhalt, etwa mit dem während des Winters auf dem Kupferdach schmelzenden Schnee, der an der Traufe als Schneematsch wieder fror. Inzwischen ist das Gebäude ein „multisymptomatischer Patient“. Das beginnt bei der verfaulten Schalung des Kirchenbodens, die eine Belastung der Raumluft bewirkt hat. Die Entfernung der Schalung ist fast abgeschlossen.
Weitere große Probleme betreffen das Kupferdach: Es zeige Schäden durch Wärmeausdehnung, die Traufkonstruktionen benötigten vollständige Reparatur und die Dachentlüftung müsse radikal verbessert werden, schreibt Tapani Mustonen. Durch diese Schäden sind bereits große Flächen der weißen Putzfassaden in Mitleidenschaft gezogen worden. Nicht zuletzt geht es darum, Kirche und Pfarrhaus haustechnisch wie auch energetisch auf den heutigen Stand zu bringen.
Die Grundsanierung der ganzen Anlage wird von einer Projektgruppe betreut, welche die Gesamtplanung Anfang 2023 abschließen möchte. Noch offen ist aber die Frage, wie die rund 1,5 Millionen Euro für die Sanierung aufgebracht werden können. Zwar kann die Kirchengemeinde Beiträge vom Oberkirchenamt erwarten, doch sind weitere Mittel notwendig.
Der Unterstützungsverein „PRO Kolmen Ristin Kirkko Imatra“ hat deshalb einen Hilferuf gestartet, um Geld zu sammeln. Erhofft wird auch die finanzielle Hilfe von Aalto-Freunden im Ausland, die dem Verein beitreten können (info@kolmenristinkirkko.fi). Das Ziel der Projektgruppe ist es, dass das Meisterwerk in etwa drei Jahren erneut eröffnet werden kann.

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