Ideen für Berlin
Von Poelzig über Ungers bis Hadid: Das Museum für Architekturzeichnung zeigt Berliner Projekte aus 70 Jahren
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Ideen für Berlin
Von Poelzig über Ungers bis Hadid: Das Museum für Architekturzeichnung zeigt Berliner Projekte aus 70 Jahren
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Man muss sich einmal Fotos aus dem Jahr 1990 ansehen, die Berlin an den Nahtstellen seiner beiden bis dahin getrennten Stadthälften zeigen. Man traut seine Augen nicht: Diese trostlosen Brachen sollen Berlin sein? Nochmals trostloser als der zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend freigeräumte Mauerstreifen war die Gegend um den Potsdamer Platz.
1990 gab es noch keine Vorstellung, wie dieser einstige Brennpunkt großstädtischen Lebens künftig gestaltet werden sollte. In die Denklücke hinein sprangen die „FAZ“ und das in Frankfurt beheimatete Deutsche Architekturmuseum (DAM), die einen „Ideenwettbewerb“ unter dem Titel „Berlin morgen“ veranstalteten. „Es ging nicht darum“, schrieb die Zeitung zur Präsentation der Entwürfe von 17 Architekten, „detaillierte Lösungen für spezifische Orte zu erarbeiten. Es ging vielmehr um prinzipielle Ideen für die Neugestaltung des historischen Zentrums…“
Was damals erdacht wurde, blieb unverwirklicht, das sowieso, führte aber auch zu keinerlei Vertiefung. Die Politik ging andere Wege. Die schönen Zeichnungen wanderten ins Museum, naheliegenderweise ins DAM. Von dort sind nun einige nach Berlin gekommen, in eine Ausstellung des Museums für Architekturzeichnung. Sie vereint unter dem Titel „Berliner Projekte. Architekturzeichnungen 1920–1990“ eine Reihe herausragender Blätter, bei denen nicht der Entwurf im Vordergrund steht, sondern der Charakter der eigenhändigen Gestaltung.
1990 war die Postmoderne im Abklingen begriffen. Doch auf Zeichenbrettern und Entwurfsblöcken konnte sie noch einmal ihre künstlerische Kraft entfalten: Der Italiener Mario Bellini hatte den Einfall eines enormen Rundbaus auf dem Gelände von Schloss und DDR-„Palast“, den er hinter den sorgfältig gezeichneten historischen Bauten des Linden-Boulevards versteckte. Der Franzose Bernard Tschumi hingegen dekonstruierte zeittypisch die Berliner Blockstruktur.
Wunderbare Blätter, die mit Arbeiten zum Reichstag zusammengespannt sind, dem zweiten Schwerpunkt der Ausstellung. Es ist nur konsequent, dass als Hauptstück dieses Kapitels, eine zweieinhalb Meter breite Collage von Christo, den Raum dominiert: Hier geht es um Kunst, nicht um penible Ausführungszeichnungen. Es ist die Ironie der Geschichte, dass nun gerade diese, die künstlerischste Arbeit der ganzen Ausstellung, zur Ausführung kam. Liest man Christos Erläuterungen im Katalog, wird man gewahr, dass Christo weitaus genauere Überlegungen zur Umsetzung seines Entwurfs gemacht hat als irgendein gelernter Architekt. Der Fall des Gewebes, sein Faltenwurf, das Spiel des Windes um das Haus: All das ist in seiner Zeichnung präzise und doch poetisch imaginiert.
Dass Norman Foster mit dem Entwurf einer als „Tankstellendach“ belästerten Segeltuchüberspannung des ganzen Hauses den Reichstagswettbewerb gewann und dann etwas vollständig anderes bauen musste, gehört zu den Kapriolen öffentlichen Bauens. Dass es sehr wohl Kuppelentwürfe von Anfang an gab, zeigt die kraftvolle Kohlezeichnung von Gottfried Böhm. Sie verweist zurück auf die Jahrzehnte vor dem Zweiten Weltkrieg, als Zeichnen zum Handwerk des Architekten gehörte. Auch ein Baumeister, von dem lediglich der Name „R. Rettig“ als Urheber von zwei großformatigen Visualisierungen eines Kino-Geschäftshaus-Komplexes „Atlantik“ überliefert ist, konnte nach Art von Erich Mendelsohn urbanes Hochgefühl entfachen, 1930 in einer Mischung aus Expressionismus und Art déco. Von Hans Poelzig sind wunderbare Farbzeichnungen für das Große Schauspielhaus von 1919/20 und das Messegelände am Funkturm von 1928/29 zu sehen.
Über Oswald Mathias Ungers, dessen Entwurf für die Museumsbauten am Kulturforum bereits aufs Jahr 1965 datiert, aber eher nach 1985 aussieht, kommt der Betrachter zur IBA 1987. Alvaro Sizas zarte Bleistiftskizzen gelten dem Eckhaus in der damals hintersten Ecke von Kreuzberg, das mit dem gleich nach Fertigstellung aufgesprühten Graffito „Bonjour tristesse“ in den Berliner Anekdotenschatz eingegangen ist.
Zum Abschluss dann Zaha Hadid mit einem makellosen Großformat, ein Gebäude am Kurfürstendamm vorstellend, aber eigentlich ein autonomes Kunstwerk: Damals glaubte man noch nicht, dass sich solche, scheinbar im schwerelosen Raum situierten Objekte, jemals verwirklichen lassen. Dank des Computers gelang und gelingt es, und so ist es folgerichtig, dass hier der Schlusspunkt der Ausstellung gesetzt ist: Der Computer löst die Zeichnung ab und tritt an die Stelle der sinnlichen Arbeit des Architekten.
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