Bauwelt

Instagramable Radikalität

Die aktuelle Ausstellung ausgewählter Werke des Architekten Heinz Bienefeld im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main bleibt eigenartig an der Oberfläche.

Text: Kasparek, David, Bonn

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    Das Haus Babanek in Brühl, realisiert 1991 bis 1995.
    Foto: Constantin Meyer

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    Das Haus Babanek in Brühl, realisiert 1991 bis 1995.

    Foto: Constantin Meyer

Instagramable Radikalität

Die aktuelle Ausstellung ausgewählter Werke des Architekten Heinz Bienefeld im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main bleibt eigenartig an der Oberfläche.

Text: Kasparek, David, Bonn

„Antike Radikal“ heißt die aktuelle Ausstellung von Häusern und Kirchen des 1995 verstorbenen Architekten Heinz Bienefeld im Deutschen Architekturmuseum. Damit hängt die Messlatte für die Schau in Frankfurt recht hoch. Zum einen, weil sich Bienefeld – wie andere lokal agierende Architekten und Architektinnen – in den letzten Jahren zu einem Social-Media-Liebling gemausert hat und entsprechend viele Augen an den Main gerichtet sind, zum anderen, weil der Titel der Ausstellung sein Werk zurecht in einen größt­- möglichen architektonischen Zusammenhang stellt.
Zu sehen sind realisierte wie projektierte Bauten unterschiedlicher Größenordnung. Von der Kirche St. Remaclus in Cochem, die Heinz Bienefeld als Mitarbeiter von Emil Steffann von 1964 bis 1968 maßgeblich plante, bis zu einem nicht eingereichten Wettbewerbsbeitrag für die Wohnbebauung an der Erfurter Krämerbrücke 1994, werden die Gebäude in Zeichnungen, Modellen und – so denn möglich – auch mittels aktueller Fotografien von Constantin Meyer präsentiert. Darunter sind wunderbare Entwürfe. Das Haus Wilhelm Nagel etwa (Köln Wesseling, 1970), das Doppelhaus Heinze-Manke (Köln Rodenkirchen, 1988), das Haus Babanek (Brühl 1995) oder die Pfarrkirchen St. Willibrord (Mandern-Waldweiler, 1973) und St. Bonifatius (Wildbergerhütte, 1981). Eine reizvolle Auswahl, weil sie um die ungebauten Projekte ergänzt ist und so eine Genese im Werk des Architekten nachvollziehbar macht, die weiter reicht als die Oberflächlichkeit von Instagramposts – das Haus Babanek ist ein steter Garant für viele Likes. Die wenig bekannten Entwürfe für die Opéra de la Bastille, eine Kirche im kongolesischen Goma, oder die städtebauliche Neuordnung der Berliner Spreeinsel zeigen nicht nur ein deutlich über den Einfamilienhausbau hinausreichendes Betätigungsfeld, sondern eben auch eine sukzessive Ausweitung des eigenen Gestaltungskanons.
In der Tat sind die Bezüge zu Antike und Renaissance im Werk Bienefelds unverkennbar. Proportionen, Säulenordnungen und Pfeilerstellung, Grundrisskonfigurationen und Giebelmotive: All das ist an der Architekturgeschichte geschult. Die kurzen Texte weisen darauf hin, bleiben aber oberflächlich. Was genau an den Projekten sich wie aus der Historie speist, wird nur angerissen, nicht aber ausgeführt. So ist die Ausstellung für Architektinnen mit entsprechendem Vorwissen gut lesbar, die feinsinnigen Hintergründe der Architektur von Heinz Bienefeld jedoch bleiben interessierten, aber fachfremden Besucher verborgen. Dazu kommen kleinere Unachtsamkeiten in Ausstellung und Katalog: zwei fehlerhaft dem Architekten zugeschriebene Ansichtszeichnungen, die nach Auskunft seiner Familie nicht aus der Feder von Heinz Bienefeld stammen, dazu wird ein Modell des Glockenturms des Gemeindezentrums St. Katharina von Siena in Köln-Blumenberg (1991) – auf dem Kopf stehend – als Arbeitsmodell des zwischen 1987 und 1989 der Pfarrkirche St. Willibrord hinzugefügten Glockenturms ausgewiesen.
Ärgerlicher als die Flüchtigkeitsfehler ist jedoch, dass die fehlende Tiefe der Ausstellung über die gekannte Rezeptionsgüte der sozialen Medien nur geringfügig hinausreicht. Wie auf Instagram machen die Zeichnungen und Fotografien auch in der Ausstellung viel her. Der Katalog immerhin führt mit seinen Texten deutlich mehr in die Tiefe, bleibt aber auf dem Niveau einer zweitklassigen Broschüre, die zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit bei der Nummerierung der Abbildungen auf der einen und freudlosem Layout auf der anderen Seite sonderbar wenig feinfühlig ist. Der Architektur Heinz Bienefelds wird er viel weniger gerecht als die Ausgabe der japanischen Zeitschrift a+u 2019, von der 1999 im Rahmen der Schriftenreihe des DAM vorgelegten Publikation „Heinz Bienefeld 1926–1995“ ganz zu schweigen.

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