Bauwelt

Joachim Schürmann

1926–2022

Text: von Lom, Walter, Köln

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Foto: Schürmann Architekten

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Joachim Schürmann

1926–2022

Text: von Lom, Walter, Köln

Als Student an der Technischen Hochschule ­Aachen erlebte ich Joachim Schürmann 1963/64 in einem Vortragszyklus junger, erfolgreicher ­Architekten; dazu gehörten Oswald Mathias ­Ungers, Rudolf Schwarz und Paul Schneider-Esleben. Mit großer Begeisterung, die uns alle ­ansteckte, stellte Schürmann seine minimalistischen Stahlkonstruktionen vor, die Kirchen St. Stephan in Köln-Lindenthal und St. Pius in Flittard und insbesondere sein eigenes Haus im Bungalowstil der Nachmoderne, das anfangs in seinem Kölner Bürgerhausviertel als „Tankstelle“ tituliert wurde.
Schon damals haben mich seine Persönlichkeit, seine Ausstrahlung, seine Bescheidenheit – und die daraus resultierende Architektur fasziniert: aufs Minimum reduziert in der Konstruktion und in den Gestaltungsmitteln, ernsthaft, exakt und ohne jeden Kompromiss, ohne die eigene charakteristische, erlebbare Atmosphäre aufzugeben.
Nach meinem Diplom 1966 entschied ich mich gezielt für das Büro Joachim Schürmann Architekten, und ich bin dort sechseinhalb Jahre durch eine mich für immer prägende Schule gegangen. Nie habe ich wieder so intensiv gearbeitet wie in dieser Zeit, die Tage gingen dabei meist in die Nächte über. Und immer waren Joachim Schürmann und seine Frau Margot dabei, die für ihn nicht nur Ehefrau und Mutter ihrer vier Kinder war, sondern auch Architektin, ohne deren Meinung und intensive Mitarbeit kein Projekt so wie geschehen verwirklicht worden wäre.
Wir hatten große Freiheiten in der Entwurfsarbeit, aber letzte Entscheidungen wurden ausschließlich von den Schürmanns getroffen – von uns Mitarbeitern, wenn auch manchmal anders priorisiert, stets mitgetragen. Kein Plan, aus welcher Arbeitsphase auch immer, verließ das Büro ohne die Kontrolle und Unterschrift von Joachim Schürmann. Das zähe Ringen, bis zu dem Punkt zu kommen, an dem jedes Detail der grundlegenden Entwurfsidee entsprach, hat zu einem hohen Zeit- und Kosteneinsatz geführt, der ausschließlich der Klarheit, Einfachheit und Logik der Projekte zugutekam. Alles andere, die Familie, auch die Familien der Mitarbeiter, musste ­zurückgestellt werden, doch die Freude an den Projekten und das partnerschaftliche Miteinander aller Beteiligten überbrückten jede Schwierigkeit. Das jeweilige „Sie“ im Büro war selbstverständlich, der gegenseitige kollegiale Respekt befruchtete die Diskussionen.
Joachim Schürmann, geboren in Viersen, aufgewachsen in Dresden und Darmstadt, mit 17 Jahren noch in den Krieg gezogen, studierte in Darmstadt Architektur – bei Karl Gruber mit dem Schwerpunkt der mittelalterlichen Stadt, Ernst Neufert, dem Vater der Bauentwurfslehre, Josef Thiedemann, dem konsequenten Gestalter, und dem Statiker Wilhelm Schorn. Hier lernte er Margot Schwilling kennen, seine spätere Ehefrau und Partnerin. Die beiden zogen 1949 in das ­völlig zerstörte Köln, wo sie nach kurzer Angestelltenzeit Mitte der fünfziger Jahre ihr Büro gründeten und 1957 mit dem Bau des eigenen, nutzungsvariablen Hauses, das Raum für Familie und Büro gleichermaßen bot, den Maßstab für alle kommenden Projekte setzten.
Für Schürmann war, wie er 1984 anlässlich der Verleihung der Tessenow-Medaille sagte, Ziel der Projekte „die Ratio und die Seele zusammenzubringen, die Tugenden der Besonnenheit, der Mäßigung, die unterschiedlichen Elemente wie Kraft, Logik und Anmut und Traum zu einem Bauwerk zusammenzufügen“. Dieses Ziel hat er bei fast allen Projekten erreicht. In den frühen fünfziger Jahren: St. Stephan in Köln, die Schaffung eines einfachen kubischen Raumgefüges mit religiös-mentaler Ausdrucksstärke. Oder die Restaurierung der Krypta von St. Gereon, einer Ergänzung, die reduziert in Farbgebung und gestaltender Eigenständigkeit den vorhandenen Charakter begreift.
In den sechziger Jahren baute er das Haus seines Bruders in Irland, bei dem handwerkliches Können zu höchster Baukunst entwickelt wurde, und St. Pius in Neuss oder auch das Haus Klöcker im Hahnwald, wo mit den Möglichkeiten betonskulpturaler Formgebung spannungsvoller Wohn- bzw. Sakralraum geschaffen wurde. Zehn Jahre später vermittelte er mit den Rat- und Bürgerhäusern in Rheda-Wiedenbrück und Bad Honnef die Schürmannsche Klarheit und Offenheit; es entstand das Paketpostamt in Köln, eine in den Maßstab der Großstadt eingepasste, spannungsreich gegliederte Großskulptur.
Durch all die Jahre begleitete Joachim Schürmann das Thema Sanierung, beispielsweise der Wiederaufbau der Kirche Groß St. Martin in Köln mit einer in die Zukunft gerichteten Gestaltung und deren neuer, den Maßstäben der Altstadt­bebauung angemessen Wohnumbauung.
Und während der letzten beiden Dekaden begleitete die Schürmanns das große Büroprojekt für die Abgeordneten des Deutschen Bundestags in Bonn, mit seiner wechselvollen Bau- und Nutzungsgeschichte heute ein überzeugend ­gegliederter skulpturaler Flachbau, der sensibel in die Rheinauenlandschaft eingefügt ist.
Bei all diesen Projekten kommen die Charakterzüge Joachim Schürmanns, seine Unbestechlichkeit, sein Durchsetzungsvermögen, seine Bescheidenheit und auch seine Lebensfreude zum Ausdruck. Umgesetzt mit einem brillanten Umgang mit verschiedensten Materialien und zurückhaltender Farbgebung, in minimierter, einfacher Konstruktion und wohlgeformten Volumina in immer spannungsreich gegliederten Propor­tionen. Stets eingefügt als selbstständige, selbstbewusste Neuformen in vorhandene gebaute Strukturen und Landschaften. Und das Ganze entstand aus der Zusammenarbeit zweier unterschiedlicher Seelen mit einer gemeinsamen Zielsetzung. All das habe ich in den sechziger Jahren aus dem Büro Schürmann mitgenommen und bin dafür sehr dankbar.

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