Bauwelt

Kein Kreis, keine Diagonale

Piet Mondrian im Kunstmuseum Wolfsburg

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    So funktioniert Pop: Die Chiffre Mondrian ist unverwechselbar und unmittelbar wiederzuerkennen, ...
    Foto: Marek Kruszewski

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    ... egal, in welcher Form und welchem Material.
    Foto: Marek Kruszewski

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Kein Kreis, keine Diagonale

Piet Mondrian im Kunstmuseum Wolfsburg

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Wenige bildende Künstler des 20. Jahrhunderts haben eine solche Wirkung in weitere künstlerische Disziplinen, vor allem aber bis tief hinein in die Populärkultur entfaltet wie der Niederländer Piet Mondrian (1872–1944). Dafür muss man jedoch den Blick auf einen Ausschnitt seines Werkes beschränken, jene Phase zwischen etwa 1920 und 1940 mit ihren so plakativen wie eingängigen geometrischen Kompositionen aus flä­chigen Primärfarben und schwarzen Linien, von Mondrian Neoplastizismus genannt. Für eine leichtere Adaption dieser Idee soll er sogar seinen Geburtsnamen Mondriaan um ein a bereinigt haben, um eine nationale Zuschreibung zu vermeiden.
Das Kunstmuseum Wolfsburg hat gleich am Beginn des Parcours der Ausstellung „Re-Inventing Piet“ eine eindrucksvolle Strecke von Re­ferenzen an diese Werkphase versammelt. Da wären Lego-Baukästen in den Mondrian-Farben Gelb, Blau und Rot, ergänzt um schwarze Elemente, ein dreifarbiges Mountainbike, T-Shirts, Stiefeletten und weitere Bekleidungsstücke, sogar Magdalena Drostes schwergewichtiger Bauhaus-Band ist wegen seines mondrianes­ken Schutzumschlags dabei. Es überzeugt auch die raffinierte Interpretation von Mondrians Gra­fik durch Yves St. Laurent in Gestalt schmal geschnittener Minikleider aus der Herbst-Kollek­tion 1965. Das muss man erst einmal schaffen: Mondrians Flächenkunst an die dreidimensionalen Konturen des menschlichen, weiblichen Körpers anzupassen.
Dass zeitgleich tätige und im Austausch stehende Künstler sich wechselseitig beeinflussen, ist naheliegend. Bei Mondrian ist es jedoch nicht so leicht, eine eindeutige Richtung des Ideenflusses festzumachen. 1917 gehörte nicht nur er zu den Gründungsmitgliedern der Grup­­pe „De Stijl“ mit Sitz im holländischen Leiden, sondern auch der Maler Bart van der Leck (1876–1958), der interdisziplinär arbeitende Künstler Theo van Doesburg (1883–1931) sowie die Architekten J. J. P. Oud (1890–1963) und Gerrit Rietveld (1888–1964). Mondrian würdigte später einmal van der Leck für seinen Mut, erstmals ungemischte Primärfarben auf rechteckigen Flächen verwendet zu haben. De-Stijl-Inkunabeln wurden jedoch Rietvelds rotblauer Stuhl von 1917 und sein Schröder-Haus in Utrecht, 1924 realisiert. Mondrians Raumschöpfung eines Studierzimmers der Dresdner Sammlerin und Mäzenin Ida Bienert von 1926 hingegen blieb ein Entwurf. Mit Raum experimentierte er auch in seinem eigenen Atelier in Paris nicht, in der Rue du Départ, das er mit Unterbrechungen zwischen 1911 und 1938 unterhielt. In der Wolfsburger Ausstellung ist es als Modellrekonstruktion zu sehen.
Um raumbildendes Schaffen ging es Mondrian offensichtlich nie. Ihn interessierte die Überwindung der Illusionskunst Malerei. Sie liefert heute, nicht nur dank Mondrian, kein Abbild mehr, sie arbeitet folglich auch nicht mehr daran, eine dreidimensionale Realität in die zweidimensionale Fläche zu überführen. Die Malerei ist autonom geworden und findet ihre ganz eigenen Gesetze der Harmonie und Komposition. Für Mondrian bedeutete dies die Beschränkung auf den rechten Winkel als universelles System eines besseren Daseins. Den Kreis und die Diagonale schloss sein Weltbild aus.
Was sektiererisch klingen mag, eröffnete ihm einen erstaunlich flexiblen Gedankenraum, den er in New York ab 1940 nutzte. Während der Jazz-Liebhaber Mondrian mit seinem luftig flirrenden, um 45 Grad gedrehten „Victory Boogie Woogie“ 1944 nicht nur das Ende des Zweiten Weltkriegs freudig antizipierte, arbeiten sich Künstler bis in die Gegenwart an seinem neoplastischen Hauptwerk ab.

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