Maximale Beiläufigkeit
Solange Rubens „Kreuzigung Petri“ restauriert wird, füllt zeitgenössische Kunst den Leerraum in der Sankt Peter Köln.
Text: Drewes, Frank F., Bielefeld
Maximale Beiläufigkeit
Solange Rubens „Kreuzigung Petri“ restauriert wird, füllt zeitgenössische Kunst den Leerraum in der Sankt Peter Köln.
Text: Drewes, Frank F., Bielefeld
Kirchen sind traditionell ein Hort der Kunst. Handelte es sich über Jahrhunderte um sakrale Malerei und Handwerkskunst, so ist aktuell Gegenwartskunst der Schwerpunkt vieler kirchlicher Sammlungen. Mustergültig führt dies das Diözesanmuseum Kolumba in Köln vor. Nur einige hundert Meter entfernt befindet sich die spätgotische Kirche Sankt Peter, die im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde und deren Wiederaufbau durch das Nebeneinander disparater Wände, Böden und Decken gekennzeichnet war. 1987 initiierte Pater Friedhelm Mennekes S.J. die Kunst-Station Sankt Peter, die den Dialog zwischen Kunst und Kirche sowie zwischen Kunst und Religion als Mission hat.
Zur Jahrtausendwende wurden die Nachkriegseinbauten durch den Architekten Ulrich Wiegmann zurückgebaut und der Schwerpunkt auf eine archaische Raumwirkung gelegt, die allein von dem Betonboden, dem sandsteinfarbenen Wandputz und der grau lasierten Holzdecke getragen wird. Eine Granitskulptur des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida, die von 2000 bis 2004 als Altar diente und heute im Seitenschiff steht, sowie der monolithische Betonaltar in der Apsis, sind die einzigen Möblierungen im Raum. Der asketische Raum kann für Interventionen, Kunstprojekte, Konzerte und Vorträge dienen und wird nur bei Bedarf mit Stühlen möbliert. Formal ist die Kunst-Station ein ebenbürtiger Partner von Kolumba.
Sankt Peter ist als Taufkirche des flämischen Malers Peter Paul Rubens bekannt, der 1577 in Siegen geboren wurde und die ersten zwölf Jahre seines Lebens im Sprengel dieser Kölner Pfarrei verbrachte. Kurz vor Lebensende schuf er noch die Auftragsarbeit „Kreuzigung Petri“, die − mit Unterbrechungen − seit 1642 in Sankt Peter hängt. Im Oktober 2019 wurde das Bild zur Restaurierung auf die Empore gebracht, wo seitdem an der Sicherung des Meisterwerkes gearbeitet wird. Unter dem Motto „Replace Rubens“ forderte der Kunstbeirat Künstler und Künstlerinnen auf, diese Leerstelle temporär mit eigenen Arbeiten zu besetzen. Den Auftakt machte Gerhard Richter im Frühjahr letzten Jahres mit seinem Grauen Spiegel, bei dem es sich um eine 2,28x2,28 Meter große Glasscheibe handelt, die rückwärtig grau eingebrannt ist. Diese Arbeit besetzte anfänglich genau die Wandstelle, wo sich das Rubensgemälde befand. Nachdem Richter sein Werk der Kirche gestiftet hatte, fand sie einen dauerhaften Platz im nördlichen Seitenschiff. Die Spiegelung durch das grau hinterlegte Glas ist deutlich subtiler als bei einem Spiegel und transformiert somit das Gesehene auf eine fast transzendentale Ebene.
Die künstlerische Intervention zu Ostern war ein singuläres Un(heil)kraut des New Yorker Künstlers Tony Matelli. Es gehört zur Serie „Weeds“ und stellt ein hyperrealistisch nachgebildetes Echinacea Paradoxa dar, das auch unter „Seltsamer Scheinsonnenhut“ firmiert. Die kleine Skulptur besteht aus bemalter Bronze und scheint in der Apsis aus der Fuge zwischen Wand und Boden zu sprießen − was aufgrund des Feuchtigkeitsschadens im Sockelbereich nicht ganz abwegig erscheint. Richters und Matellis Arbeiten könnten unterschiedlicher kaum sein und doch verbindet die beiden das Selbstverständnis maximaler Beiläufigkeit. Derzeit ist noch Liam Gillicks großformatige Wandgrafik „Kinetic Energy of Rigid Bodies” zu sehen, bevor die amerikanische Künstlerin Kara Walker dann bis September den vierten Beitrag in der Reihe „Replace Rubens“ unter dem Titel „Replace Rubens… with a Fortune Telling Device“ eine flächige Papierarbeit zeigen wird.
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