Olaf Weber (1943–2021)
Text: Zimmermann, Gerd, Weimar
Olaf Weber (1943–2021)
Text: Zimmermann, Gerd, Weimar
Auf Grundlage eines Forschungsauftrages der Bauakademie in Berlin hatten drei Architekturstudenten – Olaf Weber, Friedrich Rogge und Gerd Zimmermann – den intensiven Versuch unternommen, die Architekturtheorie, zumindest jene in der DDR, von neuen wissenschaftlichen Grundlagen her zu denken. Architektur sollte als ein Kommunikationsmittel begriffen werden, genauer verstanden anhand der Denkmodelle der Semiotik, der Informationstheorie und der Psychologie. Es ging darum, der Architektur ihren Rang als Zeichen, Sprache, Symbol, Matrix von Emotionen und Kognitionen zurückzugeben, ihren Rang als ein herausragendes Medium, jenes „steinerne Buch der Menschheit“, von dem schon Victor Hugo sprach. Dieser Korpus an Theorie enthielt die Forderung nach einer Neubestimmung der Architektur. 1973 schlossen sie ihr Forschungsstudium in Weimar mit der Promotion ab.
Olaf Weber gehörte zu den Pionieren dieses neuen Denkens über Architektur und war einer der profiliertesten Köpfe der Architekturdebatte in der DDR. Er ist nach schwerer Krankheit im Alter von 78 Jahren Ende letzten Jahres gestorben.
Er wurde 1943 geboren, hatte nach seinem Abitur in Leipzig bis 1970 Architektur an der Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) in Weimar studiert. Von 1973 bis 1980 war Olaf Weber Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe Architekturtheorie unter Leitung von Bruno Flierl am Institut für Städtebau und Architektur der Bauakademie in Berlin. Bruno Flierl aber auch andere Berliner Köpfe hatten die Forschungsarbeiten der Weimarer Gruppe von Anbeginn unterstützt und vor dem Zugriff der Dogmatiker geschützt. An der Bauakademie entstanden in den 1970er-Jahren diverse Arbeiten und Publikationen zur Semiotik und Architekturpsychologie, auch zu einer praktischen Wirkungsforschung etwa zur Semantik der Architektur oder zu Fragen der Raumorientierung.
Weber hielt in den 1970ern zahlreiche Vorträ-ge und publizierte, zusammen mit Gerd Zimmermann, über den Raum der Architektur („Dimension des Leeren“) oder über „Lauben und Datschen“, ein scheinbar skurriles Randproblem, dass sich als durchaus subversiv erwies im Hinblick auf die Doktrin des Massenwohnungsbaus, dessen Defizite im Lichte der Datschenwelt aufblitzten. 1980 war Weber zurück an der HAB Weimar als Aspirant an der neuen Professur für Architekturtheorie (Prof. Bernd Grönwald). Hier habilitierte er mit seiner Schrift „Die Funktion der Form“, 1994 in Hamburg publiziert.
In den 1980ern entfaltet sich – auch in Weimar – ein eskalierender, jedoch nicht aufgelöster Disput: Bernd Grönwald gelang es in Weimar das seit Anfang der 1950er-Jahre in der DDR verhängte kulturpolitische Tabu gegenüber dem Bauhaus zu durchbrechen. Es wurde eine intensive Bauhaus-Forschung in Weimar etabliert, das 1. Internationale Bauhaus-Kolloquium 1976 veranstaltet und von Weimar aus die Neubegründung des Bauhauses Dessau organisiert. War diese Revitalisierung des Bauhauses in der DDR auch ein Legitimationsversuch der DDR-Baupolitik, so führte die Avantgardeschule Bauhaus andererseits ein revolutionierendes Kreativpotenzial mit sich, das Sprungbrett für einen Reformansatz sein konnte.
Die verspätete Renaissance des Bauhauses in der DDR, damit auch der entsprechenden Theorien und Konzepte kollidierte aber mit der in den 1980ern dominanten, postmodernen Kritik an den Doktrinen des Modernismus und seiner Protagonisten, natürlich im Zentrum auch die Kritik am Bauhaus, das letztlich zu einem Mythos der Moderne stilisiert worden war. Die Postmoderne weist direkt in die Richtung einer neuen Mitteilungsfähigkeit, Zeichenhaftigkeit und Sprachfähigkeit der Architektur, ein Ansatz, der in einer semiotischen und psychologischen Konzeption der Architektur natürlich vorgezeichnet ist. Dennoch, und dies formuliert auch Weber, ist der postmoderne Aufstand gegen den banalisierten Modernismus zwar wichtig, zugleich aber nicht die Endstation der Gestaltungsfragen in der Architektur. Olaf Weber plädiert für eine offene Debatte eben genau dieser Fragen.
Dazu kommt es in der DDR nicht mehr. So wie das Bauhaus einst als „kapitalistisch“ denunziert worden war, trifft nun nach der Heiligsprechung des Bauhauses die „Postmoderne“ die gleiche theoretische Feindbild-Konstruktion, während zugleich die Architekturpraxis der DDR, z.B. mit stilbildenden Prestigebauten in Berlin, ganz andere, quasi „post-moderne“ Wege geht.
In „den Monaten der Freiheit 1989/90“, wie er selbst schrieb, wird Olaf Weber Sprecher der Weimarer Grünen, 1991 Leiter des an der HAB Weimar neu gegründeten „Instituts für Kunst und Design“, ein Impuls, der schließlich in der kompletten Neugründung der Fakultät Gestaltung in Weimar mit dem Gründungsdekan Lucius Burkhardt kulminiert. Weber wird hier 1993 zum Professor für Ästhetik berufen und verfolgt nun diverse experimentelle Formen der Wissensvermittlung in Ästhetik, Kunst und Design, mischt sich ein in die Architektur- und Kunstdebatten, z.B. über den einzigen Museumsneubau der DDR, das Schillermuseum in Weimar.
Inszenierung und Selbstinszenierung gehen, wie immer bei Olaf Weber, ein geniales Bündnis ein, zu sehen etwa an der mehrfach codierten Präsentation „Ich kann kein Bauhaus mehr sehen!“, die – leider – nicht nur Fake war. Olaf Weber, dieser visuelle Denker, war tatsächlich nach Jahren schwindender Sehschwäche 2003 vollständig erblindet. Er hat trotz des Dramas dieses Handicap nicht über sich triumphieren lassen. Ohnehin ist man bei ihm an die antike Figur des blinden Sehers erinnert.
Er verfasste auch Gedichte, unlängst erschienen: „Ein Veilchen, Schulter an Schulter“ und engagierte sich für eine „Welt ohne Waffen“ in einem Weimarer Verein. Und so hat er auch die Bühne für Performances betreten und schreibt in seiner Vita selbst – als letzten Satz: „Von 2009 bis 2011 ist Weber als Ruheständler der Impresario des sogenannten 42. Kongresses, einer Bühne für alle Formen des Absurden… Ende.“
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