Ostmoderne Flaggschiffe
Ausstellung über den Rostocker Architekten Peter Baumbach in Erkner
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Ostmoderne Flaggschiffe
Ausstellung über den Rostocker Architekten Peter Baumbach in Erkner
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Schlaglichter auf das zwischen Architektur und Kunst, visionären Projekten und real-sozialistischen Bauten changierende Werk des Rostocker Architekten Peter Baumbach (Jahrgang 1940) wirft derzeit eine Ausstellung im IRS Erkner. Zu sehen ist eine enorme Bandbreite eindrucksvoller Architekturkonzepte, die die verschiedenen Phasen der DDR-Planungs- und Baugeschichte geradezu paradigmatisch illustrieren. Das macht sie auch für Nicht-Rostocker und selbst für Plattenbau-Gegner interessant.
Baumbachs Karriere begann nach dem Architekturstudium an der TU Dresden (1958–64) in der Hochphase der ostmodernen Großraumplanungen. Er war bis 1987 als leitender Architekt beim Wohnungsbaukombinat Rostock maßgeblich an der städtebaulichen Gestaltung der Neubaugebiete beteiligt, beteiligte sich aber zusammen mit Kollegen auch immer wieder erfolgreich an Wettbewerben, die die weitere ostdeutsche Architekturentwicklung beeinflussten.
So wird in der Ausstellung der preisgekrönte Beitrag für den Ideenwettbewerb zum „Zentrum der Chemiearbeiterstadt Halle-West“ (1967, zusammen mit Ute Baumbach und Robert Waterstraat) präsentiert. Konzipiert als komplexe städtebauliche, über mehrere Ebenen angelegte Passage mit einem (nicht realisierten) „Haus des Chemiearbeiters“, wurde der Entwurf damals geradezu als Gegenmodell – oder, wie es das Preisgericht formulierte, als „Antilösung“ – zu dem lange Zeit als Stadtzentrum geforderten zentralen Platz, einer auch für Aufmärsche geeigneten Freifläche, angesehen. Die grundsätzlichen Ideen der Arbeit setzten die Planer in Halle-Neustadt später um.
Neben Wettbewerbsentwürfen für die verdichtete Neubebauung des Schweriner Zentrums (1968, wieder mit U. Baumbach und R. Waterstraat) und eine konstruktiv neuartige Sport- und Kongresshalle in Rostock (1975, zusammen mit Joachim Jastram) – auf deren Plänen im Hintergrund bereits die später mehrfach in Rostock errichteten „Terrassenhäuser“ aufblitzen – lohnt sich ein genauer Blick auf den Wettbewerbsbeitrag für ein neues Touristikzentrum im marokkanischen Tanger (1975, mit U. Baumbach, J. Deutler und D. Jastram). Der Entwurf für eine großmaßstäblich-komplexe Baustruktur sah eine kompakte Tragstruktur vor, in die auf verschiedenen Ebenen farbig gestaltete Raumgruppen eingeschoben werden sollten: ein Konzept, das damals weltweit en vogue war.
Rostock, stark zerstört während des Zweiten Weltkriegs, wurde nach dem Krieg mit einem Überseehafen und zahlreichen Großbetrieben wie der Warnow- und der Neptunwerft massiv ausgebaut. Die Einwohnerzahl stieg von knapp 100.000 im Jahr 1945 auf mehr als 250.000 in der Spätphase der DDR. Immer weitere neue Wohngebiete wurden entlang dem Ufer der Warnow zu einer Bandstadt aneinandergereiht, die bis fast nach Warnemünde reichte. Vor allem im Neubaugebiet Evershagen versuchte Baumbachs Kollektiv, die Monotonie des modernen Städtebaus aufzubrechen. Die Gebäude sind dort in Mäandern angeordnet, es gibt mit Ornamenten und Wandbildern gestaltete sowie unzählige Skulpturen im öffentlichen Raum.
Obwohl mehr als die Hälfte aller Rostocker Wohnungen aus der DDR-Zeit stammen und die Stadt während dieser Jahre stark verändert wurde, gelang es, entscheidende Aspekte des Stadtbilds zu bewahren und einzelne Neubauten harmonisch in die erhaltenen Teile des historischen Zentrums einzufügen. Als Paradebeispiel dafür wird in der Ausstellung das Fünfgiebelhaus vorgestellt. Das Gebäude steht an einem sensiblen Ort, auf der Nordseite des Universitätsplatzes, dessen jahrhundertealte Giebelhäuser dem Krieg zum Opfer fielen. Erst 1984 bis 1987 wurde dort ein Ensemble mit Wohn- und Ladennutzung errichtet. Dafür entwickelte das Kollektiv um Peter Baumbach die Großtafelbauweise so weiter, dass sich der überlieferte Formenkanon der hanseatischen Giebelarchitektur in eine zeitgenössische Architektursprache übertragen ließ. Das Fünfgiebelhaus ist von den Fassadenreliefs über die Türgriffe bis hin zu einem Glockenspiel detailreich durchgestaltet.
Peter Baumbachs Entwurfshaltung, Gebäude zu entwickeln, die in Würde altern können, hat sich auf lange Sicht bewährt. Im Gegensatz zur sonst eher traurigen Bilanz abgerissener Prestigeprojekte aus der DDR-Zeit stehen einige seiner oft unspektakulär daherkommenden Rostocker Bauten inzwischen unter Denkmalschutz, so das Fünfgiebelhaus und das Haus Breite Straße 16 als Teil des Universitätsplatz-Ensembles. Zurzeit wird sogar geprüft, ob der erste Prototyp des „Terrassenhauses“ in Evershagen als Einzeldenkmal gelistet werden kann.
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