Post-Shrinking Cities
Text: Crone, Benedikt, Berlin; Klingbeil, Kirsten, Berlin; Stumm, Alexander, Berlin
Post-Shrinking Cities
Text: Crone, Benedikt, Berlin; Klingbeil, Kirsten, Berlin; Stumm, Alexander, Berlin
Teure Mieten, steigende Bodenpreise, überlastete Innenstädte, Arbeiten im Homeoffice: Es häufen sich die Gründe, dem Leben in der Großstadt den Rücken zu kehren und sich dem ländlichen Raum zuzuwenden. Tatsächlich erlebt Deutschland laut einer aktuellen Studie des Berlin-Instituts eine neue „Landlust“. Die Menschen ziehe es aus den Metropolen in die lang vernachlässigten Klein- oder Mittelstädte. Bricht eine Zeit der kleinen „Post-Shrinking Cities“ an? Wandelt sich gar das Stadt-Land-Verhältnis, weg von einer Dichotomie von Zentrum und Peripherie, hin zu einem Netz städtischer Strukturen inmitten ländlicher Räume? Tim Rieniets, vor zwei Jahrzehnten noch Mitherausgeber des Atlas der – damals zahlreichen – schrumpfenden Städte, sieht dafür Hinweise; in einem Interview in dieser Ausgabe verortet er die aktuellen Wanderungsprozesse in größere historische Zusammenhänge wie der Suburbanisierung seit den 1970er Jahren. Gleichzeitig stellt er die Frage, welche Folgen das Bevölkerungswachstum der Vororte, Dörfer und Kleinstädte nach sich zieht – für den Verkehr, die Demografie und den Flächenverbrauch?
Schrumpfung als Chance
Im Deutschland der Nachwendejahre herrschte lange das Verständnis einer „Schrumpfung als Chance“, ein Euphemismus für eine rigide Abrisspraxis, die Schneisen in manche ostdeutsche Klein- und Mittelstadt gerissen hat. Nun zeichnet sich auch im Osten eine Trendumkehr ab: In einigen Städten steigt wieder die Bevölkerungszahl. Allerdings klaffen hier zwischen den Orten – siehe Leipzig gegenüber Halle-Neustadt – weiterhin teils große Lücken in der Entwicklung. Dass Leerstand, ob in Ost oder West, mit den richtigen Strategien tatsächlich eine (temporäre) Möglichkeit für neue Formen des Zusammenlebens bieten kann, zeigt das Projekt „Summer of Pioneers“, bei dem Großstädter probeweise und mit Unterstützung in eine Kleinstadt ziehen konnte.
Wachstum als Chance
Städte, die aufgrund ihrer industriellen Vergangenheit bereits einen langen Leidensweg aus Wegzug und Wirtschaftseinbruch beschreiten mussten, bieten reichlich Expertise im Ertragen des Schrumpfens – aber auch im Stimulieren von Wachstum. Ihre Hoffnung auf Besserung ruht nicht zuletzt auf den Verheißungen der Architektur. Das englische Birmingham hastet von dem Versuch eines großen Vorzeigebaus zum nächsten. Im italienischen Genua fließt eine große Summe staatlicher Gelder in die Hafenentwicklung, den Ausbau der Infrastruktur und neue Technologieparks am Stadtrand. Und Bilbao nährt sich immer noch von der wundersamen Verwandlung, die bereits Jahre vor der Eröffnung des Guggenheim-Museums ihren Anfang nahm. Die baskische Großstadt, in der man sich über Partei- und Gemeindegrenzen hinweg gemeinsam gegen den Niedergang stemmte, gilt vielen Kommunen als das Vorbild für einen Aufschwung durch umfassende Planungsarbeit. Wie übertragbar ihre damalige Strategie auf andere Städte ist, beleuchten wir im letzten Teil dieser Ausgabe.
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