Bauwelt

Wiederverwertungsstrategien im studentischen Entwurf

Das Kollektiv Rotor verwendete früh recycelte Materialien beim Bauen, gründete ein Abrissunternehmen und verkaufte gerettete Werkstoffe weiter. Seit einigen Jahren teilt es sein Wissen in der Lehre.

Text: Devlieger, Lionel, Brüssel; Gielen, Maarten, Brüssel

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    Beyond Opalis ist ein von Studierenden geführtes Verzeichnis professioneller Händler für gebrauchte Baumaterialien. Das Projekt wurde 2018 initiiert, als Rotor an der AA School of Architecture in London den Diplomstudiengang Studio 18 unterrich­tete. Seither wird das Verzeichnis weiter gepflegt und international ausgebaut.
    Abb.: Screenshot der Website beyond.opalis.eu

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    Beyond Opalis ist ein von Studierenden geführtes Verzeichnis professioneller Händler für gebrauchte Baumaterialien. Das Projekt wurde 2018 initiiert, als Rotor an der AA School of Architecture in London den Diplomstudiengang Studio 18 unterrich­tete. Seither wird das Verzeichnis weiter gepflegt und international ausgebaut.

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    Die Studentin Amaya Her­nandez (Dip. 18, AA School London, 2021) entdeckte bei der Untersuchung zum Abriss stehender Gebäude im Zentrum Londons große Mengen an wiederverwertbaren Materialien. Sie or-ganisierte deren Wiederverwendung und brachte ein Abrissunternehmen und einen Händler miteinander in Kontakt.
    Foto: Bergung von York-stone-Pflaster

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    Die Studentin Amaya Her­nandez (Dip. 18, AA School London, 2021) entdeckte bei der Untersuchung zum Abriss stehender Gebäude im Zentrum Londons große Mengen an wiederverwertbaren Materialien. Sie or-ganisierte deren Wiederverwendung und brachte ein Abrissunternehmen und einen Händler miteinander in Kontakt.

    Foto: Bergung von York-stone-Pflaster

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    Der Master-Entwurf Challenges to Metabolic Design an der Uni Gent (2021) suchte nach Lösungen für Herausforderungen des Zirkulären Bauens, wie etwa Logistikfragen. Gentiel Acar, Jesse Ghyssaert, Ferre Lust und Karen Steukers entwickelten ein multifunktionales Zentrum für Produktion, Verarbeitung und Verkauf von Kreislaufmateria­lien. Das Gebäude entwarfen sie aus vorhandenen Stahlportalrahmen.

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    Der Master-Entwurf Challenges to Metabolic Design an der Uni Gent (2021) suchte nach Lösungen für Herausforderungen des Zirkulären Bauens, wie etwa Logistikfragen. Gentiel Acar, Jesse Ghyssaert, Ferre Lust und Karen Steukers entwickelten ein multifunktionales Zentrum für Produktion, Verarbeitung und Verkauf von Kreislaufmateria­lien. Das Gebäude entwarfen sie aus vorhandenen Stahlportalrahmen.

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    Der Student Samuel Little (Dip. 18, AA School, London, 2018/19) hat ein denkbares Szenario entworfen: Ein Händler von überschüssigem Stahl ...

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    Der Student Samuel Little (Dip. 18, AA School, London, 2018/19) hat ein denkbares Szenario entworfen: Ein Händler von überschüssigem Stahl ...

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    ... gründet ein weiteres Unternehmen, das geborgene Stahlteile in vorgefertigte Portalrahmen umwandelt. Ein Partnerunternehmen folgte seinem Vorschlag und investierte in diese Idee.

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    ... gründet ein weiteres Unternehmen, das geborgene Stahlteile in vorgefertigte Portalrahmen umwandelt. Ein Partnerunternehmen folgte seinem Vorschlag und investierte in diese Idee.

Wiederverwertungsstrategien im studentischen Entwurf

Das Kollektiv Rotor verwendete früh recycelte Materialien beim Bauen, gründete ein Abrissunternehmen und verkaufte gerettete Werkstoffe weiter. Seit einigen Jahren teilt es sein Wissen in der Lehre.

Text: Devlieger, Lionel, Brüssel; Gielen, Maarten, Brüssel

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diejenigen, die heute Architektur studieren, Stahl und Beton noch als bevorzugte Baustoffe betrachten werden, wenn sie ihre eigenen Büros gründen. Das wachsende gesellschaftliche Bewusstsein für negative Umwelteinflüsse wird notwendigerweise dazu führen, dass man energieintensive Ressourcen sparsamer oder nur für lange Nutzungsdauern einsetzen wird. Die Beziehung zwischen Architekt und Material wird komplexer werden, da der Berufsstand immer stärker für seinen gewaltigen ökologischen Fußabdruck zur Rechenschaft gezogen wird. Materialien, die heute allgegenwärtig sind, werden durch andere Materialien ersetzt werden müssen, beispielsweise durch biobasierte Baustoffe wie Holz oder lokale mineralische Baustoffe wie Ton. Darüber hinaus dürfen wir nicht die Art Baumaterial vergessen, die für unser eigenes Büro Rotor von besonderem Interesse ist: Baustoffe und Komponenten aus früheren Konstruktionen, die für die Wiederverwendung in neuen Projekten gesammelt werden.
Neben dem ökologischen Aspekt führt die Wiederverwendung von Baustoffen zu unmittelbaren und beträchtlichen Kosteneinsparungen. Bald werden entweder der Gesetzgeber und/oder steigende Kosten die Bauindustrie zwingen, ihre Materialquellen zu überdenken. Dieser fundamentale Wandel im Umgang mit Materialien wird den Bausektor in den kommenden Jahrzehnten ebenso auf den Kopf stellen wie das Aufkommen des Stahlbetons im zwanzigsten Jahrhundert. Daraus ergeben sich Herausforderungen für diejenigen, die mit der Ausbildung zukünftiger Architektinnen und Architekten betraut sind. Während die alte Welt der billigen fossilen Brennstoffe stirbt, kämpft die neue Welt der Kreislaufwirtschaft da-rum, geboren zu werden.
Welche beruflichen Perspektiven können wir den Studierenden heute vermitteln? Wird unsere Gesellschaft zukünftig genauso viel abreißen und neu bauen, wie sie es heute tut? Werden die Entwurfswerkzeuge, die wir heute verwenden, noch relevant sein? Welchen Einfluss werden die astronomischen Preise gewisser Baustoffe haben? Ehrlichkeit bezüglich dieser Unwägbarkeiten ist eine Voraussetzung dafür, ein vertrauenswürdiger Lehrer zu sein. Aber woraus wird die Lehre bestehen?
Zunächst müssen wir uns von dem Gedanken der angeblichen Unvereinbarkeit zweier stereotyper Lehrmethoden verabschieden. Der erste Ansatz sieht die Architekturlehre als reine Berufsausbildung. Die Simulation der vielfältigen Einflüsse innerhalb eines Entwurfsprozesses soll den Studierenden eine „realistische“ Erfahrung vermitteln. So konfrontiert man sie beispielsweise mit einer Vielzahl von Parteien, die ihnen im späteren Berufsleben als Verhandlungspartner begegnen werden. Ein offensichtlicher Kritikpunkt an diesem Ansatz ist, dass er zu einem eingeschränk­-ten Blick auf den Beruf beiträgt. Architektinnen und Architekten sind während ihres gesamten Berufslebens abhängig von Auftraggebern, der Gesetzgebung und der Marktwirtschaft. Wann, wenn nicht während des Studiums, werden sie den Freiraum haben, um alternative Ideen zu entwickeln? Darüber hinaus ist fragwürdig, inwiefern die Lehrenden in der Lage sind, „realistische“ Berufserfahrungen zu vermitteln.
Dem gegenüber steht die Idee, dass die Architekturlehre unbegrenzte Freiheiten bieten sollte, um die Vorstellungskraft der Studierenden auszuloten: „Entwerfen sie ein Haus auf dem Mars“, „Bringen sie ein Stadtviertel mit Heliumballons zum Schweben“, „Entwerfen sie ein von Brokkoli inspiriertes Gebäude“ usw. Während eine solche absolute künstlerische Freiheit auf Architektinnen und Architekten mit einigen Jahren Berufserfahrung sicherlich eine therapeutische Wirkung hätte, ist sie für Studierende oft nicht förderlich. Nicht wissend, von was genau sie befreit sind, wenden sich viele, auf verzweifelter Suche nach Inspirationsquellen, dem „Werk“ ihrer Lehrkräfte zu.
Wie kann man die unmögliche Wahl zwischen diesen beiden Extremen überwinden? Dafür bedarf es einer zusätzlichen Zutat in der Diskussion: die entscheidende Idee, dass wir nicht nur physisch, sondern auch geistig in Konstrukten leben, die wir selbst geschaffen haben. Institutionen, Gesetze, disziplinäre Rahmen, sogar unsere Wirtschaft und politischen Modelle sind artifiziell. Daher können sie infrage gestellt und verändert werden. Für die Studierenden bedeutet dies, dass sich ihre Wahl nicht länger darauf beschränkt, entweder die Zwänge des Architekturberufs zu akzeptieren oder sich unter dem Deckmantel formaler Erkundungen vor ihnen zu verstecken. Stattdessen sind sie aufgefordert, ihre Talente in einen größeren Kontext zu setzen, Dinge neu zu gestalten und Vorschläge zu entwickeln, wie existierende Institutionen neu gedacht werden könnten, kurz: welche Rolle der Architekturberuf im neuen Zeitalter der Unwägbarkeiten spielen sollte.
Dieses systematische Denken lässt sich gut auf die Auseinandersetzung mit der Wiederverwertbarkeit von Baumaterialien anwenden. Wenn kein Markt für verlässlich normierte Materialqualitäten vorhanden
ist, müssen sich die Studierenden viel früher im Entwurfsprozess mit der Frage nach dem Material beschäftigen. Die derzeitigen wirtschaft­lichen Bedingungen, die billige, neue Materialien vor teure Arbeit stellen, müssen überdacht werden. Bauvorschriften und ästhetische Vorlieben gilt es nach ihren Vorzügen abzuwägen. Durch diese Prozesse nimmt die Beziehung zwischen Entwurf und Ausführung neue Formen an, entstehen neue und überraschende Allianzen zwischen Architekten und anderen Fachleuten. Die Tatsache, dass mache studentischen Vorschläge auch außerhalb der Ausbildungsorte auf offene Ohren sto-ßen, zeigt, dass die Baubranche neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen ist, und auch, dass ein dringender Bedarf an Räumen besteht, wo diese Ideen wachsen können.
Aus dem Englischen von Hanna Sturm

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