Rückkehr der Gewölbedecke
Forscher der ETH Zürich haben sich von der Baugeschichte inspirieren lassen und mithilfe digitaler Berechnungs- und Simulationswerkzeuge eine Alternative zur Stahlbetonflachdecke entwickelt.
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Rückkehr der Gewölbedecke
Forscher der ETH Zürich haben sich von der Baugeschichte inspirieren lassen und mithilfe digitaler Berechnungs- und Simulationswerkzeuge eine Alternative zur Stahlbetonflachdecke entwickelt.
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Stahlbetonflachdecken, wie sie üblicherweise im Geschossbau zum Einsatz kommen, finden vor allem deshalb massenhaft Verwendung, weil sie sich einfach herstellen lassen. Sie sind aus finanzieller Sicht meist die wirtschaftlichste Variante einer Geschossdecke. Betrachtet man Wirtschaftlichkeit aber aus dem Blickwinkel von Ressourceneffizienz, schneiden Stahlbetonflachdecken eher schlecht ab. Sie haben zu viel Masse – viel zu viel Beton und Stahl werden benötigt, deren Herstellung Unmengen Energie verbraucht und tonnenweise CO2 freisetzt.
Ein Blick in die Baugeschichte beweist: In früheren Zeiten wurden Räume wesentlich sparsamer und oftmals raffinierter überspannt, weil man der Herausforderung großer Spannweiten nur mit geometrischen Lösungen begegnen konnte und nicht mit immer größeren Mengen an Stahlbewehrung. Philippe Block, Leiter der Block Research Group am Institut für Technologie in der Architektur an der ETH Zürich, beginnt Vorträge über seine Arbeit nicht umsonst mit einem Foto vom eindrucksvollen Deckengewölbe der 1515 fertiggestellten Kapelle am King’s College in Cambridge. Der Ansatz der Forschergruppe: aus Konstruktionsprinzipien der Vergangenheit lernen, um daraus mittels heutiger digitaler Analyse-, Berechnungs- und Fertigungsmethoden ein besseres, und vor allem ressourceneffizientes Bauen für die Zukunft zu entwickeln.
So forscht Blocks Team u.a. an einer Alternative zur Flachdecke. Entwickelt wurde der Prototyp einer weitgehend auf Druck belasteten Rippengewölbekonstruktion, bei der man zum einen auf die Stahlbewehrung verzichten kann, zum anderen durch eine dem Kraftverlauf optimal angepasste Ausbildung der Rippen – die sich mit entsprechender Software simulieren lässt – eine Menge Material spart. Tatsächlich ist der aus faserbewehrtem Beton gegossene Prototyp 70 Prozent leichter als eine herkömmliche Decke vergleichbarer Tragfähigkeit; nur zwei Zentimeter Materialstärke für die Decke und die Rippen sind nötig. Führt man sich vor Augen, dass etwa bei einem Hochhaus 70 Prozent des Gewichts aus den Decken eingespart werden können, stellt sich die Frage nach der rein finanziellen Wirtschaftlichkeit noch einmal ganz anders.
Gleichwohl ist der Aufwand, ein solches Deckenelement zu gießen, groß. Deshalb wurde eine Variante entwickelt, bei der sich das Element in Segmente unterteilen und im 3D-Sanddruckverfahren herstellen lässt. Zurzeit sind die Forscher dabei, die Konstruktion in Bezug auf den Schallschutz zu optimieren – auch diesbezüglich stellte sich heraus, dass die Rippenaussteifung trotz geringer Masse gute Dienste leistet. Des Weiteren wird gerade daran gearbeitet, Gebäudetechnik in die Elemente zu integrieren.
Notabene: Die Untersicht der Decken hat auffallende Ähnlichkeit mit dem Gewölbe der Kapelle des King’s College in Cambridge.
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