Recycling: Pretty Plastic
Kaum etwas ist derzeit so in Verruf wie Kunststoffe. Vor allem ihre Weiterverwendung bereitet Sorgen. Die Firma Pretty Plastic hat eine Idee, was aus alten Plastikrohren und -rahmen gewonnen werden kann.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Recycling: Pretty Plastic
Kaum etwas ist derzeit so in Verruf wie Kunststoffe. Vor allem ihre Weiterverwendung bereitet Sorgen. Die Firma Pretty Plastic hat eine Idee, was aus alten Plastikrohren und -rahmen gewonnen werden kann.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Hatten die Menschen am Ende der Stein-, Bronze- oder Eisenzeit das sie umgebende Material eigentlich so satt wie wir das Plastik? Vermutlich war es ein sehr langsamer, kaum spürbarer Übergang in eine neue Ära. Nicht zu vergleichen mit der Geschwindigkeit, in der wir die Berge aus Trinkflaschen, Laufschuhen und Computergehäusen in Meere und auf Wiesen geschüttet haben. Da das Zeug aber nun mal da ist, stellt sich für manche die Frage, ob man es nicht sinnvoll weiterverwenden könnte. So auch für die Firma Pretty Plastic.
Das holländische Unternehmen bietet Plastikschindeln an, die zu 99 Prozent aus alten Regenrinnen, Fallrohren, Fensterrahmen und anderen PVC-Objekten der Baubranche gewonnen werden. Die Gründer der Firma, Architekt Peter van Assche vom bureau SLA und die Designer Hester van Dijk und Reinder Bakker vom Studio Overtreders, brachten die Schindeln beim Hauptpavillon der Dutch Design Week 2017 in Eindhoven zum ersten mal zum Einsatz. Sie entwickelten das Produkt weiter, bis es als langlebig, witterungsresistent und nach DIN EN 13501 in die brandsichere Klasse B eingestuft werden konnte. In diesem Jahr eröffnet nun das erste dauerhafte Gebäude, das mit den Schindeln verkleidet wurde: der Musikpavillon des Sint-Oelbert Gymnasiums in Oosterhout, entworfen von dem Büro Grosfeld Bekkers van der Velde.
Beim Anblick des einfachen Flachbaus zeigt sich ein Farbverlauf entlang der Fassade, bedingt durch die unterschiedliche Farbgebung der sich überlappenden Plastikelemente. Erst bei näherer Betrachtung offenbart sich eine gummiartige Materialität mit detaillierten, strömungsförmigen Schmelzlinien, die in der unteren Spitze der Schindel zusammentreffen als wäre die Fassade vor Ort gegossen worden. Tatsächlich erfolgt die Herstellung aber im belgischen Werk Govaplast, ein Unternehmen, das seit 25 Jahren Zäune, Parkbänke und Sichtschutz aus recyceltem Plastik kreiert. Wie nachhaltig diese Produkte wirklich sind, ist von außen schwer zu beurteilen. Die Entwickler der Schindeln betonen, dass keine giftigen Zusatzstoffe verwendet und die Ursprungsprodukte nach einer Reinigung direkt in den Schredder und die Spritzgussmaschine gegeben werden. Die natürliche Farbgebung der Schindeln ist ein helles Grau, für die Färbung dunklerer Töne wird Carbon ergänzt. Derzeit arbeitet Pretty Plastic auch an der Zertifizierung von Schindeln in anderen Farbtönen – alle Farbstoffe umweltverträglich –, die bis Ende 2020 auf den Markt kommen könnten.
Sicher, Plastik bleibt Plastik, aus Polyvinylchlorid kann kein Lehm oder Holz gezaubert werden. Die Prozesse von Govaplast werden allerdings von verschiedenen Forschungsinstituten begleitet und der Firma eine vorbildliche Arbeit attestiert. Die gängige Kritik, dass durch ein Recycling von Kunststoffen deren Herstellung erst am Laufen gehalten werde, greift ebenfalls zu kurz. Die Umwelt ist bereits verschmutzt, das meiste Plastik wird verbrannt oder deponiert, – gesucht wird nach alternativen Materialien. Bis diese in großer Zahl verwendet werden, helfen auch gut gemachte Schindeln aus recyceltem PVC. Zumindest für den Übergang.
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