Sinnlos, doch hauptsächlich heiter
Interaktion und Teilhabe standen im Zentrum von Charlotte Posenenskes Kunstverständnis. In Düsseldorf sind ihre Arbeiten zu sehen
Text: Kasparek, David, Bonn
Sinnlos, doch hauptsächlich heiter
Interaktion und Teilhabe standen im Zentrum von Charlotte Posenenskes Kunstverständnis. In Düsseldorf sind ihre Arbeiten zu sehen
Text: Kasparek, David, Bonn
Was muss das für ein Jahr gewesen sein im Leben der Charlotte Posenenske, das auf so vielen Ebenen ereignisreiche Jahr 1968? Nach dreizehn Ehejahren trennte sie sich von ihrem Mann, dem Architekten Paul Posenenske, verkündete ihren Ausstieg aus der Kunstwelt, begann stattdessen Soziologie zu studieren und knüpfte eine neue Beziehung mit ihrem späteren Kommilitonen Burkhard Brunn. Just zu einem Zeitpunkt, da die in Frankfurt lebende und arbeitende Künstlerin international bekannt wurde, ihre Arbeiten in Amsterdam, Berlin und anderswo neben Werken von Donald Judd, Sol LeWitt und Imi Knoebel ausgestellt wurden – und die Galeristen steigende Preise für ihre Werke verzeichnen konnten. Genau das aber war es, was Posenenske nicht wollte: Nicht nachvollziehbare Gewinne aus einer Kunst generieren, die keinen gesellschaftlichen Einfluss hat und nur mehr einem kleinen, privilegierten Zirkel vorbehalten bleibt.
Was Charlotte Posenenske mit ihrer Kunst vorschwebte, vor allem mit den bekannten raumgreifenden Skulpturen aus Zinkblech und Wellpappe, die an Lüftungsschächte erinnern, war „eine Interaktion von Werk und Mensch, von Konsument und Kunst“, wie sie selbst schrieb. Als Paradebeispiel dafür mag die Art und Weise dienen, wie sie ihre Arbeit im Rahmen einer Abendveranstaltung im Hof der Galerie Dorothea Loehr präsentierte: Männer, in Overalls der Lufthan-sa-Technik gekleidet, bauten die Skulpturen im Laufe des Abends nach den Anweisungen der Künstlerin ständig auf, wieder auseinander und, neu gruppiert, wieder zusammen. Fortwährende Veränderung, unmittelbare Interaktion. „Dies alles Herzchen wird einmal Dir gehören“, war der Abend vor den Toren Frankfurts 1967 überschrieben.
Bilder des Abends laufen nun in einer Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen im K20 in Düsseldorf. Aufgezeichnet damals vom Hessischen Rundfunk (HR) und vom Kommentator süffisant beschrieben: „Eine Provokation gegen den üblichen Kunstkitsch war es schließlich nicht. Sinnlos, doch hauptsächlich heiter.“ Dabei verkennt der Kommentar nicht nur die demokratischen Ideen in der Kunst Pose-nenskes (und ihrer Mitstreiter Jan Dibbets, Barry Flanagan, Bernhard Höke, John Johnson, Richard Long, Konrad Lueg und Peter Roehr an diesem Abend), sondern auch, dass die Künstlerin verfügt hatte, ihre Arbeiten seien zum Selbstkostenpreis von den Galeristen zu verkaufen und ohne ihre Autorisierung überdies keine weiteren Werke anzufertigen. Denn reproduzierbar, ja massentauglich waren und sind die Arbeiten sowohl in ihrer Idee als auch in ihrer Ausführung.
Die Düsseldorfer Schau zeigt die Künstlerin Charlotte Posenenske in all ihren Facetten. Auf drei Projektionen laufen Filme: Zum einen der bereits genannte Ausschnitt des HR, zum anderen Super-8-Aufnahmen, die Posenenske unter dem Titel „Monotonie ist schön“ als einzige filmische Arbeit veröffentlichte, und schließlich ein kurzer Film, der die Künstlerin beim Aufbau einer Skulptur der Serie DW auf der Verkehrsinsel eines Offenbacher Kreisverkehrs zeigt. Ein weiterer Beleg ihres Interesses an der Interaktion mit der Öffentlichkeit. An den Wänden hängen die frühen Spachtel-, Streifen- und Spritzbilder. Sie führen in ihrer Auseinandersetzung mit Abstraktion, Farbe und Raum unmittelbar zu den plastischen Bildern der Blechfaltungen. All das gipfelt in den Serien D, DW – die vermeintlichen Lüftungsschächte – und E, die das Zentrum des großen Saals bilden. Diese inhaltliche Logik zeichnet die Ausstellung neben ihrer Umfänglichkeit aus: Ergänzend kommen Entwürfe für Kunst am Bau, frühe Bühnenbilder, Briefe und kleine Texte hinzu.
Eines der Drehtürobjekte der Serie E ist in der Schau mit der Aufforderung versehen, es zu benutzen. Die Warnungen, alle anderen Objekte dieser wie der anderen Serien bitte nicht zu berühren, wirken vor dem Hintergrund der von der Künstlerin angestrebten geteilten Autorenschaft ebenso absurd wie aus musealer Sicht nachvollziehbar. Die Beschäftigung mit den Arbeiten Charlotte Posenenskes lohnt mit Blick auf aktuelle Diskussionen um Teilhabe dennoch einmal mehr.
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