Bauwelt

Städte des Fragments

Heike Hanada organiserte in der Deutschen Akademie Rom die Tagung „Fragments“

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Städte des Fragments

Heike Hanada organiserte in der Deutschen Akademie Rom die Tagung „Fragments“

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Colin Rowe und Oswalt Matthias Ungers, Aldo Rossi und die früheren Inkarnationen Hans Kollhoffs, Goethe, Schinkel und der Nolli-Plan, die Berliner TU und die University of Cornell, das Berlin der Nach-Wende-Zeit und das Rom von Paso­lini: „Fragmental – the dissolution of public space“, nach „Monumental“ die zweite von Heike Hanada, der Berliner Architektin, Künstlerin und Professorin für Gebäudetypologie an der TU Dortmund in der Reihe „Dortmunder Positionen“ organisierte Tagung führte Ende Februar gleich mehrere Erzähl- und Diskussionsstränge im Mosaiksaal der Deutschen Akademie Rom zusammen. Die Villa Massimo, wie die Institution umgangssprachlich genannt wird, war für diese Zusammenkunft ein denkbar passender Ort, nicht nur, weil Hanada dort seit September 2021 als Stipendiatin weilt, sondern auch, weil Rom wie vielleicht nur noch Berlin als Stadt des Fragments gilt, dies aber, anders als die deutsche Hauptstadt, schon seit Jahrhunderten. Diesem bipolaren Ansatz entsprechend, war der Großteil der Vortragenden denn auch in der einen (Marco Provinciali, Giu­seppe Strappa) oder in der anderen Stadt (Verena von Beckerath, Simona Malvezzi, Oda Pälmke, Imke Woelk) verortet, doch wurde diese Kon­stel­lation angereichert um Beiträge aus dem Westen Deutschlands (Uwe Schröder, Peter Wilson), aus Benelux (Filip Dujardin, Job Floris) und aus der Schweiz (Christoph Gantenbein) und gekrönt von einem Gespräch der britischen Künstlerin Rachel Whiteread mit ihrem römischen Galeristen. Die Erwartungen des im Mosaiksaal der Institution anwesenden oder vor den Bildschirmen zu Hause die Tagung im Live-Stream verfolgenden Publikums dürften hoch gespannt gewesen sein.
Die Fragen, die im Laufe der eineinhalb Tage angerissen wurden, könnten alle Teilnehmenden noch über Jahre beschäftigen. Woran denken wir, wenn wir die Stadt als „Collage City“ von Fragmenten betrachten? Was ist ein fragmentierter Raum? Und welche Rolle spielt die Intention − wie ist etwas Übrig gebliebenes gegenüber etwas Unvollendetem zu bewerten? Und was passiert mit der Stadt, wenn sich ihre Bestandteile verklumpen, zusammenballen?
Über diese Fragen ließ sich dank Streiktag im römischen Nahverkehr schon während einer notgedrungen PKW-basierten An- und Abfahrt, auf der Ringautobahn G.R.A. im Stau stehend, nachsinnen. Die provokantesten Bilder dazu lieferte am Nachmittag des zweiten Tagungstages Filip Dujardin mit seinen Collagen belgischer Architekturen und Stadtensembles, die von über­einandergestapelten Krüppelwalmdächern bis
zu einer Halde aus dem Schutt von 2000 Jahren Architekturgeschichte reichten.
Noch anregender waren dagegen nur die überraschenden Verbindungen zwischen den einzelnen historischen, architektonischen, urbanistischen und künstlerischen Herangehensweisen an diese Fragestellungen: Etwa, wenn Whitereads „Mumifizierung der Luft“, wie sie ihr Frühwerk „Ghost“ erklärte, mit den Schwarzen Löchern in Kontakt trat, die Heike Hanada in den Stadtplan von Rom collagiert hatte, um der Natur überlassene, für den Menschen (und dem Stau) entzogene Bereiche zu schaffen, eine grüne Wildnis, die dem Wildwuchs des metropolitanen Alltags als erfahrbar „Anderes“ gegenüber treten könnte. „I made myself the wall looking at the room“, sagte Whiteread über ihre Arbeit an „Ghost“. Die gleißend-helle Poetik eines solchen Satzes vermochte sogar noch die etwas weitschweifigeren Vorträge des ersten Abends zu erleuchten, welche die Diskussion um Begriffe wie Schwelle, Grenze und Mauer kreisen ließen; eine ermüdende begriffliche Haarspalterei, die das babylonische Sprachgewirr entfesselte, das unter Architekten und Architektinnen sofort Überhand nimmt, wenn mal „ganz grundsätzlich“ über Dieses und Jenes diskutiert werden soll.
Wer sich fragt, ob die Tagung und die Spezifik der von Adria Daraban souverän moderierten Panels auch davon geprägt war, dass keine Position „U50“ den Reigen ergänzte, darf beruhigt sein: Nicht nur die Arbeit und die Lebendigkeit einer Rachel Whiteread, sondern auch andere Beiträge ließen entschiedene Zeitgenossenschaft nicht vermissen. Andererseits: Es wäre auch kein Schaden, wenn sich der Wunsch von Hanada, mit ihren Veranstaltungen über die mitunter verhärteten Grenzen der deutschen Architektenschaft hinweg ins Gespräch zu kommen, stärker auch jünger Positionen einbezöge – aus Deutschland etwa war dieses Mal niemand dabei, der den 50. Geburtstag noch vor sich hatte. Die noch geplanten Themen „Natural“ und „Ornamental“ bieten sich dafür an.

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