Bauwelt

Die Transformation der Domplatte in Köln

Von Fritz Schallers Domplatte (1964–70) zur Domtreppe von Schaller/Theodor (2004–06)

Text: Winterhager, Uta, Köln

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    1945 erhebt sich der Dom aus einem Trümmerfeld.
    Foto: Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte/Enström

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    1945 erhebt sich der Dom aus einem Trümmerfeld.

    Foto: Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte/Enström

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    Fritz Schallers Domplatte schuf vor allem auf der Nordseite eine völlig neue Integration der Kathedrale in den Stadtraum.
    Foto: Fritz Schaller

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    Fritz Schallers Domplatte schuf vor allem auf der Nordseite eine völlig neue Integration der Kathedrale in den Stadtraum.

    Foto: Fritz Schaller

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    Lageplan
    Zeichnung: Allmann Sattler Wappne

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    Zeichnung: Allmann Sattler Wappne

Die Transformation der Domplatte in Köln

Von Fritz Schallers Domplatte (1964–70) zur Domtreppe von Schaller/Theodor (2004–06)

Text: Winterhager, Uta, Köln

Luftaufnahmen zum Ende des Zweiten Weltkriegs zeigen ein surreales Bild: Der Dom steht, etwas ramponiert, aber aufrecht, inmitten eines Trümmerfelds, der größte Teil der Kölner Innenstadt ist wie ausradiert. Diese Situation, so traurig sie auch war, bot Rudolf Schwarz, der den Wiederaufbau der Stadt als Generalplaner verantwortete, ideale Voraussetzungen, um grundlegende Ideen für „Das Neue Köln“ zu entwickeln und zu realisieren. Die neue Großstadt sollte sich um zwei Pole gruppieren: die alte, ehrwürdige Hochstadt mit ihren zentralen Aufgaben in Verwaltung, Bildung, Hoheit und Anbetung sowie eine Stadt der Arbeit im Norden. Das Zentrum der Hochstadt markierte in seinem Konzept wie seit Jahrhunderten der Dom. Um hier die gewünschte Dichte zu erzeugen, beendete Schwarz das Streben nach der noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Vision von der räumlichen Isolation des Doms.
Fritz Schaller (1904–2002) war als Mitarbeiter in der Wiederaufbaugesellschaft mit dem von Schwarz entwickelten städtebaulichen Konzept wohl vertraut, gab aber auch selbst als Kirchenbauer wichtige Impulse. 1954 war Schaller dem Dom mit dem Bau der Bank für Gemeinwirtschaft (heute Domforum) bereits einmal sehr nahe gekommen und hatte mit einer feinfühligen Modernität eine passende Antwort auf die Übermacht der Gotik gefunden. Doch die städtebau­liche Situation um die Kathedrale spitzte sich zu, mehr und mehr sah man sie auf einer Verkehrs­insel sitzen, was kaum Schwarz’ Vorstellung vom Zentrum der Hochstadt entsprechen konnte. 1964 lobte die Stadt einen Wettbewerb für die Gesamtplanung der Domplätze aus, den Fritz Schaller mit einem Konzept gewann, das den Plural der Plätze in der Auslobung scheinbar ig­norierte. Sein bis 1970 realisierter Entwurf war eine Gesamtlösung zur „Integration des Doms in das Stadtgefüge und seiner Befreiung aus der räumlichen Isolierung“. Funktional und gestal­terisch aus einem Guss, überdeckelte eine Platte den ruhenden wie den fahrenden Verkehr und widmete das Plateau den Fußgängern. Der Boden war mit Granitplatten ausgelegt, es gab Brunnen, Beete, Kioske und Intarsien, um die große Fläche zu gliedern; eigens entworfene Lampen markierten das Terrain. Gut viereinhalb Meter schwebte die Platte über dem Niveau der Stadt, im Süden und Westen half die Topografie, dass die Höhe mit wenigen Stufen zu erreichen war, doch die Kanten im Norden und Osten waren schroff. Schaller inszenierte die Härte mit Sichtbeton und strenger Geometrie. Insbesondere mit der komplexem Struktur der vom Bahnhof auf das Nordportal hinauf führenden Treppenanlage, aus der sich zu beiden Seiten Reihen achteckiger Pilze entwickelten, die die Platte stützen und die Fußgänger leiten, hatte er sich weit von der sanften Topografie des Domhügels entfernt und die Domumgebung vollkommen neu erfunden. War das nicht unerhört, die Stadt einfach auf die Höhe des Gotteshauses anzu­heben?

Nach dem Krieg beschränkte sich die sakrale Würde des Doms nur auf den Chorbereich – der Rest war ein öffentlicher Raum, es war eine Bürgerkirche. Dazu passte es natürlich zu sagen, lasst uns den Dom von seinem Podest heben und auf die Stadtebene stellen. Christian Schaller

Fritz Schaller hatte Mut bewiesen, sowohl inhaltlich mit einem neuen Verständnis von Gesellschaft, Stadt und Kirche, aber auch mit einer Gestaltung, die es scheinbar unbeeindruckt wag­-te, eine ganz eigene Sprache zu sprechen. Aber unumstritten war die Domplatte nie. Schaller hatte den Dom zwar aus seiner Insellage befreit, doch sein Umfeld damit in ein Oben und ein Unten geteilt. Und das funktionierte zunehmend schlechter. Sittenverfall hätte man das Phänomen damals vielleicht genannt, das die Nadel­öhre, Tunnel und Passagen an den Kanten und darunter unangenehm werden ließ. Der nackte Beton des brutalistischen Bauwerks tat ein übriges, dass die Wertschätzung der Domplatte trotz zehntausender Passanten, die sie sicher aus der Stadt zum Bahnhof führte und ebenso vieler Fahrzeuge, die sie schluckte und kanalisierte, rapide abnahm.

An dieser Stelle löste sich die etwas zwanghafte Sechseckgeometrie der Domplatte in diesen verknautschten Hof auf. Und dort drin stand der berauschte Dionysos und schaute hoch zum Chor. Als sich dann alle über diesen Pinkelhof aufregten, hat mein Vater den Vorschlag gemacht, den ganzen Hof unter Wasser setzen, um damit das Problem zu lösen. Christian Schaller

Doch es war nicht nur die Domplatte, es waren auch die ehrgeizigen Kulturbauten, die auf und an ihr errichtet wurden, das Römisch-Germanische Museum und das Museum Ludwig, die sämtliche Städtebautheorien einem gnadenlosen Praxistest unterzogen. Immer wieder kamen Stadt und Planer zusammen, um nach Lösungen zu suchen, doch Entscheidungen gab es nicht. Erst als ein Investor plante, ein Shoppingcenter unter den Bahnhofsvorplatz zu bau­-en, kam ein ausreichend großer Druck auf, denn das wollte niemand. In einem Gedankenaustausch entwickelten 1998 mehrere Büros neue Konzepte für die Schnittstelle Bahnhof/Dom. Den entscheidenden Beitrag lieferte das Büro Schaller/Theodor mit einem Entwurf für einen autofreien Bahnhofsvorplatz und eine großzügige breite Treppenanlage zur Überwindung einer deutlich verschlankten Straße. Diese Idee hätte die Stadt zur Grundlage eines Wettbewerbs gemacht, doch Christian Schaller, der Sohn von Fritz Schaller, bestand auf seinem Urheberrecht und erhielt den Auftrag. Fertiggestellt wurde die Treppe zwei Jahre später 2006. Vom Bahnhof aus betrachtet, zeichnet sie in ihrer Großzügigkeit und sanften Kontur nun wieder das Bild des ehedem verbauten Domhügels nach, den man nun wieder ohne Bedrängnis erklimmen kann. Doch während hier die Beharrlichkeit des Büros Schaller/Theodor zu einer nicht nur funktionalen, sondern auch sehr ästhetischen und verhältnismäßig schnellen Lösung geführt hat, entwickelte sich die Umgestaltung im Bereich des Dionysoshofs/Baptisterium hinter dem Domchor erst zu einem finanziellen, dann zu einem planerischen Problem.
Die Ansicht der Domplatte hat sich durch die Maßnahmen der letzten Jahre erheblich verändert. Und genau das war der Plan, um dem Dom endlich wieder eine ihm würdige Umgebung zu Füßen zu legen. Interessant ist jedoch, dass es trotz der Wiederentdeckung des Brutalismus nie eine Diskussion um den Denkmalwert der Platte gegeben hat.
Es wäre mutig gewesen, den Kölnern den Denkmalwert der Domplatte zu vermitteln. Dazu jedoch wäre eine starke Lobby­arbeit nötig gewesen, die auch die Un­terstützung des Doms gebraucht hätte. Martin Bredenbeck, Geschäftsführer des Rhei­nischen Vereins für Denkmalpflege
Ihr Urheberrecht mussten Fritz und Christian Schaller privatrechtlich verteidigen. Denn ge­-­rade in den Bereichen, die die größten Probleme gemacht haben, zeigte die Platte ihre Kante am expressivsten. Dass dies nun ein Verlust ist, den die Qualitäten der neuen Gestaltung wettmachen, ist zum Konsens in der Stadt geworden.
Die 60/70er-Jahre-Architektur und der Brutalismus sind für alle Denkmalpfleger ein großes Thema geworden. Da wir in den Unterschutzstellungsuntersuchungen zu dieser Epoche aber erst am Anfang stehen, fehlen uns die Grundlagenwerke und Bewertungskategorien, um zu entscheiden, welchen dieser Gebäude oder auch Stadtplanungen ein Denkmalwert zukommt und welchen nicht. In den vergangenen Unterschutzstellungsunter­suchungen in Köln stand die Domplatte nie im Fokus. Auch ein externer Antrag für eine Unterschutzstellung wurde nicht gestellt, sodass bis heute offen bleiben muss, ob die Domplatte einen Denkmalwert besessen hat. Thomas Werner, Stadtkonservator
Fakten
Architekten Schaller, Fritz (1904–2002)
aus Bauwelt 15.2017
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