Vom Abfall abfallen
Interaktive Schau im Deutschen Technikmuseum zum Thema Reparatur
Text: Costadura, Leonardo, Berlin
Vom Abfall abfallen
Interaktive Schau im Deutschen Technikmuseum zum Thema Reparatur
Text: Costadura, Leonardo, Berlin
Die wachstumsgetriebene Konsumgesellschaft, in der ein kleiner Teil der Menschheit in den letzten Jahrzehnten gelebt hat, hat eine ähnlich psychoaktive Wirkung auf ebenjene Gruppe gehabt wie eine starke Droge: Der ephemere Zustand wurde für die Normalität gehalten. Wie wenig normal aber dieser kurze Moment in Wirklichkeit war, dämmert den Menschen der Industrieländer erst ganz langsam, und es ist fraglich, ob nicht ein beträchtlicher Teil für immer Junkie bleiben wird.
Geradezu fundamental für die Logik dieses Wirtschaftssystems ist der schnelle Verschleiß der Konsumgüter sowie der Erwerb eines Ersatzproduktes. Auf diese Weise sind in den letzten Jahrzehnten Mengen an Abfall entstanden, die sich jeder Vorstellungskraft entziehen – sie entziehen sich zudem unseren Blicken, weil sie massiv von den reichen Ländern, wo sie hautsächlich entstehen, meist illegal in arme Länder gebracht werden. So konnte den Konsumenten seit den Jahren des Wirtschaftswunders einerseits vorgegaukelt werden, die Ressourcen seien unendlich, und andererseits, dass es unproblematisch sei, hemmungslos auf sie zuzugreifen.
Das Deutsche Technikmuseum in Berlin wartet derzeit mit einer Ausstellung auf, die an diesem Punkt ansetzt und an den, man kann sagen, menschheitsgeschichtlichen Normalfall der Reparatur und des Wiederverwendens erinnert, der jener Wegwerfmentalität diametral entgegengesetzt ist. Denn lebt man nicht im Überfluss, so ist Reparatur der Standard. Selbst in Deutschland erlebten weite Teile der Gesellschaft Mangel – in der BRD jedenfalls noch in der Nachkriegszeit und in der DDR bis zur Wende. Und selbstverständlich schwimmt auch heute ein konsistenter Teil der Menschen in Deutschland nicht im Geld und ist deshalb aufs Reparieren und Wiederverwenden angewiesen.
In der Ausstellung, die inhaltlich wie gestalterisch vielfältig ist und sich dezidiert auch an Kinder richtet, erfahren die Besucher, dass auch die Natur sich andauernd selbst repariert. Axolotls zum Beispiel können sogar Gliedmaßen nachwachsen lassen. Zwei (intakte und lebendige) Artgenossen schwimmen zur Anschauung in einem Aquarium, schaurig und eindrücklich. Die Wissenschaft der Bionik versucht, jene Techniken der Tier- und Pflanzenwelt für den Menschen nutzbar zu machen.
Im hinteren Teil der Schau, die sich in der „Ladestraße“, einem langgestreckten Gebäude des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs befindet, ist eine Werkstatt eingerichtet, in der Kinder Socken stopfen, Fahrradschläuche flicken, Knöpfe annähen und Schüsseln kleben können. Eine Aufforderung dazu, das neu erworbene Wissen gleich anzuwenden – das ist nachhaltig!
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